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Aigner fordert von Banken mehr Sorgfalt und Transparenz

Nach den Problemen mit EC- und Kreditkarten hat Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner von den Banken mehr Sorgfalt gefordert. Es sei das Mindeste, dass den Kunden keine zusätzlichen Kosten entstünden, sagte sie. Solche Pannen dürften nicht auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen werden.

Ilse Aigner im Gespräch mit Jule Reimer | 10.01.2010
    Reimer: Frau Ministerin Aigner, in der beginnenden Woche wird das Ergebnis einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks über die Beliebtheit der CSU erwartet. Wie viel Gottvertrauen braucht's, um nicht damit zu rechnen, dass die CSU unter die 40-Prozent-Grenze rutscht?

    Aigner: Also, Gottvertrauen braucht man immer, würde ich sagen. Und ansonsten glaube ich, dass wir Klausuren immer dazu nutzen, uns Gedanken zu machen über die nächste Zeit. Aber ich glaube, wir können auch mit Stolz insgesamt auf die Bilanz dieses Landes sehen, das auch damit zu tun hat, wer es regiert hat in den letzten Jahrzehnten. Und Bayern ist ein Land, das wirklich brillant da steht, ein "Erstklasse-Land". Und da kann man, glaube ich, auch ein Stück weit stolz darauf sein und sollte man auch.

    Reimer: Gibt es denn eine Verlustschwelle, ab der der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer über einen Rücktritt nachdenken sollte?

    Aigner: Also, wir haben einen hervorragenden Vorsitzenden. Er hat die Partei durch schwierige Zeiten jetzt auch geführt. Die Zeiten verändern sich auch insgesamt, und es ist nicht so, dass die CSU allein so zusagen in eine Schwierigkeit geraten ist. Wir stehen immer noch sehr stabil da. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir alle Direkt-Wahlkreise im Bundestag gewonnen haben, und von denen im Landtag haben wir praktisch nur einen verloren. Und sonst ist komplett die CSU verantwortlich auch hier in Bayern. Und das ist, glaube ich, eine sehr gute Bilanz.

    Reimer: Nach Wildbad Kreuth ist vor Wildbad Kreuth. In der ersten Januarwoche hat sich die Landesgruppe getroffen, also die Bundestagsabgeordneten der CSU. In der zweiten Januarwoche werden sich in Wildbad Kreuth die Landtagsabgeordneten treffen. Sie haben in der ersten Woche das Thema BayernLB und Hypo Alpe Adria ausgespart. Was kommt in dieser zweiten Woche? Inwieweit muss man die Verantwortlichen von damals, unter anderem den damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, in die Verantwortung für diese Milliardenverluste nehmen?

    Aigner: Als erstes hat der Bayerische Landtag jetzt einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Und das gehört, glaube ich, auch zum guten Stil, dass man erst mal die Untersuchungsergebnisse eines Ausschusses abwartet, bevor man Verantwortlichkeiten zuweist. Und da bin ich mir sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen der Landtagsfraktion das in hervorragender Art und Weise lösen werden.

    Reimer: Die CSU gibt sich immer sehr bürger- und bauern- und naturverbunden. Jetzt haben wir die Situation: Ihre Wirtschaftskompetenz wird in Frage gestellt. Die Bauern laufen Ihnen weg. Die CSU hat als einziges Bundesland das Umweltgesetzbuch im letzten Sommer scheitern lassen - gegen den Widerstand der CDU-geführten Länder, die das auch wollten. In der Raucherpolitik ist "Hü" und "Hott", in der Steuerpolitik gewinnt man diesen Eindruck ebenso. Warum fehlt eine klare Linie, liegt das an der mangelnden Führungskraft Ihres Vorsitzenden?

