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Al-Mousllie kritisiert Zögern von US-Präsident Barack Obama

Die Konsequenzen aus Fehlern, die der Westen im Irak und anderen Ländern gemacht habe, würden derzeit auf dem Rücken der Syrer ausgetragen, sagt Sadiqu al-Mousllie, Mitglied des oppositionellen Syrischen Nationalrats. Er hofft auf eine Intervention in Syrien, die mit der bewaffneten Opposition koordiniert wird.

Sadiqu al-Mousllie im Gespräch mit Jasper Barenberg | 03.09.2013
    Jasper Barenberg: Der Militärschlag gegen Syriens Assad vorerst vertagt. Nicht auszuschließen, dass er ganz gestrichen wird. Zwar gibt sich US-Präsident Obama entschlossen: Er will das syrische Regime für den Einsatz von Chemiewaffen bestrafen. Zuvor aber soll der US-Kongress zustimmen, was allerdings ungewiss ist, ebenso wie Obamas Antwort ausfallen wird, sollten die Parlamentarier den Daumen senken. Viel Überzeugungsarbeit muss der Präsident also leisten.

    Es wird ja noch eine ganze Weile dauern, bis das Material der UNO-Waffeninspektoren aus Damaskus ausgewertet sein wird. Bis dahin wird über Indizien geurteilt, über Hinweise, die vor allem die Geheimdienste der USA und Frankreichs gesammelt haben. Aber auch der Bundesnachrichtendienst kann offenbar Informationen beisteuern.
    Am Telefon begrüße ich Sadiqu al-Mousllie, er ist Mitglied des oppositionellen Syrischen Nationalrats. Schönen guten Morgen.

    Sadiqu al-Mousllie: Guten Morgen!

    Barenberg: Wir haben gerade zuletzt mehr über die Diskussion rund um die Indizien, die Beweise gehört, dass die syrischen Streitkräfte Chemiewaffen eingesetzt haben. Ist das für Sie eine klare Angelegenheit? Halten Sie das für bewiesen?

    Al-Mousllie: Für mich als jemand, der mit der Sache zu tun hat, kann ich wirklich nur bestätigen, dass es in der Tat einen Angriff seitens der bewaffneten Opposition auf Damaskus gegeben hätte, und die Reaktion des Assad-Regimes kam, um diesen Angriff auch zu stoppen. In so einem Fall würde ich auch sagen, von meinen Informationen: Wir haben keine Informationen, dass irgendwelche bewaffnete Opposition oder irgendeine Oppositionsgruppe dieses Giftgas besitzt und auch die Logistik dafür, um das ganze zu verarbeiten und dann auch zu verschießen. Darüber verfügt die Opposition auch gar nicht.

    Barenberg: Wie wichtig ist es, wenn Sie so argumentieren, trotzdem, dass die Unterlagen, dass die Proben ausgewertet werden, die die Fachleute der Vereinten Nationen in Damaskus vor Ort gesammelt haben?

    Al-Mousllie: Es ist wichtig auf jeden Fall für die westlichen Länder, für die USA, für London, für Europa insgesamt, um auch die Leute zu überzeugen, die eigene Bevölkerung zu überzeugen. Es ist auf jeden Fall ein Schritt, den man vielleicht mal nachholen sollte, jetzt auf jeden Fall so schnell wie möglich, weil man in den letzten Jahren leider versäumt hat, einiges an die Bevölkerung zu bringen, um die Brutalität dieses Regimes zu zeigen. Sicherlich sind einige Nachrichten durchgedrungen, aber leider viel zu wenig, um auch das Verständnis der Bevölkerung für eine Aktion gegen Assad zu rechtfertigen.

    Barenberg: Würden Sie sagen, dass es tatsächlich nur die UN-Untersuchungen sein werden, die ein unabhängiges Urteil, ein verlässliches Urteil, ein glaubwürdiges Urteil über diese Geschehnisse zulassen wird?

