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Agrophotovoltaik-Anlagen
Oben Sonne, unten Getreide

Nahrungsmittelproduktion und Energieproduktion auf ein und demselben Feld – das spart Fläche und könnte zukünftig den Mix erneuerbarer Energien erweitern. In der Nähe vom Bodensee ist jetzt die deutschlandweit erste Agrophotovoltaik-Anlage in Betrieb genommen worden. Die Hoffnung: Durch Hybrid-Anlagen wie diese könnte die Landverknappung gestoppt werden - nicht nur in Deutschland.

Von Birgit Augustin | 03.10.2016
    Kühe stehen am Mittwoch (08.08.2012) auf einer Weide bei Penzberg (Oberbayern) vor einem Stall mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.
    Landwirtschaftliche Betriebe könnten in Zukunft Anbauflächen mit Solarpanelen kombinieren - und dadurch die vorhandene Fläche besser nutzen. (dpa / picture alliance / Andreas Gebert)
    In Heggelbach am Bodensee werden die letzten Solarmodule zusammengeschraubt. Dann hievt ein Kran sie auf eine Metallkonstruktion in mehr als sechs Metern Höhe. Nun steht sie, die deutschlandweit erste Agrophotovoltaik-Anlage. Die Idee: Oben wird Sonnenstrom geerntet, unten am Boden Getreide und Gemüse. Die Solarpanele schweben wie ein luftiges Dach über dem Acker. Nahrungsmittelproduktion und Energieproduktion auf einem Feld – die Idee wirkt bestechend – und soll die Landnutzungseffizienz massiv steigern.
    "Wenn ich Sellerie oder Kartoffeln erzeuge, dann brauche ich ein Stück Land. Und wenn ich Solarstrom erzeugen möchte, brauche ich auch ein Stück Land", sagt Stephan Schindele. Er ist Projektleiter beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.
    "Wenn ich jetzt schau: Wie viel bekomme ich von einem Hektar Land, wie viel Kartoffeln oder Karotten bekomme ich da raus und wie viel Strom kriege ich da raus? ...Wenn ich das in einer Hybrid-Anlage wie dieser kombiniere, dann brauch ich 70 Prozent weniger Fläche, um den gleichen Ertrag zu erzielen."
    Landverknappung könnte gestoppt werden
    Das wäre Rekord. Vergleichbare Anlagen in Frankreich, Italien und Japan erreichen eine Flächeneinsparung von nur 50 bis 60 Prozent. Die Forscher vom Fraunhofer-Institut um Stephan Schindele haben ein Patent für die von ihnen entwickelte Agrophotovoltaik-Anlage eingereicht. Die Module sind bifazial, fangen das Sonnenlicht also auch noch auf der Unterseite ein. Und sie sind nicht komplett nach Süden ausgerichtet, wie Anlagen andernorts. Fürs optimale Lichtmanagement, so die Ergebnisse der Freiburger Modellrechnungen, müssen die Module leicht nach Südosten oder Südwesten ausgedreht sein. Doch Stephan Schindele und seinem Team geht es nicht in erster Linie um ein marktfähiges Produkt, mit dem sie die Konkurrenz aus dem Ausland ausstechen können. Viel wichtiger ist ihnen etwas ganz anderes: Sie wollen die fortschreitende Landverknappung stoppen.
    "Es werden in Deutschland täglich ungefähr hundert Fußballplätze Land beansprucht für Gewerbeflächen, Wohnungsbau und für Infrastruktur wie Straßen. Zusätzlich haben wir die Energiewende, die ganz viel Flächen beansprucht für Biogas, Agrokraftstoffe, E5, E10, Biodiesel. Wenn wir jetzt auch noch die Photovoltaik-Freiflächenanlage kommt, die herkömmliche, die auch noch Land beansprucht, dann haben wir einen sehr hohen Landverbrauch in Deutschland pro Tag."
    Agrophotovoltaik dagegen soll die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Stromproduktion vermeiden. Um zu zeigen, dass das funktioniert, hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme einen Kooperationspartner gesucht: Einen Landwirt, der bereit ist, sich auf das Experiment Agrophotovoltaik, oder APV, wie die Experten sagen, einzulassen. Fündig geworden sind die Forscher bei der Hofgemeinschaft Heggelbach, einem Demeter-Hof in der Nähe des Bodensees. Hier bewirtschaften sechs Familien das Land nach biologisch-dynamischen Kriterien. Für die Agrophotovoltaik-Anlage stellen sie einen halben Hektar Land zur Verfügung. Und wollen keine faulen Kompromisse eingehen, sagt Thomas Schmid, einer der Heggelbacher Bauern.
