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Air zurück auf dem Mond

Mit "Moon Safari" schaffte Air vor 14 Jahren den internationalen Durchbruch. Das Album verkaufte sich weltweit 900.000 Mal. Nach Ausflügen unter anderem ins Ballett und in die Dichtkunst kehren Nicolas Godin und Jean-Benoit Dunckel mit "Le Voyage Dans La Lune" auf den Mond zurück.

Von Cornelius Wüllenkemper | 09.02.2012
    "Ich glaube, der gemeinsame Punkt war wirklich die Reise zum Mond. Unser erstes Album hieß Moon Safari. Und wir haben damit von uns ein Bild als Astronauten geschaffen. Wir lieben Raumschiffe und Planeten. Da hat uns dieses Projekt natürlich gleich fasziniert."

    Sagt Jean-Benoit Dunckel über das neue Air-Album "Le Voyage Dans La Lune". Der 41-Jährige wirkt dabei etwas wie ein kleines Kind, das von seinem neuen Spielzeug erzählt. Die beiden eleganten Popmusiker aus dem Pariser Nobelvorort Versailles, die sich mit ihrem sphärischen Elektro-Pop in der Welt einen Namen gemacht haben, haben Georges Méliès 14-minütigen Stummfilmklassiker aus dem Jahre 1902 zu einem neuen musikalischen Anstrich verholfen. 1993 entdeckte man in Spanien die einzige bekannte noch existierende handkolorierte Kopie des für seine Zeit bahnbrechenden Films. Die wurde bis 2010 in aufwendiger Detailarbeit restauriert, und von den beiden mondsüchtigen AIR-Musikern in ein zeitgemäßes musikalisches Universum geholt.

    "'Le Voyage Dans La Lune' ist ein Konzeptalbum, bei dem jede Sequenz ein eigenes musikalisches Thema hat, wie auf einem normalen Pop-Album. Georges Méliès ist für mich ein Vorläufer der Popkultur. Unserer Musik war außerdem schon immer sehr visuell, direkt vom Klang zum Bild. Das ist seit Beginn unserer Karriere so. Egal, welches Instrument wir in die Hand nehmen: Es klingt immer nach Filmmusik."

    Der Film feierte im letzten Jahr beim Festival in Cannes mit dem neuen Soundtrack eine -natürlich - umjubelte Premiere. Air beschlossen kurzerhand, aus dem Projekt ein ganzes Album zu machen. "‘Le Voyage Dans La Lune‘ ist definitiv organischer als der Großteil unserer vergangenen Projekte. Es sollte handgemacht klingen, ein bisschen wie die Specialeffects von Méliès", erklärt Nicolas Godin. Alles auf diesem Album wurde live gespielt. Was eigentlich schon immer den Klang des Duos ausgemacht hat: Eine Mischung aus Vintage-Synthesizern und Gitarren, ein glasklarer Sound, sirenenhafte Chöre, ziemlich raffinierte Arrangements und das alles auf die Millisekunde genau eingespielt.

    "Wir wollten den Stil der damaligen Stummfilmmusik beibehalten, diesen Kneipen-Piano-Sound. Die Bilder zeigen zwar das Kino von 1902, aber die Emotionen Mit unserer Musik, die an Stelle der Dialoge steht, führen wir den Zuschauer durch den Film. "

    Bereits vor zwölf Jahren hatten Nicolas Godin und Jean-Benoit Dunckel für Sofia Coppolas "The Virgin Suicide" einen Soundtrack komponiert, der später als Album sogar ihre Kritiker überzeugte. So war es immer: die einen bewundern die schiere Intelligenz von AIRs Arrangements, die anderen sprechen von viel gefälligem Lärm um Nichts.

    "Unser Album Moon Safari war ziemlich erfolgreich und wurde zuerst als Marketing-Aktion der Plattenfirma angesehen. Erst durch Virgin Suicide haben die Leute gemerkt, dass wir echte Künstler mit einer Seele sind, und nicht nur ein Strohfeuer à la mode."

    Godin und Dunckel acht neue Songs, bei denen auch die Stimmen der Kolleginnen von "Au Revoir Simone" und "Beach House" zu hören sind. So psychedelisch und experimentell, mit so viel scheinbar weich gespülter Harmonie, die stets kurz vor dem Desaster eine überraschende Wendung findet, hat man AIR noch nicht gehört. Wer möchte, kann sich eine der limitierten DVDs mit Georges Méliès legendären Stummfilm sichern. Für eine Reise zum Mond reicht der Soundtrack von Air aber allemal.