Donnerstag, 28. März 2024

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Aktion des Zentrums für Politische Schönheit
"Ein inakzeptables Spiel mit Gefühlen von Überlebenden"

Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck hat Strafanzeige gegen das Zentrum für Politische Schönheit gestellt. Mit dem Mahnmal, das angeblich Asche von Opfern des Nazi-Regimes enthält, instrumentalisierten die Aktivisten die Ermordung der Jüdinnen und Juden für ihre Zwecke, sagte er im Dlf.

Volker Beck im Gespräch mit Änne Seidel | 04.12.2019
Eine Säule des Zentrums für Politische Schönheit, in die Asche von Auschwitzopfern eingegossen worden sein soll, steht vor dem Reichstag.
"Mahnmal" oder "Schabernack"? Die Säule des Zentrums für Politische Schönheit vor dem Reichstag (picture alliance/ dpa/ Christophe Gateau)
Änne Seidel: Die sogenannte "Säule gegen den Verrat an der Demokratie" ist eine heftig umstrittene Kunstaktion. Das Zentrum für Politische Schönheit hat dieses Denkmal im Berliner Regierungsviertel aufgebaut: In der Säule befinden sich angeblich sterbliche Überreste von Holocaust-Opfern. "Pietätlos" finden das die einen - der Zentralrat der Juden etwa hat die Aktion scharf kritisiert. Andere begrüßen die Aktion, so wie der Historiker Götz Aly: Er sagte in einem Interview, Europa sei voll von anonymen Massengräbern aus der Zeit des Holocaust, und bis heute habe sich keiner um die Asche der Ermordeten gekümmert. Das sei würdelos.
Zu den Kritikern der Aktion zählt auch Volker Beck, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Partei Die Grünen.[*] Zeitweise war er auch Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe des Bundestags. Auf Twitter schreibt er, er habe wegen dieser Aktion Strafanzeige gegen das Zentrum für Politische Schönheit gestellt. Warum eine Strafanzeige, habe ich Volker Beck gefragt, in Deutschland gilt doch das Grundrecht auf Kunstfreiheit.
Volker Beck: Die Aktionskünstler behaupten ja, sie hätten mit der Asche der Ermordeten der Shoa ein Denkmal errichtet. Dann hätten sie, wenn das so wäre, die Totenruhe gestört. Das ist strafrechtlich bei uns zu Recht geschützt, weil es die Würde von Verstorbenen über den Tod hinaus schützen soll.
Vielleicht haben die Künstlerinnen und Künstler aber auch nur eine Fake-Nachricht verbreitet und die Fake-Asche ist Teil ihrer künstlerischen Performance. Dann hätten sie mit den Gefühlen der Holocaust-Überlebenden und ihrer Angehörigen in einer inakzeptablen Art und Weise meines Erachtens gespielt.
Und die ganze Aktion ist so angelegt, dass man sich fragen muss: Ist es Unbildung oder Boshaftigkeit? Man nimmt in keiner Art und Weise Rücksicht auf die Gefühle der Jüdinnen und Juden, sondern instrumentalisiert ihre Ermordung und ihre Asche für künstlerische oder politische Zwecke. Das ist nicht zu akzeptieren. Und da finde ich, das muss man auch aussprechen. Und die Strafverfolgungsorgane müssen klären: Ist es Asche und ist es strafbar? Oder ist es Dreck?
"Eine rücksichtslose Art, Aufmerksamkeit zu erzeugen"
Seidel: Ob es nun Fake ist oder nicht, das können wir, Herr Beck, an dieser Stelle natürlich nicht klären. Die Kunstaktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit sagen, dass diese Asche nicht direkt aus Auschwitz stammen würde, sondern aus den Gegenden rund um verschiedene Konzentrationslager, wo die Asche der Ermordeten damals einfach verscharrt worden sei. Ist das aber nicht der eigentliche Skandal, dass sie dort immer noch liegt, dass diese Toten nie richtig bestattet wurden? Und ist es dann nicht völlig legitim, mit einer Kunstaktion darauf hinzuweisen?
