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Aigner: Deutschland unterstützt Greening

Unter dem Stichwort "Greening" strebt die EU eine Ökologisierung der Landwirtschaft an. Die Bundesregierung unterstütze diese Pläne, sagt Ilse Aigner. Kritisch sieht sie, dass einige Länder die Produktionsförderung ausweiten wollen. Das sei eine "Rolle rückwärts" in die Zeiten von Butterbergen und Milchseen, so die Bundeslandwirtschaftsministerin.

Ilse Aigner im Gespräch mit Peter Kapern | 18.03.2013
    Peter Kapern: Eins kann man dem für die Agrarpolitik zuständigen EU-Kommissar Dacian Ciolos gewiss nicht vorwerfen, nämlich dass er nicht ambitioniert genug zu Werke geht. Er will Europas Landwirtschaft ökologisieren. Für das Projekt hat er sich das schöne Schlagwort "Greening" ausgedacht. Sieben Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Europa sollen seiner Vorstellung nach der Natur überlassen werden. Die Bauern sollen, um Monokulturen zu verhindern, mindestens drei Fruchtsorten anbauen müssen, und aus Weideland soll kein Ackerland mehr gemacht werden dürfen. Und schließlich will Kommissar Ciolos die Subventionszahlungen für Großbetriebe deckeln. Nicht ganz so ambitioniert geht das Europaparlament beim Greening voran. Es hat in der vergangenen Woche verlangt, die Pläne des EU-Kommissars abzuschwächen, und ab heute befassen sich die EU-Agrarminister mit dem Projekt.

    Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner steht also möglicherweise vor einem Verhandlungsmarathon. Vor der Sendung habe ich sie gefragt, wie sie zum Vorhaben des Greening, zur Ökologisierung der Landwirtschaft steht.

    Ilse Aigner: Ja wir haben das von vornherein unterstützt, weil es in der Tat eine richtige Forderung ist, auch gerade aus der Bevölkerung. Das einzige, wo wir uns immer sozusagen nicht einig waren, war die Frage, sieben Prozent der Flächen stillzulegen. Da haben wir gesagt, das können wir uns nicht leisten. Das ist mittlerweile aber auch geklärt und wir sind auf einem sehr guten Weg, würde ich sagen.

    Kapern: In welcher Hinsicht ist das geklärt?

    Aigner: …, dass auf diesen Flächen auch angebaut werden kann, zum Beispiel Eiweißfutterpflanzen, aber zum Beispiel auch Agrarumweltmaßnahmen, die bei 50 Prozent der Betriebe in Deutschland angewendet werden, anerkannt werden, also eine schonendere Bewirtschaftung, und das ist mittlerweile geklärt.

    Kapern: Das heißt, das Projekt Greening wird jetzt von deutscher Seite rundum unterstützt werden?

    Aigner: Ja. Wir werden das unterstützen und ich gehe davon aus, dass es auch eine Mehrheit im Rat finden wird.

    Kapern: Ein weiteres Vorhaben der EU-Kommission besteht ja darin, die Subventionszahlungen an Großempfänger zu deckeln. Wie stehen Sie denn dazu'

    Aigner: Hier gibt es schon einen Beschluss der Regierungschefs, dass das freiwillig in den Ländern letztendlich umgesetzt wird, und das wird dann in deutscher Ebene sozusagen entschieden werden müssen. In Deutschland träfe das ungefähr 28 Betriebe, zumindest auf dem Papier. Ob sie es wirklich treffen würde, ist die nächste Frage, weil sie sich vielleicht einfach teilen würden. Aber wir müssen 3000 Betriebe dann überprüfen. Insofern haben wir einfach Vorbehalte, ob das nicht sehr große bürokratische letztendliche Aufwendungen sind für das, dass unterm Strich überhaupt nichts passiert.

    Kapern: Aber müssen Sie den Menschen im Lande nicht erklären, warum Großbetriebe unbedingt Subventionen benötigen?

