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Airbus-Betriebsrat erwartet keine kurzfristigen Entlassungen

Airbus-Aufsichtsratsmitglied Udo Nobel hat die dezentrale Produktion bei dem europäischen Flugzeughersteller verteidigt. Die Beteiligung vieler Werke sei bislang ein Erfolgsmodell gewesen, sagte der Arbeitnehmervertreter. Er führte die aktuellen Probleme bei Airbus auf Schwierigkeiten beim Anlaufen der Produktion nach der Entwicklung neuer Flugzeuge zurück.

Moderation: Doris Simon | 03.11.2006
    Doris Simon: Der Großraumflieger A380 war das Zukunftsprojekt von Airbus, mit dem Konkurrent Boeing endgültig überflügelt werden sollte. Jetzt hat die Verzögerung bei der Auslieferung des A380 viele Probleme bei Airbus und seinem Mutterkonzern EADS zu Tage gefördert. Reibungsverluste, Schwierigkeiten innerhalb der deutsch-französischen Führung und der Streit um ein Gleichgewicht der deutschen und französischen Anteilseigner. Derzeit bemüht sich die deutsche Politik, ein EADS-Aktienpaket, das DaimlerChrysler verkaufen will, in Deutschland zu halten. Heute will Bundeskanzlerin Merkel bei einem Gespräch in Berlin von den beiden EADS-Chefs Louis Gallois und Thomas Enders mehr erfahren über den geplanten Umbau von Airbus. Schließlich geht es um Tausende von Arbeitsplätzen.

    Am Telefon in Nordenham ist jetzt Udo Nobel, Mitglied im europäischen Betriebsrat, im Airbus-Aufsichtsrat und Sprecher des Wirtschaftsausschusses und der Fertigungswerke von Airbus Deutschland. Guten Tag!

    Udo Nobel: Schönen guten Tag!

    Simon: Herr Nobel, was wissen Sie konkret über den geplanten Umbau? EADS-Chef Louis Gallois hat ja bereits einen harten Sanierungskurs angekündigt.

    Nobel: Konkret ist bisher wenig rübergekommen. Einige Themen sind benannt worden. Das wichtigste ist natürlich, die A380 jetzt endgültig auch soweit voranzubringen, dass sie eben an die Kunden ausgeliefert werden kann. Und das andere ist eben das große Umbaupaket, will ich mal sagen, "Power8", über das wir allerdings bisher nur in Überschriften informiert worden sind.

    Simon: Dieses Einsparprogramm hat ja einen Milliardenumfang, auch wenn man, wie sie sagten, nichts genaues weiß. Was heißt das denn für die deutsche Airbus-Belegschaft?

    Nobel: Das wird sicherlich für die deutsche Belegschaft ähnliches bedeuten wie für alle in Europa. Denn Herr Gallois hat ja angekündigt, dass es gleichgewichtig über die Gründungsländer von EADS und Airbus verteilt sein soll. Natürlich hat diese Größenordnung, die dort hinter steht - zwei Milliarden bis 2010, ist ja angekündigt worden - eine Auswirkung. Gut, da kann man sich alles darunter vorstellen, von Personalabbau bis hin eben zu Einsparungen in anderen Bereichen. Aber wie gesagt, was konkret jetzt das Unternehmen wie anpacken will, ist bisher allenfalls in Überschriften bekannt. Und an Spekulationen, was das nun genau bedeuten kann, beteiligen wir uns nicht.

    Simon: Herr Nobel, Sie haben den EADS-Chef zitiert, der gesagt hat, wenn Kürzungen kommen, würden die gleichgewichtig durchgeführt. Aber da gibt es ja die Studie der Unternehmensberatung Goldman Sachs von vor einem Monat, in der geraten wurde, sieben europäische Werke einzusparen, weil sie, Zitat, keine Kernkompetenzen hätten, und darunter waren allein vier deutsche Werke in Norddeutschland. Ist das für Sie nur ein Papier?

    Nobel: Das ist eins von vielen Papieren, Modellen, nach denen man gehen kann. Für uns ist keinesfalls ausgemacht, dass es sozusagen eins zu eins von der EADS- oder Airbus-Führung übernommen wird. Den Weg, der dort vorgeschlagen wird, muss man nicht zwangsläufig gehen. Das Erfolgsmodell von Airbus war bisher eigentlich, Boeing nicht zu kopieren, sondern einen eigenständigen europäischen Weg zu gehen und viele europäische Werke an der Produktion zu beteiligen, was eben auch bestimmte Vorteile hat. Zum Beispiel, dass man direkten Einfluss hat auf die Werke, auf die Kosten, die dort sind, auf Techniken, die dort angewendet werden und vor allem auch auf die Qualität, die dort erzeugt wird. Und bisher war es ja ausgesprochen erfolgreich. Letztes Jahr war das erfolgreichste Jahr in der Geschichte von Airbus. Und Airbus hat ja im Wesentlichen bisher kein Rundumproblem, sondern ein Problem in der Umsetzung der Entwicklung der A380 in die industrielle Produktion. Und das muss jetzt schleunigst behoben werden.

    Simon: Und dieses Umsetzungsproblem bei der Produktion des A380, das hat Ihrer Meinung nach nichts mit der dezentralen Produktion zu tun. Es gab ja Kritiker, die gesagt haben, allein dadurch, dass zum Beispiel unterschiedliche Softwaresysteme benutzt wurden, sind viele Probleme entstanden, die es bei einer Fertigung an einem Ort gar nicht gegeben hätte.