    Aigner: Also, er hat immer eine klare Linie letztendlich gefahren. Die Frage ist, ob es in der Öffentlichkeit immer so kommentiert wird, ist die zweite Frage…

    Reimer: …es kommt aber als Hü und Hott an…

    Aigner: Ja, aber wir haben eigentlich ganz klar im unserem Regierungsprogramm unsere Ziele aufgestellt. Und wenn man unter die Bilanz einen Strich zieht, was gerade im Koalitionsvertrag hier auch umgesetzt wurde, dann kann sich das sehr wohl sehen lassen. Wenn ich das nur an meinem Bereich festmachen kann: 750 Millionen Euro für die Landwirtschaft, die ausschließlich durch die CSU und auch ganz federführend durch den Parteivorsitzenden erkämpft wurden - da, glaube ich, wissen die Bauern sehr wohl, wer an ihrer Seite steht.

    Reimer: Bleiben wir bei Ihrem Bereich, Thema "Grüne Gentechnik". Auch da können wir keinen klaren Kurs erkennen. Horst Seehofer war als Bundeslandwirtschaftsminister auf einem vorsichtigen Pro-Grüne-Gentechnik-Kurs. Als Sie sein Amt dann übernahmen, als er nach München wechselte, haben Sie dann den Monsanto-Genmais MON 810 verboten. Aber im vergangenen November haben Sie dann wiederum in Brüssel für die Zulassung einer gentechnisch veränderten Maissorte gestimmt. Wo steht die CSU bei der Gentechnik?

    Aigner: Also, es werden immer verschiedene Belange letztendlich hier durcheinander geworfen. Grundsätzlich bin ich vorher und auch jetzt noch der Meinung, dass ein Land forschen muss in jedem Bereich. Forschung muss sein. Ich will mir nicht von anderen Ländern irgendwann erklären lassen, wo hier letztendlich die Reise hingehen kann. Und insbesondere, was die Sicherheitsforschung betrifft, glaube ich auch nicht, dass wir uns allein auf die Ergebnisse der Hersteller verlassen sollen, sondern das ist auch die Frage, die ein Land selbst erforschen muss…

    Reimer: …es ging aber nicht um die Forschung.

    Aigner: Ich wollte jetzt nur die einzelnen Themenbereiche der Reihe nach herunterdeklinieren. Die zweite Frage - die letzte Zulassung auf der europäischen Ebene: Da ist es um einen Futtermittel-Import, nicht um den Anbau gegangen. Das sind auch zwei Paar Stiefel. Um dieses auch etwas zu trennen, haben wir gerade die Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung eingeführt, wo man insbesondere die Futtermittelverwendung auch klarer erkennen kann als Verbraucher. Also auch hier ein anderer Bereich. Und der letzte Bereich war die Frage des Anbaus des einzig zugelassenen Konstruktes, nämlich den Mon 810, den ich im Sinne der Umwelt beziehungsweise der Gefahren verboten habe - eine Einzelfallentscheidung. So wird es immer Einzelfallentscheidungen geben.

    Reimer: Werden Sie denn das Verbot aufrecht erhalten?

    Aigner: Jetzt momentan läuft das Gerichtsverfahren, und so ist es auch übrigens im Koalitionsvertrag bestätigt, und vollkommen zu recht, dass erst mal das Gerichtsverfahren abgewartet wird. Und dann wird erneut entschieden. Wir haben aber auch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Länder, also die Bundesländer, eine größere Möglichkeit haben, auch die Frage der Abstandsregelung selbst zu regeln.

    Reimer: Im schwarz-blau-gelben Koalitionsvertrag, Frau Aigner, haben Sie außerdem mit der CDU und der FDP vereinbart, dass die Zulassung der Gentec-Kartoffel Amflora für den kommerziellen Anbau unterstützt werden soll. Warum?

    Aigner: Die Amflora ist wieder ein anderes Konstrukt wie ein Mais. Hier geht es um eine reine Stärkekartoffel…

    Reimer: …die aber eine Antibiotikaresistenz eingebaut hat, was viele bedenklich finden, weil sich das als Resistenz in der Umwelt verbreiten könnte.

    Aigner: Ja, aber die Frage ist, ob es in den Futtermittelkreislauf kommt. Und hier habe ich die Zusicherung der Firma, falls das Futtermittel die Zulassung auf europäischer Ebene überhaupt bekommen wird, dass es in Deutschland definitiv weder als Futtermittel noch als Lebensmittel irgendwo eingesetzt wird.

