Freitag, 19. April 2024

Archiv

Alarmierender Emissionsanstieg
Wachsende Weltwirtschaft lässt CO2-Ausstoß emporschnellen

Die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzen - das erklärte Ziel des Pariser Klimaabkommens gerät zusehends in Gefahr. Die neusten Zahlen zeigen: Seit zwei Jahren steigen die globalen Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid wieder. Für das kommende Jahr sieht es noch düsterer aus.

Von Volker Mrasek | 06.12.2018
    Dirk Notz, Leiter der Max-Planck Forschungsgruppe "Meereis im Erdsystem", erläutert den Zusammenhang zwischen Kohlenstoffdioxidausstoss und Temperaturerwärmung im Erdklima.
    Es wird wärmer auf unserer Erde - aber wie schnell? - Wissenschaftler entwickeln unterschiedlichen Szenarien (dpa / Markus Scholz )
    Zwischen 2014 und 2016 stagnierte der weltweite CO2-Ausstoß weitgehend. Es schien so, als hätten die Emissionen von Industrie- und Schwellenländern endlich ihren Höhepunkt erreicht. Als sie 2017 dann doch wieder zulegten, um 1,6 Prozent, hofften viele auf einen Ausreißer. Doch in diesem Jahr rechnen Forscher aus dem Globalen Kohlenstoff-Projekt sogar mit einem noch stärkeren Anstieg.
    Zeitgleich mit dem Weltklimagipfel in Polen legen sie jetzt vorläufige Zahlen für 2018 vor. Der Physiker Glen Peters aus dem Klima- und Umweltforschungszentrum Cicero in Oslo: "Unsere beste Schätzung ist eine Zunahme um 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In unserer Analyse fehlen aber noch die November- und Dezember-Daten. Deswegen gibt es eine gewisse Unsicherheitsspanne. Im günstigsten Fall wird der CO2-Anstieg bei 1,8 Prozent liegen und im schlimmsten bei 3,5 Prozent. Wir bewegen uns auf jeden Fall in die falsche Richtung."
    Dahinter steckt das starke Wachstum der Weltwirtschaft. In diesem Jahr könnte es bei 3,7 Prozent liegen, so die neueste Schätzung der Internationalen Energieagentur: "Die CO2-Emissionen wachsen nicht so stark wie die Wirtschaft, weil wir immer sparsamer mit Energie umgehen und sie effizienter nutzen. 3,7 Prozent globales Wachstum passen insofern ganz gut zu einem CO2-Anstieg um zwei bis drei Prozent, wie wir ihn annehmen."
    CO2-Ausstoß steigt in Asien
    Befeuert wird die Entwicklung vor allem von Asien. Chinesen und Inder produzieren zusammen inzwischen ein Drittel aller Treibhausgase weltweit. China wird seinen Ausstoß in diesem Jahr voraussichtlich um knapp fünf Prozent steigern, Indien sogar um mehr als sechs. Beide Länder installieren zwar emsig Windräder und Solaranlagen. Doch noch immer beherrschen fossile Energieträger das Feld.
    Nicht nur der Verbrauch von Erdöl und Erdgas nimmt weiter zu, sondern auch der von Kohle, die besonders viel CO2 freisetzt: "Auch von den Emissionen der USA erwarten wir, dass sie in diesem Jahr leicht steigen. Das ist aber wetterbedingt und könnte nur vorübergehend sein. Die Entwicklung in Europa überrascht uns ein wenig. Für 2018 rechnen wir zwar wieder mit einer Abnahme beim CO2. Aber wenn man die letzten Jahre betrachtet, gehen die Emissionen der EU enttäuschend langsam zurück." Ganz ähnlich sieht es auch in Deutschland aus. Seit 2009 sind die CO2-Emissionen hier praktisch nicht mehr gesunken. Wobei aktuelle Zahlen für dieses Jahr noch fehlen.
    Wälder nehmen in einem El-Nino-Jahr weniger CO2 auf
    Die Forscher im Globalen Kohlenstoff-Projekt analysieren nicht nur Emissionsdaten der Länder. Glen Peters und seine Kollegen untersuchen auch, wieviel von dem freigesetzten CO2 in Wäldern und Meeren landet, den großen sogenannten Kohlenstoff-Senken. Zusammen schlucken sie nach wie vor rund die Hälfte unserer Emissionen.
    Allerdings werden die Senken im kommenden Jahr womöglich schwächeln. Denn es könnte sein, dass im Pazifik ein El Nino aufzieht, eine natürliche Wärmephase. Aktuelle Vorhersagen sehen dafür eine 75-prozentige Wahrscheinlichkeit: "In einem El-Nino-Jahr ist es in den Tropen heißer und trockener. Wälder nehmen dann weniger CO2 auf, und es verbleibt mehr davon in der Atmosphäre. Das kommt dann noch oben drauf auf unsere noch immer höllisch hohen Emissionen." Sollte El Nino tatsächlich kommen, sind also auch die Aussichten für 2019 nicht besser, sondern sogar eher noch schlechter!