"Aktion Rose" zementierte die Berliner Teilung

Von Winfried Sträter · 13.08.2011
Nicht einmal die Regierung, der Ministerrat, war in die geheimen Vorbereitungen eingeweiht. Am 13. August 1961 startete die "Aktion Rose": Kurz nach Mitternacht riegelte die DDR die Grenzen zu West-Berlin ab - und beendet damit die Massenflucht der eigenen Bürger.
Am 1. August 1961 kommentiert Karl-Eduard von Schnitzler, der Chefpropagandist der SED im DDR-Rundfunk:

"Wir haben es satt. Restlos satt, was seit zehn und mehr Jahren unter Ausnutzung der Besatzungsverhältnisse in Westberlin getrieben wird. Wir haben seit 1948 zugesehen, wie Westberlin ausgebaut wurde als Frontstadt, als Pfahl im Fleische der DDR, als auf das Herz der Zone zielende Lanzenspitze."

Allein im Juli 1961 sind 30.415 Menschen über die offenen Berliner Sektorengrenzen in den Westen geflohen. Das bedroht das SED-Regime existenziell.

Drei Jahre zuvor hatte der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow die Berlin-Krise ausgelöst, als er die Westmächte ultimativ aufforderte, die Westsektoren Berlins zu verlassen. Er ließ seine Ultimaten verstreichen, pokerte mit der Drohung, dass es ansonsten Krieg gebe - aber beim Gipfeltreffen Anfang Juni 1961 bleibt US-Präsident Kennedy hart. Eine Aufgabe der alliierten Rechte der Westmächte in West-Berlin lehnt Kennedy ab. In West-Berlin, nicht ganz Berlin: Das ist die entscheidende Botschaft.

"West-Berlin has now become, as never before, a great testing place of western courage and will ."

West-Berlin sei ein Testfall für die westliche Entschlossenheit, bekräftigt Kennedy am 25. Juli 1961. Damit ist Chruschtschows Berlin-Ultimatum gescheitert. Was bleibt, ist der Notbehelf, um das SED-Regime und die DDR vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Am 20. Juli hat Chruschtschow die Entscheidung getroffen, dass die Sektorengrenzen in Berlin geschlossen werden. Unter höchster Geheimhaltung lässt Walter Ulbricht die Absperrungen vorbereiten. Nicht einmal die Regierung der DDR, der Ministerrat, ist eingeweiht. Am 12. August lädt Ulbricht die Minister zu einem Sommerfest in sein Landhaus nördlich von Berlin ein. Nach dem Abendessen lässt er sie einen vorgefertigten Beschluss zur Grenzschließung fassen.

Am 13. August, einem Sonntag, beginnt kurz nach Mitternacht die sogenannte "Aktion Rose", die Abriegelung der Grenzen mit Stacheldraht. Der West-Berliner Rundfunksender RIAS berichtet den ganzen Tag.

"Seit etwa 1 Uhr heute Nacht rattern die Pressluftbohrer und bohren einen Graben quer durch die Ebertstraße hier am Brandenburger Tor. Der Graben ist etwa einen halben Meter tief und einen halben Meter breit."

Walter Ulbricht triumphiert am Brandenburger Tor:

"Das Wichtigste ist, dass der Frieden gesichert wird, ja. .. Und einige Gegner waren also der Meinung, die Arbeiter- und Bauernmacht ist noch nicht so stark, dass sie imstande ist, dem Gegner einen Schlag zu versetzen. Wir haben es mal ausprobiert, wie das geht, ja."

Ein Mann, dem noch um 7 Uhr früh die Flucht gelang, einer von über 800 an diesem Wochenende, sagt:

"Die Bevölkerung ist so eingeschüchtert, dass sie nichts gesagt hat. Jeder versuchte, auf die stille Art durchzukommen.Wer noch durchkommen wollte."

Der West-Berliner Regierende Bürgermeister Willy Brandt verurteilt mit scharfen Worten die Sperrmaßnahmen:

"Sie bedeuten, dass mitten durch Berlin nicht nur eine Art Staatsgrenze, sondern die Sperrwand eines Konzentrationslagers gezogen wird."

Die Westmächte reagieren auffällig zurückhaltend. Die USA sind insgeheim erleichtert, dass sich Chruschtschows Maßnahmen gegen die Massenflucht nur auf den eigenen Machtbereich beschränken.

Karl-Eduard von Schnitzler kommentiert mit Häme in seiner Propagandasendung "Der Schwarze Kanal":

"Sehen Sie, meine Damen und Herren, so geht die Entwicklung über die Bonner und Schöneberger Lokalgrößen hinweg. Sie gefallen sich in der Rolle des zu allem entschlossenen Freiheitshelden und Freiheitskämpfers, und wenn sie bei Kennedy, de Gaulle, Macmillan und deren Außenministern anfragen, da unterbrechen die nicht mal ihren Wochenendurlaub oder gar ihren Jahresurlaub."

Ulbricht kann nun ungestört seinen Sozialismus aufbauen. Aber der Mauerbau ist ein Pyrrhussieg, denn viel mehr als die deutsch-deutsche Grenze zieht die Mauer Aufmerksamkeit und Energie auf sich. An der Mauer wird sich das Schicksal der DDR entscheiden.