    Reimer: Das Frauenhofer-Institut hat eine Kartoffel entwickelt, die ebenso einen sehr hohen Stärkeanteil hat, die ohne Gentechnik erfunden wurde. Warum können wir nicht bei dieser Technik bleiben, die dann für alle klarer ist. Die Verbraucher sind ja auch im Augenblick überhaupt nicht für Grüne Gentechnik zu haben?

    Aigner: Das war ja auch immer mein Petitum, die Forschung und die Züchtungsforschung nicht nur auf die Gentechnik zu konzentrieren. Es gibt ja auch Alternativmethoden, die wir auch unterstützen und weiter erforschen müssen und auch weiter erforschen werden. Insgesamt meine ich, dass das Konstrukt, um auf den MON 810 zurückzukommen, etwas anderes ist als wie wir zum Beispiel Trockenresistenzen in der Zukunft erforschen werden. Da, glaube ich, ist eher ein Nutzen zu erkennen als wie bei den jetzt verfügbaren.

    Reimer: Kritiker sagen, dass Sie mit der Genehmigung des großflächigen Versuchsanbaus von Amflora BASF die Gelegenheit geben, vermarktungsfähiges Saatgut zu produzieren.

    Aigner: Also, großflächig ist natürlich alles relativ. Ich habe das übernommen, da haben die schon einen 150 Hektar genehmigten Versuch gehabt. Ich hab's runter gehandelt auf 20 Hektar, ringsherum eingezäunt, 24 Stunden bewacht und mit einer Durchgangskontrolle über mehrere Jahre. Also, da sind alle Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden. Und 20 Hektar ist ein Feld von 400 x 500 Meter. Also, ob man da jetzt von großflächig reden kann, weiß ich nicht.

    Reimer: Christel Happach-Kasan, die Gentechnik-Expertin der FDP, hatte angekündigt, dass die Koalition eine Positiv-Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel einführen will. Heißt das, dass wir dann demnächst beim Metzger stehen und vor dem Stück Fleisch steht geschrieben: Dieses Fleisch stammt von einem Tier, das mit gentechnisch veränderter Soja gefüttert wurde?

    Aigner: Das steht so im Koalitionsvertrag drin, das muss auf europäischer Ebene - wenn dann - gelöst werden - weil es Lebensmittelkennzeichnungsrecht ist -, was bisher nicht gelungen ist.

    Reimer: Ist das sinnvoll?

    Aigner: Nun, man kann natürlich so was machen. Ich würde das sofort auch umsetzen, weil der Verbraucher auch frei entscheiden soll. Nachdem wir dieses aber auf europäischer Ebene bisher nicht erreicht haben, haben wir uns eben im Gegensatz dazu für die Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung entschieden, wo ganz klar geregelt ist, dass die Tiere in bestimmtem Zeitraum vorher nicht mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert werden dürfen…

    Reimer: …welcher Zeitraum ist das?

    Aigner: Das ist unterschiedlich, je nach Tier. Also sechs Wochen zum Beispiel bei Kühen. Das ist aber ganz klar im Internet auch abrufbar, man kann das ganz genau nachvollziehen, um hier überhaupt eine Wahlmöglichkeit zu ermöglichen beziehungsweise überhaupt einen Markt zu erzeugen für ohne gentechnisch veränderte Futtermittel.

    Reimer: In der Europäischen Union wird ja darüber nachgedacht, jedem einzelnen Land die Entscheidung zu überlassen, ob denn gentechnisch verändertes Saatgut eingesetzt wird. Was will die Bundesregierung?

    Aigner: Das werden wir in der Abstimmung haben. Meine Meinung ist da ganz klar dazu. Ich meine, dass diese Möglichkeit eine klarere Entscheidung zwischen Import und Anbau eröffnen könnte. Ich würde das unterstützen, ich in Person. Aber es ist noch keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung.

    Reimer: Und das würde ja wahrscheinlich den zahlreichen gentechnikfreien Zonen in Bayern auch das Leben erleichtern, oder?