    "Wir haben gesagt: Wenn wir das machen, dann wollen wir unsere ganz normale Fruchtfolge, im Biologisch-Dynamischen heißt das: Eine siebengliedrige Fruchtfolge, hier sollen auch mal Kühe drunter weiden, hier soll Gemüse angebaut werden, hier soll Getreide angebaut werden. Wir haben einen sehr hohen Anspruch an Bodenfruchtbarkeit, an Pflanzenqualität – wenn es bei uns möglich ist, ist es auch woanders möglich."
    Reverenzfeld soll Nebeneffekte deutlich machen
    Gleich nebenan, auf einer ebenso großen Fläche, wird das Referenzfeld bewirtschaftet. Um zu sehen, wie sich die Solar-Module sowohl auf die Menge als auch auf die Qualität der Ernte darunter auswirken. Denn unter der Photovoltaik-Anlage ändert sich das Mikroklima für die Pflanzen. Deshalb wird das Projekt von der Universität Hohenheim agrarwissenschaftlich begleitet. Petra Högy interessiert sich für die Effekte der Verschattung, für Veränderungen bei Temperatur und Feuchte.
    "Wir schauen aber auch genau, neben den Erträgen, wie die Inhaltsstoffe der Pflanzen sich verändern. Darunter ist zum Beispiel Protein, wenn wir vom Weizen sprechen, ein Qualitätsparameter, der sehr wichtig ist. Wir werden auch Mineralstoffe untersuchen, Aminosäurenzusammensetzung. Also, im Prinzip alle verbraucherrelevanten Inhaltsstoffe, die uns Informationen geben, wie gesund ist das, was unter APV in Zukunft produziert wird."
    Heggelbach ist auch in dieser Hinsicht ein bislang einmaliges Experiment. Zwar wachsen auch unter den Agrophotovoltaik-Anlagen im Ausland Pflanzen. Aber keines dieser Felder wird bislang wissenschaftlich begleitet.
    "Es gibt Kulturpflanzen wie den Weizen, die sehr lichtliebend ist. Wenn wir jetzt unter den Panels Weizen wachsen lassen, ist davon auszugehen, dass Weizen negativ reagieren wird. Kartoffel reagiert positiv auf Beschattung, von daher eine Kulturart, die vielleicht in Zukunft von APV profitieren wird."
    Schatten hat auch Schattenseiten
    Aber noch sind das Hypothesen. Petra Högy und ihre Kollegin Sabine Zikeli warnen vor allzu voreiligen Schlüssen. Auch was die Hoffnung mancher Winzer in Südeuropa angeht, Agrophotovoltaik-Anlagen könnten ihren Weinstöcken den Hitzestress nehmen, der durch den Klimawandel Jahr für Jahr größer wird. Schatten, sagt Sabine Zikeli, habe auch seine Schattenseiten.
    "Insbesondere pilzliche Erreger, die sind einfach in den Sonderkulturen ein großes Problem. Änderungen im Mikroklima haben dann wiederum auch Auswirkungen auf die Pflanzenschädlinge. Und das müsste man sich genauer angucken, das kann man so aus der hohlen Hand heraus jetzt nicht sagen."
    Für die Heggelbacher Bauern stellen sich auch noch ganz andere praktische Fragen: Wie erntet man mit schweren Maschinen zwischen sechs Meter hohen Pfosten? Einfach geradeaus und dann wenden – das geht unter der Anlage nicht mehr. Zumal verschiedene Feldfrüchte unterschiedlich geerntet werden. Thomas Schmid.
    "Eine Zwiebel, die kann ich beetweise ernten, während eine Kartoffel, die muss ich immer im Kreis herum ernten und dann sind die Pfosten im Weg. Dann muss ich die Fahrtrichtung wieder ändern, und das macht einen Aufwand, gerade in einer Kultur wie der Kartoffel."
