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Aigner und Rösler wollen die EU verklagen

Die Spielzeugrichtlinie der Europäischen Union stand schon häufiger in der Kritik. So wurden Grenzwerte für Blei angeprangert. Seit 2011 hat die EU reagiert und Grenzwerte verschärft. Dennoch kommt die Bundesregierung zu dem Schluss, dass die Vorgaben aus Brüssel die strengeren deutschen Grenzwerte gefährden könnten und sie will dagegen klagen.

Von Dieter Nürnberger | 11.05.2012
    Der Grund ist, dass die Bundesregierung nach Verhandlungen mit den zuständigen Gremien innerhalb der Europäischen Union zu der Auffassung gekommen ist, dass die EU-Spielzeug-Richtlinie in einigen wesentlichen Punkten eben doch eine Verschlechterung zur bisherigen Praxis in Deutschland darstellt.

    Allerdings ist der Zeitpunkt der Klage etwas überraschend, denn eigentlich tobt diese Auseinandersetzung schon länger – und Teile dieser EU-Spielzeug-Richtlinie sind auch schon längst in Kraft getreten. Etwa die Vorschriften, die vor allem mechanische und elektrische Aspekte beim Spielzeug betreffen. Der chemische Teil der Richtlinie aber noch nicht. Und deshalb werde die Bundesregierung nun klagen, sagt Philip Rösler, der Bundeswirtschaftsminister:

    "In Deutschland gelten sehr hohe Schutzstandards für unsere Kinder. Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass wir uns diese Schutzstandards nicht von der Europäischen Kommission nehmen lassen. Und deswegen haben wir uns entscheiden, gegen diese Vorgaben gemeinsam zu klagen. Das Wirtschaftsministerium wird auf Bitten des Verbraucherschutzministeriums eine solche Klage vorbereiten und auch einreichen."

    Die Einreichung der Klage soll in der kommenden Woche erfolgen.

    Wir haben es im Statement von Bundeswirtschaftsminister Rösler gehört, diese Klage gegen die Richtlinie erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen dem Wirtschafts- und auch dem Verbraucherschutzministerium. Amtskollegin Ilse Aigner sprach heute Vormittag in Berlin davon, dass es in der Richtlinie darum gehen müsse, dass Kinder sowenig Schadstoffe wie möglich aufnehmen. Es gehe somit um ein Minimierungsgebot, und bei drei Schadstoffen, die schon sehr lange in der kritischen Diskussion, nämlich Blei, Quecksilber und Arsen, sieht die Verbraucherschutzministerin dies nicht gewährleistet. Ilse Aigner.

    "Es geht speziell um drei Grenzwerte. Wir haben generell bei den Grenzwerten angemahnt, da konnten wir uns einigen. Aber bei Blei, Arsen und Quecksilber haben wir mit der Kommission keine Einigung erzielt. Unsere Betrachtungsweise orientiert sich an den Vorgaben des anerkannten Bundesinstituts für Risikobewertung. Hier wurde festgestellt, dass eine Umstellung der Berechnung zu einer quasi Verschlechterung des deutschen Standards führen würde. Das wollen wir aber ganz dezidiert nicht."

    Hintergrund ist hier, dass die Brüsseler Behörden den Antrag der Bundesregierung, die hiesigen Grenzwerte beizubehalten, abgelehnt hatte.

    Es gibt inzwischen auch erste Reaktionen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland hatte in den vergangenen Jahren stets die Aufweichung der Kriterien innerhalb der Richtlinie kritisiert. Die heute angekündigte Klage wird deshalb von Heribert Wefers, Experte für Chemikalienpolitik, begrüßt.

    Wefers macht auf die Gefahren aufmerksam, die nach Meinung vieler Experten durch die Verarbeitung von Schwermetallen drohen.

    "Es ist so, dass sich beispielsweise bislang 90 Milligramm Blei aus einem Kilogramm Spielzeug sozusagen lösen durfte. Dieser Wert ist in der Richtlinie auf 160 Milligramm pro Kilogramm erhöht worden. Die Untersuchung erfolgt allerdings mit einem etwas abgeänderten Verfahren. Blei ist ein giftiges Schwermetall und die Gesamtbelastung mit Blei ist ohnehin relativ hoch. Kinder sind gegenüber diesem Stoff besonders empfindlich. Insofern haben wir hier für Änderungen kein Verständnis."

    Der BUND als großer deutscher Umweltverband begrüßt somit die angekündigte Klage der Bundesregierung.

    Der chemische Teil der Spielzeug-Richtlinie soll erst im Juli 2013 in Kraft treten. Bis dahin wäre also noch etwas Zeit. Wann über die Klage entschieden wird, steht allerdings noch nicht fest.