    Al-Mousllie: Es gibt nichts, was nicht angezweifelt werden kann, und zwar von allen Seiten. Das ist klar, dass jeder von seiner Seite das versuchen wird. Für mich sind die Tatsachen auf dem Boden: Es sind über 3000 Menschen getötet worden, darunter Kinder, Frauen, Männer und auch übrigens die natürliche Schutzumgebung der Freien Syrischen Armee. Das heißt, wenn die bewaffnete Opposition einen solchen Angriff gemacht hätte, wäre das absolut der falsche Platz dafür. Insofern steht für mich die Sache schon fest. Aber es ist eine Frage, der man nachgehen muss, auf jeden Fall. Dafür haben wir Verständnis. Nur man muss sich einfach vor Augen führen: Jeder Tag kostet uns zwischen 80 bis 100 Leben.

    Barenberg: In London – wir haben das alle noch in Erinnerung – haben die Abgeordneten ja im Unterhaus den Daumen gesenkt. Ähnliche Schwierigkeiten könnte Präsident Obama im US-Kongress in Washington bekommen. Unter Druck ist schließlich auch Frankreichs Präsident. Allgemein gibt es eine sehr große Skepsis, auch mit Blick auf das, was damals beim Irak-Krieg geschehen ist, dass es da angebliche Beweise gab und man nachher keine Massenvernichtungswaffen gefunden hat. Wie gehen Sie mit dieser Zögerlichkeit, mit dieser Skepsis um? Wie enttäuscht sind Sie darüber, dass Obama beispielsweise den Einsatz jetzt zunächst einmal vertagt hat?

    Al-Mousllie: Wir sehen das so, dass die Fehler, die in der Vergangenheit, in den letzten Jahren, in dem Irak-Krieg und in anderen Kriegen auch gemacht worden sind, auf dem Rücken der Syrer jetzt gerade ausgetragen werden - leider Gottes. Aktiv ist das natürlich keine gute Sache für die Opposition, keine gute Sache für die syrische Bevölkerung, denn die Opferzahl steigt weiter. Die nationale Koalition versucht ihr bestes und auch der Syrische Nationalrat, um auch die Kontakte zu halten zu den Parlamentariern in mehreren Ländern, um ihre eigene Sicht vorzubringen und zu erklären. Leider Gottes müssen wir aber auch feststellen, dass das Regime und seine Helfer die Public-Relations-Firmen sehr stark eingeschaltet haben, insbesondere in den USA – die Nachricht habe ich heute bekommen -, die dann auch sehr aktiv mit den Parlamentariern, auch mit den Kongressmännern Kontakt aufnehmen und auf jeden Fall das Gegenteil bewirken wollen.

    Barenberg: Wir haben ja vorhin den Oberbefehlshaber der Freien Syrischen Armee gehört, der sinngemäß gesagt hat, der Militärschlag kann und wird nicht ausschlaggebend sein. Sie setzen aber trotzdem darauf?

    Al-Mousllie: Wir hoffen, dass das auf jeden Fall gemacht wird, denn alles andere wäre absolut nicht richtig und wäre kontraproduktiv. Ein nur kleiner Schlag beziehungsweise ein Schlag, der nicht Assad schwächen würde, sodass die Opposition auf dem Boden dann sich bewegen kann, wäre kontraproduktiv, denn das würde ihn noch stärker machen, das würde ihm auch noch mehr helfen. Seine Anhänger würden dadurch vielleicht etwas stärker. Wir denken, dass so ein Schlag auf jeden Fall koordiniert werden muss mit der Opposition auf dem Boden, mit der bewaffneten Opposition, denn nur so kann man wirklich was erreichen und das Ergebnis zugunsten der syrischen Bevölkerung umdrehen.

    Barenberg: Sadiqu Al-Mousllie, Mitglied des oppositionellen syrischen Nationalrats. Danke Ihnen für das Gespräch heute Morgen.

    Al-Mousllie: Bitte schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.