    Trotz des Mehraufwandes wollen sie es probieren. Denn Solarstrom gehört für die Landwirte von der Hofgemeinschaft Heggelbach schon lange zum Alltag. Sie haben seit Jahren Photovoltaik-Anlagen auf ihren Dächern. Wie viele andere Hausbesitzer in Deutschland auch.
    Derzeit werden über solche Anlagen in der Spitze 40 Gigawatt Strom produziert. Das Potenzial für Solarstrom liegt in Deutschland fünf Mal so hoch: bei 200 Gigawatt. Agrophotovoltaik-Anlagen könnten weitere 50 Gigawatt beisteuern. Schon die Heggelbacher Bauern können mit ihrem halben Hektar Solarmodulfläche 60 Vierpersonen-Haushalte versorgen – über den eigenen Bedarf hinaus.
    Die Idee ist schon 30 Jahre alt
    Die Idee, Agrarflächen für Landwirtschaft und Sonnenstromgewinnung gleichzeitig zu nutzen, ist schon 30 Jahre alt, erdacht vom Gründer des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Adolf Goetzberger – aber erst jetzt, da im Zuge der Energiewende die Erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden, bekommt Agrophotovoltaik eine reelle Chance, sagt Gerhard Stryi-Hipp, energiepolitischer Sprecher des Instituts.
    "Am Anfang ist es ja ganz einfach, die Photovoltaik auf Dächer zu setzen, oder eine Windkraftanlage auf den Berg zu setzen. Aber wenn es hohe Anteile werden, dann ist es in vielen Regionen, da gibt es ein Platzproblem, da ist es eine elegante Lösung, die dann auch dazu beiträgt, dieses Ziel zu erreichen."
    Agrophotovoltaikanlagen im großen Stil wären dann aber auch ein nicht mehr zu übersehender Bestandteil der Landschaft. Stephan Schindele, der Projektleiter am Fraunhofer-Institut, weiß, dass das ein kritischer Punkt werden kann.
    Akzeptanz in der Bevölkerung ist wichtig
    "Was mir hier gefällt ist, dass man wirklich sieht, der Wald ist noch ein Stück höher als so eine Anlage. Das heißt, gerade Felder, die am Waldrand liegen, für die ist das auch ganz gut geeignet."
    Akzeptanz in der Bevölkerung ist wichtig, sonst kommt die Energiewende nicht voran. Wilfrid Franke kann ein Lied davon singen: Der Regionaldirektor ist für die Landkreise Bodensee, Ravensburg und Sigmaringen zuständig. Den Ausbau der Windenergie in seiner Region hat er scheitern sehen. Die Bürger wehren sich seit Jahren gegen das, was sie als "Verspargelung der Landschaft" empfinden.
    "Wir hatten vor 15 Jahren sieben Windkraftanlagen in der Region und wir haben jetzt sieben Windkraftanlagen in der Region. Wir hatten versucht, vor fünf, sechs Jahren, mal konzeptionell die Windkraftanlagen zu konzentrieren in Landschaften, die nicht so wertvoll sind, nicht im unmittelbaren Bodensee-Uferbereich. Aber man sagt uns auch an anderer Stelle: Wir haben auch eine tolle Landschaft. So einfach ist es eben nicht."
    Denn Widerstände wie die gegen Windkraftanlagen haben dazu geführt, dass in der Bodensee-Region nur gut zwölf Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden, bundesweit sind es 33 Prozent. Ein Gutteil davon ist Biogas, hergestellt aus Mais. Aber: Noch immer kommt mehr als die Hälfte des Stroms aus Atomkraftwerken. Und die werden demnächst in Deutschland abgestellt. Für Regionaldirektor Wilfried Franke ist deshalb nicht das Landschaftsbild vorrangig, sondern die Frage nach dem Ersatz für solch eine gewaltige Energiemenge.
    "Wir leben heute von Philippsburg und Grundremmingen und wie die Atomkraftstandorte alle heißen. Und die sind 2022 nicht mehr da. Entweder werden wir immer abhängiger von anderen Produzenten, die immer weiter weg sind. Oder wir versuchen, zumindest einen kleinen Teil selber zu erzeugen."
    In Heggelbach kooperieren die Bauern mit einem regionalen Energieversorger, der EWS Schönau, denn den Strom, den sie mit der Agrophotovoltaik-Anlage auf ihrem Feld erzeugen, reicht weit über ihren eigenen Bedarf hinaus. Der Rest geht ins Netz und versorgt die Region mit Strom. Solche Modelle, glaubt André Wolf vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut, tragen dazu bei, die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen.