    Aigner: Also, prinzipiell muss man sagen: Auch jetzt können ja die Regionen sich selbst dazu deklarieren - auf freiwilliger Basis. Es wird auch sehr eifrig genutzt…

    Reimer: …in Bayern…

    Aigner: …in Bayern, nicht nur in Bayern, auch in anderen Regionen. Und es hängt ja immer an den Grundstückseigentümern, es wird ja keiner gezwungen, hier auch anzubauen.

    Reimer: Frau Ministerin Aigner, bei der Landesgruppentagung in Wildbad Kreuth in der ersten Januarwoche sprach der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von einem Neustart der Debatte um die Steuerpolitik. Ein Neustart, ein Aufbruch: Wie sieht der aus in der Koalition?

    Aigner: Es wird hier viel diskutiert über die ersten Tage dieser Koalition. Ich sage immer: Jeder Minister hat eigentlich die ersten 100 Tage, um sich mal in ein neues Gebiet auch zu finden. Es ist eine neue Regierung, ich finde, man kann auch hundert Tage mal zugestehen, und dass man sich in dieser Zeit auch dann mal trifft, um so zusagen das eine oder andere auch mal abzuklären zwischen dem Parteivorsitzenden, ist ein normaler Vorgang und muss auch meines Erachtens zwingend sein.

    Reimer: Nun ja, die hundert Tage sind ja bald herum…

    Aigner: …ja, jetzt haben wir 71 oder 72, wir haben schon noch ein bisschen.

    Reimer: Klar ist jedoch, es muss gespart werden. Haben Sie die Sorge, die FDP könnte im Agrarbereich die Sparaxt anlegen? Es gibt ja durchaus umstrittene Steuervergünstigungen für die Landwirte im Energiebereich - bei der Stromsteuer als auch beim Agrardiesel.

    Aigner: Also, die FDP wollte eigentlich immer eine weitere Erleichterung beim Agrardiesel. Wollen würden wir das auch - eine europäische Angleichung. Die Frage ist, ob man das Geld hat. Insofern glaube ich, gibt es hier keine Differenzen mit der FDP. Und insgesamt: Die Haushaltspolitik ist natürlich klar, wir brauchen eigentlich vier Ziele, die wir vereinheitlichen müssen. Wir müssen auf der einen Seite den Haushalt konsolidieren, wir brauchen Ausgaben für Bildung letztendlich, wir müssen die Sozialversicherungssysteme auch unterstützen, und nicht zuletzt brauchen wir auch die Frage der Steuerreform. Alles muss Hand in Hand gehen. Das ist wie ein Stuhl: Wenn Sie da ein Bein zu stark absägen, wird's etwas schwierig.

    Reimer: Die Europäische Union gibt bis heute gut die Hälfte ihres Budgets, und zwar 60 Milliarden Euro, für den Agrarbereich innerhalb der gesamten Europäischen Union aus. 2008 sind 5,5 Milliarden Euro als Direktbeihilfen - also es gab noch weitere Hilfen für den ländlichen Raum - an die deutsche Landwirtschaftsbranche geflossen. Warum sind trotz des vielen Geldes so viele Milchbauern in Not? Da stimmt doch was nicht.

    Aigner: Also, erst einmal glaube ich, muss man schon darauf hinweisen, dass der Agrarbereich der am meisten vergemeinschaftete Bereich ist, im Gegensatz zu allen anderen Bereichen auch ein verschwindender Teil national oder bei den Ländern finanziert wird. Insofern hinkt dieser Vergleich - immer mit der Europäischen Union und wie viel für die Agrarpolitik ausgegeben wird - sehr stark, weil es eben vergemeinschaftet ist. Sie müssen andere Bereiche sehen, jetzt im Verkehrsbereich oder im Forschungsbereich, da sind natürlich die Nationalstaaten, die sehr, sehr viel Geld richtigerweise in diese Bereiche geben.

    Reimer: Gut, aber Ihr Etat beträgt fünf Milliarden ungefähr, die Europäische Union noch mal fünf Milliarden - zehn Milliarden ist ein ganz ordentlicher Batzen.