    Aigner: Das ist zum Beispiel in den ostdeutschen Ländern so, dass es sehr große Betriebe gibt aus der Vergangenheit, auch Genossenschaftsbetriebe, wo viele Familien gemeinsam wirtschaften auf einer gemeinsamen Fläche, und die haben durchaus auch, wenn man das auf die Familie runterrechnet, nicht unbedingt mehr Flächen vorhanden.

    Kapern: Haben Sie denn auch Verständnis dafür, dass beispielsweise die Herzogin von Alba, Prinz Charles oder die Queen Subventionen kassieren?

    Aigner: Letztendlich solche großen Flächen haben wir in Deutschland ja gar nicht in dem Ausmaß, wie diese Herzogtümer, und es steht ja dann in der Einzelentscheidung der Länder, ob sie dieses anwenden oder nicht.

    Kapern: Glauben Sie, dass die EU-Agrarpolitik Unterstützung mit ihren Subventionen findet, wenn Sie tatsächlich Großbetriebe ausnehmen oder den Leuten versuchen zu erklären, dass sich der ganze Aufwand gar nicht lohnt nachzurechnen, ob die zu viel bekommen?

    Aigner: Also ich würde erst mal sagen: für was werden eigentlich Direktzahlungen gewährt? Und da habe ich eigentlich ein größeres Problem, dass alle anderen Mitgliedsländer in Europa, mit Ausnahme von Deutschland, noch nicht umgestellt haben auf eine einheitliche Flächenbewirtschaftung. Das heißt: ein Hektar Bewirtschaftung wird entgolten sozusagen mit einer bestimmten Menge Geld in den jeweiligen Regionen. Hier gibt es sehr unterschiedliche Voraussetzungen noch. In Nachbarländern gibt es noch den Faktor 100 unterschiedlich in den jeweiligen Regionen. Deshalb würde ich erst mal sagen, dass hier ein Unterschied ist. Es gibt Länder, die haben noch 4500 Euro auf einem Hektar, und im selben Landesteil 75 Euro auf einem Hektar. Bei uns gibt es einheitliche Flächenprämien.

    Kapern: Gehen Sie davon aus, dass sich diese Forderung in der gesamten EU umsetzen lassen wird?

    Aigner: Leider nicht. Die Kommission hat das vorgeschlagen, wir unterstützen sie da sehr, aber es sind sich alle anderen Länder außer Deutschland da sehr einig, dass sie eben noch auf die historischen Prämien Bezug nehmen wollen, nicht nur auf die sogenannten historischen Prämien. Also auf gut Deutsch: Wer früher viel und intensiv produziert hat, hat hohe Prämie, der, der extensiv produziert hat, hat niedrige Prämien bekommen. Das sind die historischen Prämien, die wollen alle Länder noch mehr oder weniger behalten. Und was sie vor allem behalten wollen ist eine sogenannte Koppelung an die Produktion. Das heißt schlicht und ergreifend Produktionsförderung. Auch das gibt es in Deutschland schon nicht mehr im Gegensatz zu allen anderen Ländern.

    Kapern: Diese Koppelung an die Produktion, die soll ja auf die eine oder andere Weise nach dem Willen verschiedener Länder noch verstärkt werden. Was genau sehen Sie da auf die EU-Agrarpolitik zukommen?

    Aigner: Das ist eine sehr rückwärts gewandte Politik. Das heißt letztendlich, dass der Bauer dann das anbaut, wofür es hohe Prämien gibt oder überhaupt Prämien gibt, und nicht das, was auf dem Markt nachgefragt wird. Und wir hatten schon die Zeiten von Butterbergen und Milchseen oder vollen Getreidelägern, was letztendlich dann irgendwann dazu führt, dass die wieder geleert werden müssen, und dann stellt sich wieder die Frage der Exporterstattungen, die ich nicht will und die übrigens auch die Bundesrepublik Deutschland nicht wollen. Und deshalb: was hier vorgeschlagenen wird von mehreren Ländern, übrigens auch vom Parlament, ist eine absolute Rolle rückwärts in das letzte Jahrtausend, würde ich fast sagen.

    Kapern: Was steckt dahinter?