Beck: Mit einer Kunstaktion kann man darauf hinweisen. Mit der Umbettung oder dem Klauen von Leichenteilen oder Aschepartikeln ist das allerdings nicht die geeignete Form. Und es gibt ja auch andere Projekte, die sich um diese Erinnerung kümmern. Das American Jewish Committee in Berlin hat zusammen mit der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft ein Projekt laufen, das sich um die Bewahrung der Erinnerung kümmert. Und da versucht man, die Stätten, wo die Ermordeten begraben worden sind oder verscharrt worden sind (muss man in der Zeit wohl eher sagen) wieder aufzufinden.
Und aus Respekt vor den jüdischen Religionsgesetzen versucht man, die aufzufinden mit Detektoren, mit minimalinvasiven Instrumenten, um die Totenruhe nicht zu zerstören. Vielleicht sollte sich das Zentrum für politische Schönheit mal über dieses Projekt informieren, bevor es in dieser rücksichtslosen Art und Weise mit diesem Thema umgeht, um über Empörung Aufmerksamkeit für ihr Projekt zu erzeugen.
"Der Inhalt ist völlig in den Hintergrund getreten"
Seidel: Kommen wir noch mal zurück zu dem Tatbestand Verletzung der Totenruhe. Kann man diesen Tatbestand nicht vielleicht eher in einer weiteren Aktion des Zentrums erkennen? Gestern hatte die Gruppe ja bekanntgegeben, dass sie den Grabstein von Franz von Papen geklaut hat und ihn nach Berlin bringen wolle. Da geht es ja nun wirklich um ein Grab. Haben Sie dagegen auch Strafanzeige erstattet?
Beck: Nein, dagegen habe ich nicht Strafanzeige erstattet. Das ist zwar bestimmt Unfug, was da getrieben wurde, und erfüllt die Norm womöglich. Das wird die Staatsanwaltschaft dann gleich mitprüfen. Aber wenn man mit den menschlichen Überresten Schabernack treibt in einer Kulturaktion, ist das ja wohl was anderes, als wenn man sich an einem Grabstein vergeht.
Seidel: Wie stehen Sie denn zum zweiten politischen Ziel hinter dieser Aktion des Zentrums für Politische Schönheit, nämlich eine Zusammenarbeit der heutigen Konservativen mit der AfD zu verhindern? Das müsste doch eigentlich in Ihrem Sinne sein.
Beck: Das ist in meinem Sinne. Ich sehe bloß keinen Zusammenhang mit der Störung der Totenruhe. Und ich finde, dieser Inhalt ist völlig in den Hintergrund getreten. Das Ergebnis der Aktion ist doch: Viele Jüdinnen und Juden, das Auschwitz-Komitee und andere Betroffene haben sich geärgert, fühlten sich verletzt in ihren Gefühlen. Der AfD ist die Aktion schlichtweg wurst. Die CDU/CSU, an die sich das angeblich als Appell richtete, hat sich damit nicht beschäftigt. Aber die Jüdinnen und Juden wurden verletzt. Wenn das die Bilanz einer Aktion ist, die etwas ganz anderes erreichen wollte, müsste doch der Dümmste mittlerweile einsehen, dass man da sich einfach völlig vergaloppiert hat.
Volker Beck, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, spricht am 15.01.2017 im Islamischen Zentrum in Hamburg, während einer Konferenz der SCHURA, Rat der Islamischen Gemeinschaften Hamburg. "Islamfeindlichkeit und Rechtspopulismus als Herausforderung für Islam und Demokratie in Europa" ist das Thema der 7. Konferenz der SCHURA. Foto: Bodo Marks/Bodo Marks/dpa | Verwendung weltweit
Volker Beck ist Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum. Er war von 1994 bis 2017 für die Grünen Mitglied des Deutschen Bundestags, innenpolitischer und später religions- und migrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

[*] Anmerkung der Redaktion
An dieser Stelle haben wir eine Korrektur vorgenommen: Volker Beck sitzt zwar aktuell nicht für die Grünen im Bundestag - er ist aber weiterhin Mitglied der Partei. Die fehlerhafte Audiofassung des Gesprächs haben wir ausgetauscht.