    Aigner: Natürlich, ein ganz ordentlicher Batzen. Hier wird aber nicht nur im Milchbereich unterstützt, sondern wir sind insgesamt in einer Umstellungsphase von der historischen Agrarpolitik mit historischen Prämien jetzt auf eine einheitliche Flächenprämie, die dann für Bundesländer genau festgelegt wird. In diesem Umstellungsprozess sind wir. Was ist das Ziel eigentlich des Ganzen? Wir wollen, dass die Landwirtschaft eine flächendeckende Landbewirtschaftung auch gewährleistet unter höheren Standards, die europäisch festgelegt werden unter dem Stichwort Cross Compliance, um diese Nachteile, die wir ihnen aufbürden gegenüber nichteuropäischen Staaten, auch ein Stück weit auszugleichen - Umweltstandards, Naturschutzstandards, Düngung, und was alles damit einhergeht. Und dieses ist die Frage, ob der Verbraucher prinzipiell bereit ist, das an der Ladentheke dann mit zu bezahlen oder nicht dann doch auf das billigere Produkt ausweicht aus nichteuropäischen Staaten. Und wir meinen, wir wollen eine Landwirtschaft, die hoch qualitativ diese Umweltstandards auch erfüllt.

    Reimer: Aber vielleicht subventionieren Sie die Falschen?

    Aigner: Es wird ja sowieso jetzt momentan umgestellt.

    Reimer: Sie haben die Falschen in der Vergangenheit subventioniert, die Großen?

    Aigner: Ich würde jetzt mal sagen, es ist eine historische Gegebenheit gewesen und es ist ja auch richtig, dass jetzt auch umgestellt wird. Es wird ein harter Umstellungsprozess und es trifft viele Betriebe direkt auch am Geldbeutel. Und insofern muss man eine solche Umstellung auch mit einem bestimmten Zeitraum versehen, keine Brüche, sondern auch einen Wandel auch vollziehen.

    Reimer: Wenn man jetzt mal die Subventionen, die bisher gezahlt werden, pro Bundesland auf die Arbeitskräfte umrechnet, dann erhält in Bayern mit seinen kleinen arbeitsteiligen Betrieben die Arbeitskraft um die 10.000 Euro, in Mecklenburg-Vorpommern sind es um die 25.000 Euro - große Höfe, sehr intensiviert. Warum binden Sie die Subvention nicht an die Arbeitskraft? Es ist ja auch nicht so, dass die Jobs in den ländlichen Räumen so üppig vorhanden wären.

    Aigner: Ja, die Frage ist natürlich auch, wie effektiv dann auf den Höfen gearbeitet wird. Sie müssen ja auch fragen: Was ist unser Ziel? Unser Ziel ist, dass die Landbewirtschaftung unter guten Standards letztendlich vollzogen wird. Und deshalb wollen wir auch, dass der Hektar entgolten wird mit einheitlichen Prämien. Natürlich gibt es Effektivitätsgewinne bei größeren Flächen. Deshalb wurde ja auch schon eine Kappung dieser Zahlungen mittlerweile eingeführt in der Health-Check-Verhandlung im letzten Jahr.

    Reimer: Die Landwirte verlangen faire Preise für ihre Produkte. Jetzt kann man natürlich fragen, was ein fairer Preis ist. Aber Tatsache ist, dass fünf große Handelskonzerne auf dem Markt das Sagen haben und der Präsident des deutschen Bauernverbandes Gerd Sonnleitner beklagt, dass diese die Zulieferer gegeneinander ausspielen. Müssten Sie nicht so langsam mal über Eingriffe über das Kartellrecht vielleicht nachdenken?

    Aigner: Das haben wir immer wieder angesprochen…

    Reimer: Warum geht es nicht?

