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Grenke - die nächste BaFin-Herausforderung?

Der Leasing-Konzern für Büromöbel Grenke betreibt ein Franchise-System. Im September 2020 hatte der britische Leerverkäufer Fraser Perring Zweifel am Geschäftsmodell und der Organisation des Konzerns geäußert. Im gleichen Monat hat die BaFin eine Sonderprüfung des 2019er-Konzernabschlusses von Grenke begonnen.

Von Mischa Ehrhardt | 15.02.2021

Der Schriftzug des Finanzdienstleisters Grenke AG steht an der Zentrale der MDAX notierten Aktiengesellschaft.
Ein kritischer Bericht über den Leasing-Anbieter ließ den Grenke-Kurs im September zwischenzeitlich um fast 18 Prozent einbrechen (picture alliance/dpa | Uli Deck)
Wenn es nach den Wünschen der Grenke-Chefin gegangen wäre, wären die Vorwürfe des Leerverkäufers Fraser Perring längst vom Tisch. Als der im September erstmals seine Zweifel am Geschäftsmodell des Büro-Leasing-Konzerns aus Baden-Baden äußerte, sagte die Vorstandsvorsitzende Antje Leminsky:
"Lassen Sie es mich auf den Punkt bringen: Wir sind ehrbare Kaufleute und wir verwehren uns gegen jegliche Vergleiche mit Wirecard."
Grenke betreibt ein nicht leicht zu durchschauendes Franchise-System. Bei dem baut der Konzern über eine Beteiligungsgesellschaft in Österreich Geschäfte in Auslandsmärkten auf – also regionale Leasing-Gesellschaften für Büro-Ausstattungen. Später kauft Grenke diese Unternehmen oft in den Konzern zurück. Hierbei, so einer der Vorwürfe gegen Grenke, seien überhöhte Preise gezahlt und so möglicherweise die Bilanz aufgebläht worden.

Schwächen im Kontrollsystem eingeräumt

Zwar laufen die Prüfungen noch, ob diese Geschäfte alle plausibel und richtig bilanziert wurden. Eine Wirtschaftsprüfergesellschaft allerdings hatte bereits im Dezember bei der Geldwäscheprävention des Unternehmens wesentliche Mängel festgestellt. Zudem hat der Konzern Schwächen im bisherigen internen Kontrollsystem eingeräumt. Zuständig dafür war bis zu seinem Rücktritt vor wenigen Tagen Mark Kindermann. Dazu Andreas Lipkow, Kapitalmarktexperte bei der Comdirect-Bank:
"Der Rücktritt der ist ja teilweise auch dadurch initiiert worden, dass die BaFin festgestellt hat, dass hier in dem Haus Defizite vorherrschen und man diese Position mit jemandem besetzen muss, der die Aufgabe besser wahrnehmen kann als der bisherige Protagonist."
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Sonderprüfung des 2019er-Konzernabschlusses von Grenke

Die Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin hatte Ende September eine Sonderprüfung des 2019er-Konzernabschlusses von Grenke begonnen. Weil die noch läuft, will sich die Behörde dazu nicht offiziell äußern. In informierten Kreisen allerdings hört man, dass es bei Grenke Defizite bei der guten und transparenten Unternehmensführung und der internen Revision gebe - also den Kontrollen im Unternehmen. Die ersten Zweifel am Geschäftsmodell und der Organisation im Grenke-Konzern geweckt hatte einmal mehr der Leerverkäufer Fraser Perring. Leerverkäufer wie er – auch Shortseller genannt - durchforsten Aktien und Unternehmen nach möglichen Ungereimtheiten, um dann auf fallende Aktienkurse zu wetten. Henrik Leber vom Vermögensverwalter Acatis:
"Also Shortseller haben ja an sich einen schlechten Ruf, ich finde sie sind ganz wichtig im Kapitalmarkt, weil sie wie Haie im Becken die wunden Spieler ins Visier nehmen und versuchen, den Kursverfall zu beschleunigen."

2016 hatte Fraser Perring auf Unregelmäßigkeiten bei Wirecard hingewiesen

Das allerdings lässt sie natürlich parteiisch sein – sie verfolgen Profitinteressen und keinen wohltätigen Zweck. Fraser Perring aber hatte bereits 2016 detailliert auf Unregelmäßigkeiten bei Wirecard hingewiesen – in einem 100-Seitigen Bericht, den er unter anderem auch an die Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin sendete.
"Man ist hier ins Detail reingegangen, man guckt sich Geschäftsbereiche genau an und durchleuchtet diese. Das ist natürlich auch so, dass man auf Seiten der Shortseller einen Reputationsschaden davonträgt, wenn man eben Anschuldigungen vorträgt, die inhaltslos sind oder aber nur sehr oberflächlich aufgearbeitet worden sind", sagt Andreas Lipkow.
Vermutlich auch deswegen – und weil die Behörde im Fall Wirecard viel zu spät reagiert hat, ist sie nun ziemlich zügig aktiv geworden. Wie der Deutschlandfunk erfahren hat, gab es in den vergangenen Tagen sogar ein Telefongespräch zwischen dem Shortseller und den Finanzaufsehern der BaFin.
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