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Ahnen: Bund und Länder müssen große Bildungsaufgaben gemeinsam angehen

Inklusion und Ganztagsschulen seien die künftigen großen Bildungsaufgaben in Deutschland, sagt Doris Ahnen. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin unterstreicht, dass diese Themen bei den Beratungen zum Hochschulpakt miteinbezogen wurden.

Ulrike Burgwinkel im Gespräch mit Doris Ahnen | 01.02.2013
    Ulrike Burgwinkel: Die Möglichkeiten der Kooperation zwischen Bund und Ländern werden weiter beraten - so heißt es in der Pressemitteilung des Bundesbildungsministeriums recht lapidar. Das klingt gut, ist aber wenig konkret. Konkret aber klingt zumindest das Folgende: Der Hochschulpakt bleibt bis 2020 bestehen. Die gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK soll den Mehrbedarf bis 2020 ermitteln. Doris Ahnen ist nicht nur Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, sondern auch Vorsitzende der GWK. Guten Tag, Frau Ahnen!

    Doris Ahnen: Guten Tag!

    Burgwinkel: Frau Ahnen, Mehrbedarf - was versteckt sich denn dahinter?

    Ahnen: Bei den Studienanfängern ist es ja so, dass wir ursprünglich mal davon ausgegangen sind, dass in der Laufzeit des Paktes 2011 bis 2015 wir ungefähr 275.000 zusätzliche Studienanfängerinnen und Studienanfänger haben würden. Dann kamen die Effekte des Wehrpflichteffektes hinzu, Wegfall der Wehrpflicht, so waren wir schon gut über 300.000. Aber alle Zahlen deuten darauf hin, dass wir in der Laufzeit bei 600.000 Studierenden ungefähr landen könnten, die zusätzlich ein Studium aufnehmen - und für die muss natürlich auch entsprechende Bedingungen in den Hochschulen geschaffen werden. Und deswegen sind wir seit geraumer Zeit in Beratung zwischen Bund und Ländern, dass der Hochschulpakt entsprechend fortgeschrieben wird und haben uns vorgenommen, dass das auf der GWK im April erfolgen soll.

    Burgwinkel: Das heißt, der Bund gibt mehr Geld?

    Ahnen: Es ist erforderlich, dass der Bund mehr Geld in den Hochschulpakt gibt und dass natürlich die Länder ihre entsprechenden Anstrengungen auch fortsetzen.

    Burgwinkel: Dieses tangiert jetzt die Hochschulen. Nun haben die Länder ziemlich große schulische Aufgaben zu schultern, Stichworte Inklusion, Ganztagsschule. Wie ist da der Stand der Diskussion seit gestern Abend, Frau Ahnen?

    Ahnen: Erfreulich ist, dass zunehmend die Erkenntnis reift, dass es wichtige Themen im Hochschulbereich gibt, aber dass es auch wichtige Themen im Bildungsbereich gibt, die alle Länder betreffen und die auch den Bund betreffen. Nehmen Sie das Beispiel der Inklusion, also des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern - das ist ein Thema, das muss die Gesellschaft insgesamt aufgreifen, das müssen auch alle politischen Ebenen aufgreifen. Und insofern war es unser Anliegen von Anfang an, dass man eben insgesamt über die großen Herausforderungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich redet und auch solche Themen wie Inklusion oder auch Ganztagsschulen in die Betrachtung mit einbeziehen muss.

    Burgwinkel: Nun ist es wohl so, dass die Bevölkerung ja insgesamt sich auch mehr Transparenz in Sachen Bildungspolitik wünscht und auch mehr Zentralismus, damit man zum Beispiel von einem Bundesland ins andere ohne Probleme wechseln kann. Wie schätzen sie da die Situation ein?

    Ahnen: Also auf der einen Seite brauchen wir in den großen Themen eine verbesserte Zusammenarbeit und auch vor allen Dingen eine finanzielle Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Insgesamt ist es unser Anliegen, dass wir Vergleichbarkeit und Mobilität im Schulbereich erhöhen. Da sind auch in der KMK eine ganze Reihe von Schritten - denken Sie nur an die gemeinsamen Abiturstandards - auf den Weg gebracht worden, um eben gerade diesen berechtigten Bedürfnissen auch stärker entgegenzukommen.

    Burgwinkel: Wenn wir jetzt mal spekulieren: Sagen wir mal, das Kooperationsverbot wird aufgehoben - was heißt das denn dann für Sie ganz konkret als Landesministerin? Ist das so: Wer Geld gibt, der redet auch rein, der darf auch bestimmen, wo es langgeht?

    Ahnen: Ich glaube, es geht nicht darum, dass insgesamt die Schulpolitik zentralisiert wird, das würde auch gar keinen Sinn machen. Sie müssen sich überlegen, wie groß die Systeme sind und dass sie auch eine Nähe zu den Problemlösungen brauchen, dass die Strukturen in den Ländern unterschiedlich sind. Aber auf der anderen Seite gibt es eine klare Anforderung, dass die großen Aufgaben auch gemeinsam gestemmt werden - noch mal, da scheinen mir sehr geeignete Stichworte das Thema Inklusion, aber auch das Thema Ganztagsschule zu sein -, und auf der anderen Seite gibt es natürlich das Bedürfnis, dass Mobilität und Vergleichbarkeit zwischen den Ländern hergestellt wird.

    Burgwinkel: Was meinen Sie denn, Frau Ahnen: Wie geht es weiter mit einer Bundesbildungsministerin, die möglicherweise dieses Amt gar nicht mehr so lange ausüben wird?

    Ahnen: Wir haben uns gestern so verständigt, dass über, wie die Bundesregierung sie vorgeschlagen hat, also wirklich sich auf exzellente Einrichtungen an den Hochschulen zu beschränken. Dafür gibt es keine Mehrheit. Und es ist auch deutlich geworden, dass man das Thema umfassender angehen muss, dass es auch Hilfemöglichkeiten unterhalb einer Grundgesetzänderung gibt - der Hochschulpakt zum Beispiel ist nicht tangiert von einer Grundgesetzänderung. Und ich hoffe, dass wir auch in den anderen Bereichen, Inklusion und Ganztagsschule, weiter im Gespräch bleiben.

    Burgwinkel: Das war Doris Ahnen, Vorsitzende der GWK und Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.