    Aigner: Das Kartellamt hat keine Verstöße vom Kartellrecht feststellen können, also sprich Preisabsprachen, sondern es ist einfach ein Ungleichgewicht, das schlicht und ergreifend da ist. Ich glaube, die Lösung dürfte schon sehr auch im mittleren Bereich liegen, nämlich bei den verarbeitenden Betrieben. Wir haben hier ungefähr 120 Molkereien und verarbeitende Betriebe, die dem gegenüber stehen. Sie können sich auch zusammenschließen, wie die zwei größten gezeigt haben, Nordmilch und Humana. Es steht dem auch kartellrechtlich nichts dagegen. Aber die grundsätzliche Frage ist auch, mit welchen Produkten konkurrieren sie. Es gibt sehr gute und schlagkräftigere, auch kleinere Molkereien, auch Privatmolkereien, aber auch Genossenschaftsmolkereien, die mit einer nicht austauschbaren Produktpalette ihre Preise auch ein Stück weit besser absichern als mit Massenprodukten. Deshalb kann ich nur appellieren, sich darüber Gedanken zu machen. Um das mal auch an Zahlen deutlich zu machen: In Deutschland wird mit einem Liter Milch ungefähr 85 Cent erwirtschaftet, in Frankreich ein Euro und in Italien ungefähr 1,50 Euro. Das heißt, die Wertschöpfungskette im Land und damit auch sozusagen die Effektivität wird hier deutlich gesteigert. Das sollte einem auch zu denken geben. Da sind noch Hausaufgaben da. Und ich glaube, da sind sowohl die Molkereien, aber auch die Besitzer von 60 Prozent der Molkereien, nämlich die Bauern selbst, ein Stück weit gefordert, die Genossenschaften auch besser aufzustellen. Ich meine, sie sollten mehr miteinander als gegeneinander arbeiten.

    Reimer: Frau Ministerin Aigner, die EU-Kommission hat Fehlentwicklung im Bereich der Landwirtschaft und der Wirkung auf die Umwelt festgestellt. Ich zitiere: "Der Erhaltungszustand aller Lebensraumtypen, die mit der Landwirtschaft in Zusammenhang stehen, ist deutlich schlechter als der anderer Lebensraumtypen". Übersetzt heißt das, die konventionelle Landwirtschaft hat vielen Pflanzen und Tieren den Garaus gemacht. In der Stadt ist die Artenvielfalt mittlerweile höher als auf dem Land. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung hat vorgeschlagen, dass Landwirte in Zukunft nur noch Subventionen kriegen, wenn sie ökologisch wirtschaften. Ist das ein gangbarer Weg?

    Aigner: Also, auch hier würde ich nicht das eine gegen das andere ausspielen. Wir haben für konventionelle als auch für ökologische Landwirtschaft sehr hohe Standards auf der europäischen Ebene auch vorgeschlagen, gerade was zum Beispiel Düngung betrifft. Die müssen auch eingehalten werden ... .

    Reimer: ...werden sie aber offenbar ja nicht ...

    Aigner: ...wenn sie nicht eingehalten werden - das wird ja auch kontrolliert -, dann werden sogar die Direktzahlungen gekürzt. Und das ist eigentlich das Druckmittel letztendlich über die Europäische Union. Aber insgesamt meine ich, sollten wir uns mal überlegen: Wir brauchen ja zwei unterschiedliche Zielrichtungen. Wir wollen nachhaltig wirtschaften und wir wollen aber auch genügend Lebensmittel produzieren, nicht nur für uns, sondern insgesamt für die Welternährung. Wir werden natürlich nicht aus Deutschland die ganze Welt ernähren können, das ist mir schon klar, aber wir sollten möglichst viele Flächen auch in der Produktion halten, um die Intensivierung nicht zu weit voran zu treiben.

    Reimer: Aber es ist doch auch gar nicht sinnvoll, dass wir so viel exportieren. Es ist doch viel wichtiger, dass die Entwicklungsländer ihre eigene Ernährungssicherheit erwirtschaften. Muss Deutschland unbedingt der drittgrößte Agrarexporteur der Welt sein?

    Aigner: Wir brauchen meines Erachtens beides, auf der einen Seite die ländliche Entwicklung in den Entwicklungsländern. Sie müssen auch Hilfe zur Selbsthilfe haben in den ländlichen Regionen. Das hat sehr viel auch mit den Strukturen vor Ort zu tun, ob sie stabile Verhältnisse haben, ob sie Zugang zu Land und zu Wasser haben, ob sie überhaupt Zugang zu Saatgut haben und ob sie überhaupt die Mittel dazu haben und deshalb wollen wir auch gerade in der Entwicklungspolitik hier auch ein Stück umsteuern. Da bin ich mir mit meinem Kollegen Niebel auch einig.