    "Das bietet ja auch die Möglichkeit für Kollektive von Landwirten, sich zusammenzuschließen, Energiegenossenschaften zu gründen, und auf diese Weise eben auch lokales Unternehmertum zu etablieren, was dann eben auch die Wertschöpfung in der Region erzeugen kann, Arbeitsplätze schaffen kann, auch eine regionale Wirtschaft gerade in den unterentwickelten ländlichen Räumen stärken kann."
    Weitere Kulturen sollen getestet werden
    Heggelbach soll nur der Anfang sein. Dem Freiburger Fraunhofer-Institut schwebt ein 10-Äcker-Programm vor, um noch andere Kulturen testen zu können: Wein, Obst und Hopfen beispielsweise. Die Idee lehnt sich an das 1.000-Dächer-Programm der Bundesregierung an, das in den 90er-Jahren Hausbesitzer für die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach gewinnen wollte und zum Erfolg wurde: Schnell waren es 100.000 Dächer – und deren Stromproduktion ließ sich ohne Schwierigkeiten ins bestehende Stromnetz integrieren.
    Von einer solchen Verbreitung ist die Agrophotovoltaik noch weit entfernt, es geht am Bodensee zunächst um Forschung. Aber nicht nur die direkt am Projekt Beteiligten denken längst über den deutschen Tellerrand hinaus. Auch Ökonomen glauben, dass sich die Kombination von Landwirtschaft und Stromgewinnung rechnen kann. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
    "Dadurch, dass die Kosten massiv gesunken sind, sind die Potenziale nahezu unendlich. Gerade wenn man schaut in Regionen wie beispielsweise Nordafrika oder auch Südspanien und Italien, aber auch global gesehen. Überall, wo man Regionen mit hohen Sonneneinstrahlungen hat, sind die Potenziale sehr groß."
    Dezentralität als entscheidender Faktor
    Große Potenziale – das hatten viele auch dem Projekt DESERTEC zugetraut. Dessen Ziel: Solarstrom aus der Wüste für Nordafrika, den Nahen Osten und – vor allen Dingen – für Europa. Umweltfreundlich und billig hergestellt. 2009 gründete sich ein Konsortium von 17 Industrie-Unternehmen, um den Bau von Solarkraftwerken in Nordafrika voranzutreiben. Doch jahrelang kam DESERTEC nicht voran, das Konsortium zerfiel vor zwei Jahren endgültig, zahlreiche Unternehmen stiegen aus. Claudia Kemfert wundert das nicht.
    "Das ist ein Riesenprojekt und daran ist es letztlich ja fast gescheitert. Weil man dort sehr, sehr große Anlagen plant. Und dass man dann mit gigantomanischen Ansätzen kommt, dass man die gesamte Wüste nutzt, um Energie für Europa zu generieren. Also, das sind alles so Größenordnungen, die wenig wahrscheinlich sind in der Zukunft."
    Vor einem Dreivierteljahr gab es einen Neustart von DESERTEC. Diesmal sind nur drei Industriepartner beteiligt, darunter der deutsche RWE-Konzern. Und es geht nicht mehr um Energiegewinnung für Europa, sondern für die Region. In Marokko etwa, wo gerade am Fuße des Hohen Atlas das größte Solarkraftwerk der Welt gebaut wird.
    Stromversorgung in der Region für die Region – so "geschrumpft" hält Claudia Kemfert das neue DESERTEC -Projekt für deutlich erfolgversprechender. Der kleinere Maßstab ist es, der ihr auch bei der Agrophotovoltaik gefällt.
    "Das macht den Charme von Agrophotovoltaik aus, weil es hier ja um kleinere Einheiten geht, um Dezentralität. Und damit wird es auch machbar."
    Das Konzept überzeugt auch international tätige Konzerne wie die Münchner BayWa. BayWa verkauft sowohl Saatgut und Düngemittel als auch Solarkraftwerke. Die Münchner prüfen gerade mit einem afrikanischen Partner die Aufstellung einer Agrophotovoltaik-Anlage in Sambia. Zwar sollen dort eigentlich große Wasserkraftwerke die Stromversorgung zu 95 Prozent sicherstellen. Aber in den letzten Jahren hat es dort so wenig geregnet, dass die Kraftwerke nur noch 15 Prozent schaffen. Kein Strom bedeutet: Die Wasserpumpen laufen nicht – die Ernte ist gefährdet.