    Aigner: Es steckt dahinter, dass die Philosophie ist, dass man einfach Produktion fördert und absichert über bestimmte Preise, wo es sich dann auch noch wieder lohnt, für diese Preise zu produzieren. Wir wollen ein absolutes Sicherheitsnetz letztendlich, wenn der Preis total ins Bodenlose abrutscht; das wollen wir natürlich nicht, weil dann der Markt total gestört ist. Wir brauchen auch Krisenmechanismen, wenn wirklich Lebensmittelkrisen zum Beispiel stattfinden und der Markt total zusammenbricht. Das sind aber absolute Ausnahmefälle. Es darf eben nicht sozusagen ein Anreiz bestehen, für die Interventionspreise zu arbeiten, sondern es muss am Markt abgesetzt werden.

    Kapern: Warum ist es so schwer, aus der Agrarpolitik, aus der Agrarwirtschaft in Europa eine am Markt orientierte Wirtschaftsbranche zu machen?

    Aigner: Ich halte es für falsch, und wie gesagt: Deutschland ist hier den Weg schon weit vorangeschritten. Es gibt einfach große sozusagen Vorurteile oder Ängste, insbesondere in den südeuropäischen Ländern, hier diesen Weg mitzugehen. Aber ich glaube, dass dieser Weg unumkehrbar sein müsste, weil letztendlich irgendwann stellt sich immer die Frage des Marktes, für den man produziert. Gegen den Markt kann man auf Dauer nicht arbeiten.

    Kapern: Frau Aigner, die EU gibt fast 40 Prozent ihres Budgets für die Agrarpolitik aus. Für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die gerade insbesondere im Süden der Union grassiert, stehen gerade einmal sechs Milliarden zur Verfügung. Was sagen Sie zu diesem krassen Missverhältnis?

    Aigner: …, dass das ein hinkender Vergleich ist, weil Sie müssten ja eigentlich alle nationalen Mittel, die in den jeweiligen Nationalstaaten für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingewendet werden, auch mit dazuzählen. Die Agrarpolitik wird zu 100 Prozent aus der Europäischen Union finanziert, und das ist immer ein hinkender Vergleich. Deswegen müsste man das addieren eigentlich.

    Kapern: Aber gleichwohl könnte man hingehen und diese Milliarden und Abermilliarden, die an europäische Bauern fließen, auch in Bildung, Forschung, Entwicklung stecken.

    Aigner: Es ist ja eine Umverteilung hier auch schon stattgefunden. Wir waren mal bei 75 Prozent übrigens des Anteils. Das ist jetzt in der Zielmarke unter 40 Prozent jetzt nach dieser Periode. Aber noch mal: Es gibt auf nationaler Ebene eben hier nicht diese Mittel, die sie richtigerweise, finde ich, in den Nationalstaaten einsetzen, gerade für Jugendarbeitslosigkeit, gerade für Bildung, gerade für Straßenbau. Für alle Möglichkeiten können sie national finanzieren, bei der Agrarpolitik geht das nicht.

    Kapern: Was denken Sie, wie lange die Menschen noch Verständnis dafür haben, dass so viel Geld aus den EU-Kassen in die Landwirtschaft fließt?

    Aigner: Man muss erst mal sagen, wie viel ist es. 30 Cent pro Tag. Das ist eigentlich die genaue Zahl, was man ausgibt, und das ist auch eine Gegenleistung …

    Kapern: Pro Verbraucher, oder was ist das für eine Zahl?

    Aigner: Pro Verbraucher, pro Bürger in Europa 30 Cent pro Tag, die für die Sicherstellung von Lebensmitteln oder von der Erzeugung von Lebensmitteln letztendlich aufgewendet wird, aber auch für die Bewirtschaftung letztendlich der Flächen. Wenn Sie mal wirkliche Brachflächen gesehen haben, wie die ausschauen, das ist auch nicht so schön. Die Kulturlandschaft, die wir bei uns sehr schätzen, ist durch Landwirte entstanden.

    Kapern: Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner – das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.