    Reimer: Das heißt, die Agrarexportsubventionen werden direkt und sofort abgeschafft?

    Aigner: Die sind sowieso schon deutlich zurück gefahren worden, die sind nur in einer Krisensituation...

    Reimer: ...mit der Milch üppig erhöht worden...

    Aigner: …kurzfristig - kurzfristig - noch mal eingeführt worden, um die Krisensituation ein Stück weit abzufedern. Aber man muss immer darauf hinweisen, es werden hier nicht unter Weltmarktpreis, sondern deutlich darüber die Preise festgelegt. Und dieses ist auch jetzt schon eingestellt seit November.

    Reimer: Auf der Grünen Woche, die kommende Woche beginnt, wird Klimaschutz ein wichtiges Thema sein, auch die Rolle der Landwirtschaft. Wir verlangen unseren Feldern immer mehr ab. Sie sollen nicht nur Nahrungsmittel liefern, sie sollen auch noch Kraftstoffe vom Feld liefern, also Agrartreibstoffe. Gleichzeitig brauchen wir aber immer mehr Flächen für Futtermittel wegen des steigenden Fleischkonsums. Müssen wir uns irgendwann mal zwischen dem Auto und dem Steak entscheiden?

    Aigner: Nein, ich meine, auch hier haben wir Zielkonflikte. Das, glaube ich, soll man auch nicht leugnen und da braucht man auch nicht drum herum zu reden, sondern die Frage wird sich mir stellen - und deshalb auch diese Konferenz -, wie kann ich die Produktion so klimafreundlich wie möglich gestalten. Das hat auch etwas mit Forschung zu tun. Wir haben auch ein eigenes Institut, das sich mit Klima- und Landwirtschaft beschäftigt. Das ist auch einem Betrieb zu sehen. Ich sage da mal ein ganz plattes Beispiel: Allein der Reifendruck zum Beispiel in den Traktorreifen kann zu einer deutlichen Einsparung führen, oder die Frage, wie weit kann ich Reststoffe zum Beispiel vom Feld verwerten für die Biogasgewinnung? Wie kann ich mit der Gülle umgehen für die Biogasgewinnung - das in einem Kreislauf zu sehen und das an Beispielbetrieben auch zu zeigen, wie man positiv für das Klima auch mit der Landwirtschaft drei Ziele miteinander verbinden kann, die Nahrungsmittelproduktion, Erneuerbare Energien und auch die Klimarelevanz.

    Reimer: Bisher gilt die konventionelle Landwirtschaft in Sachen Klimaschutz eher als rückständig, als nicht besonders effizient. Wälder und Wiesen binden CO2, Kühe produzieren beim Verdauen Methan, das ist ein um ein Vielfaches klimaschädlicheres Treibhausgas als CO2, konventionelle Landwirtschaft braucht Dünger, Pestizide, das wird mit viel Energie hergestellt. Warum dann nicht mehr ökologische Landwirtschaft? Da hätten wir eine Win-Win-Situation für die Biodiversität, für den Klimaschutz.

    Aigner: Wir tun ja beides. Wir unterstützen auch die ökologische Landwirtschaft. Wir haben hier erneut 16 Millionen eingestellt im Haushalt allein in der Forschung, mehr als die Hälfte. Und darüber hinaus: In allen Bereichen, die mit der Produktion zu tun haben, wird auch der ökologische Aspekt immer mit einbezogen. Aber vielleicht auch noch mal die Frage "Klimagase": Erstens haben wir natürlich ein Grünlandumbruchverbot, um zu verhindern, dass zu viel Grünlandflächen aus der Produktion genommen werden beziehungsweise umgebrochen werden. Das gibt es, wenn mehr als fünf Prozent umgebrochen werden...

    Reimer: ...die Naturschützer beklagen, dass das nicht ausreicht...