    Nobel: Gut, ich weiß nicht, wer sich vorstellen kann, dass so ein Produktionsvolumen wie für die A380 in einer Nation oder nur an einem Standort bewältigt werden kann. Bisher sind die Strukturen auch so gewesen, über Europa verteilt, und da hat es wunderbar geklappt, auch der immense Hochlauf in den anderen Programmen bisher. Das ist sicherlich nicht die Ursache. Natürlich muss der Konzern besser integriert werden als bisher. Man muss nach gleichen Systemen arbeiten, aber daran wird ja gearbeitet. Und das bewältigt man auch nicht, wenn man Werke schließt. Dann hat man ja Schnittstellen zu anderen Zulieferern, zu anderen Firmen und so weiter. Und das wird die Arbeit nicht vereinfachen, sondern eher erschweren nach unserer Auffassung.

    Simon: Das vorrangige Ziel, sagten Sie selber, sei es jetzt bei Airbus den A380 auszuliefern. Gehen Sie davon aus, dass bis zu diesem Punkt es keine Entlassungen geben wird, um das Ziel nicht zu gefährden?

    Nobel: Da gehe ich nachhaltig davon aus, weil: Arbeit ist ja genug da im Unternehmen. Die A320-Familie boomt, ist über Jahre ausverkauft, das Long-Range-Programm ist bisher in der Produktion stabil, auch wenn es mit der 340, 500 und 600 sicherlich bestimmte Probleme gibt im Markt, so dass insgesamt Arbeit genügend da ist für die Stammbeschäftigten, und deswegen werden auch keine Entlassungen notwendig werden.

    Simon: Das heißt, wenn Sie sagen für die Stammbeschäftigten, dann heißt es, dass vor allem sich die Zeit- und Leiharbeiter Sorgen machen müssen.

    Nobel: Sicherlich, sie sind ja für temporäre Aufgaben eingesetzt, für vorübergehende Bearbeitung von Arbeitsbergen und sind natürlich nicht auf Dauer eingesetzt.

    Simon: Wo sollte denn aus Arbeitnehmersicht darüber hinaus gespart werden, wenn gespart werden muss?

    Nobel: Also, man muss natürlich jetzt daran arbeiten, bei der Rekonstruktion des Unternehmens oder wie immer man das nennen will, bei dem Umbau von EADS beziehungsweise Airbus, an den Problemen, die zu Tage getreten sind. Und das ist vor allem das Problem, die Entwicklung in der Zeit hinzubekommen, die man auch vorgesehen hat und vor allem die Erkenntnisse, die Entwicklungspakete auch so zeitgerecht in die industrielle Produktion zu überführen, wie das entsprechend der Kundenauslieferungspläne vorgesehen ist. Das ist der Hauptpunkt, an dem das Unternehmen besser werden muss.

    Simon: Das heißt also, eine Optimierung der Prozesse und kein Sparen.

    Nobel: Sicherlich ein Optimieren der Prozesse, und dann spart man. Jetzt sind ja auch eine Menge Mehraufwendungen entstanden, gerade bei der A380, die man ja in erster Linie einsparen muss, also Aufwendungen, die man eigentlich gar nicht vorgesehen hat. Und das kann man eben am besten, wenn man die Prozesse im Griff hat und ein System installiert, wo man immer ständig besser als bisher überprüfen kann, ob die Ziele erreicht worden sind oder nicht.

    Simon: Herr Nobel, was erwarten Sie, was erwarten die Mitarbeiter bei Airbus Deutschland heute von dem Gespräch der Bundeskanzlerin mit den EADS-Chefs?

    Nobel: Also ich hoffe, dass sie die Interessen der deutschen Beschäftigten dort auch zum Gesprächsthema macht, die Interessen Deutschlands an der Weiterentwicklung von Airbus, zu dessen Gründungsmitgliedern ja Deutschland von Anfang an gehört hat Anfang der 70er Jahre. Und wir haben ja vielfältige Kontakte aufgebaut, intensiviert, zu den Politikern, zu den Landesfürsten sozusagen, zu den Ministerpräsidenten der einzelnen Länder, die wiederum mit Frau Merkel in Kontakt stehen. Und ich hoffe, dass die Notwendigkeiten, die wir sehen, dort von ihr auch eindeutig benannt werden und nachhaltig betont wird, dass die deutschen Interessen in diesem Konzern nicht unter die Räder kommen.

    Simon: Wie wichtig ist es für die deutschen Arbeitnehmer, dass die Anteile am Mutterkonzern EADS, die bisher Chrysler gehalten hat und noch hält, in Deutschland gehalten werden. Bringt das etwas für deutsche Arbeitsplätze?

    Nobel: Sicherlich ist das ein Garant dafür, dass dann deutsche Interessen auch gewahrt werden und die deutschen Beschäftigten, die deutschen Fähigkeiten, die Entwicklungsleistungen auch weiter in diesem Konzern eingesetzt werden und es sozusagen keine nationale Ausdehnung gegen die Interessen Deutschlands in diesem Konzern gibt. Und dazu sind eben deutsche Anteilseigner notwendig.

    Simon: Das war Udo Nobel, Mitglied im Europäischen Betriebsrat und im Aufsichtsrat von Airbus. Herr Nobel, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Nobel: Ja, vielen Dank, ich bedanke mich ebenfalls.