    "Wenn die Strombereitstellung hier über das Netz gar nicht funktioniert, oder eben nur lückenhaft, weil es Stromausfälle gibt, dann ist die Bereitstellung von Photovoltaik-Strom grundsätzlich schon mal attraktiv", sagt Christof Thannbichler, Geschäftsführer der "BayWa renewable energy". Und noch viel attraktiver wird eine solche Anlage, wenn sie nicht nur stabil Strom liefert, sondern auch noch Kaffeepflanzen Schatten spendet, wofür sonst höhere Bäume gepflanzt werden müssten.
    "Wenn die zusätzlichen Nutzen abwirft, indem sie dafür sorgt, dass diese Früchte, der Kaffee, optimaler gedeihen – dann ist die Qualität des landwirtschaftlichen Produktes besser, dann ist das ein echter Mehrwert."
    Noch gibt es viel zu forschen. Das Projekt in Heggelbach ist auf drei Jahre angelegt, das Bundesministerium für Forschung und Entwicklung gibt 2, 8 Millionen Euro, 400.000 Euro kommen von der Industrie. Eine Einspeisevergütung dagegen ist für den in Heggelbach produzierten Strom nicht vorgesehen – auch die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom Juli dieses Jahres berücksichtigt solche Anlagen noch nicht.
    Agrophotovoltaik sei eine neue Nische, sagt Gerhard Stryi-Hipp, energiepolitischer Sprecher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme. Dabei wird es nicht einfach für die neue Technologie: Die Bundesregierung will mehr Wettbewerb. Ab 2019 soll der Ausbau von Strom aus Windkraft, Photovoltaik-Anlagen und Biogas schrittweise begrenzt werden. Zuschüsse bekommt künftig nur noch, wer zuvor in einer Ausschreibung den Zuschlag gewonnen hat – das Kriterium: möglichst niedriger Förderbedarf. Gerhard Stryi-Hipp fürchtet, dass das ehrgeizige Ziel, bis 2050 80 Prozent des Stroms aus Wind, Sonne und Biogas zu gewinnen, so nicht zu erreichen ist.
    "Wir sehen, dass die Bundesregierung derzeit eher auf die Bremse tritt, als dass sie das beschleunigt. Von daher würden wir uns wünschen, eine ambitioniertere Politik in Richtung Erneuerbare Energien zu machen."
    Ackerflächen im Süden nutzen
    Dabei könnten Agrophotovoltaik-Anlagen mittelfristig zur Lösung eines anderen Problems der Energiewende beitragen – das der ungleichen Windenergieproduktion in Nord- und Süddeutschland, glaubt André Wolf vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut:
    "Ich denke, gerade durch die Lage der neuen Agrophotovoltaik-Projekte kann vielleicht auch der künftige Netzausbau vermieden werden, weil eben dafür Ackerflächen in Süddeutschland infrage kommen und entsprechend vielleicht nicht mehr so viel Strom von Norden nach Süden über Langstreckennetze transportiert werden muss."
    Auf dem Heggelbach-Hof am Bodensee produzieren sie mit ihrer neuen Anlage nun deutlich mehr Strom als sie für die Melkmaschine und die Kühlung der Milch, für das Waschen und Vakuumieren der Roten Beete brauchen. Selbstversorger sind sie dennoch nicht: Der Hof braucht Strom rund um die Uhr, auch nachts oder wenn die Sonne mal nicht scheint. Der Agrophotovoltaik-Strom lässt sich nicht speichern. Thomas Schmid will deshalb den eigenen Verbrauch noch optimieren.
    "Dass wir möglichst wenig Strom nachts verbrauchen, wenn kein Photovoltaik-Strom zur Verfügung steht. Sondern dass, wenn Sonnenstrom zur Verfügung steht, wir ihn dann auch verbrauchen."
    Aber der Ehrgeiz der Heggelbacher Bauern reicht noch weiter. Sie wollen, dass auch ihre Traktoren in einigen Jahren keinen Diesel mehr verbrennen, sondern batteriebetrieben fahren. Mit Strom, den sie dann vielleicht auf dem eigenen Feld geerntet haben.