    Aigner: ...wir sind dran, deshalb haben wir übrigens auch dieses Grünland-Milch-Programm aufgelegt, um die Grünlandbewirtschaftung auch mit der Milchwirtschaft zu sichern. Das zweite ist: Wir haben eine gut aufgestellt Forstwirtschaft, wie Sie richtig sagen, die auch CO2 bindet. Und drittens versuchen wir gerade bei der Milchproduktion oder insgesamt bei der Ackerproduktion auch Verbesserungen zu bringen. Vielleicht mal ein paar Zahlen: Wir haben seit 1990 allein fünf Millionen Tonnen Methan bei der Rinderproduktion insgesamt eingespart und bei der Lachgasproduktion vier Millionen Tonnen. Das ist ein Volumen, das mehr ist, als die ganze Fotovoltaikbranche bisher eingespart hat.

    Reimer: Frau Ministerin Aigner, Sie sind ja auch Verbraucherministerin.

    Aigner: Sehr wohl.

    Reimer: Die Banken und Sparkassen haben jetzt in diesem Skandal um die EC- und Kreditkarten zugesagt, dass die zusätzlich entstandenen Gebühren für die Beschaffung von anderen Zahlungsmitteln dem Kunden ersetzt werden. Aber insgesamt gibt es ja keinen Rechtsanspruch auf Schadensersatz für vielleicht andere Schäden, die entstanden sind. Darf man die Kreditinstitute so leicht davonkommen lassen?

    Aigner: Ich finde, dass es sehr bitter war, dass 30 Millionen Kreditkarten in diesem Jahr nicht funktionsfähig waren bei einem Zahlungsmittel, das eigentlich mittlerweile Gang und Gäbe ist. Es ist wirklich das Mindeste, dass keine zusätzlichen Kosten - wenn ich zum Beispiel Bargeld abhebe, mir über eine andere Form Geld beschaffen muss - entstehen. Ich finde, gerade die Banken müssen hier mehr Sorgfalt an den Tag legen. Es kann nicht auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen werden.

    Reimer: Die Stiftung Warentest hat jüngst festgestellt, dass die Bankberatung weiterhin schlecht ist. Zertifikate und Derivate, das sind die Produkte, die auch wesentlich die Finanzkrise mit ausgelöst haben, verkaufen sich aber wieder sehr gut. Warum verbieten Sie diese Produkte nicht einfach?

    Aigner: Also mir geht es in erster Linie um Transparenz. Deshalb will ich ja gerade ein Produktinformationsblatt - wenn es nicht freiwillig geht - jetzt auch gesetzlich einführen, in dem ein normaler Verbraucher auf den ersten Blick erkennen kann, dass es eben kein sicheres Produkt ist, sondern dass es auch zu einem Totalverlust kommen kann. Bisher wurde dies sehr zögerlich angenommen. Die Banken haben angekündigt - der Bankenverband und der Derivatverband - dieses jetzt umzusetzen. Ich werde mir das jetzt noch eine gewisse Zeit anschauen, aber meine Geduld ist hier endlich, um es ganz deutlich zu sagen. Das zweite ist, dass wir jetzt schon zum 1. Januar ein Beratungsprotokoll verpflichtend eingeführt haben, das auch dem Verbraucher übermittelt werden muss. Und die nächste Frage wird sein, welche Qualifikation verlangen wir als Mindestqualifikation auch von unabhängigen Beratern zum Beispiel.

    Reimer: Das heißt, Aigner bellt nicht nur, sondern wird auch beißen, wenn sich die Bankberatung nicht ändert?

    Aigner: Ich kann sehr wohl beißen, das ist keine Frage.

    Reimer: In welcher Form?

    Aigner: Wie gesagt, mir geht es um das Produktinformationsblatt, um eine klare und transparente Information auch zu bekommen. Und kurz gesagt: Wenn jemand in zwei Seiten nicht erklären kann, was die Kennzahl eines Produktes ist, ist es für den Durchschnittsverbraucher wahrscheinlich eh' schon zu kompliziert.

    Reimer: Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.

    Aigner: Ich danke auch. Schönen Tag.