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Albanien und Nordmazedonien
Bangen um Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen

Albanien und Nordmazedonien befürchten eine erneute Verschiebung der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die innenpolitische Lage ist in beiden Ländern angespannt. Die Staaten auf dem Westbalkan setzen große Hoffnungen auf Europa.

Von Clemens Verenkotte | 18.10.2019
    Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt in einem roten Jackett an einem großen runden Tisch zwischen weiteren Spitzenpolitikern der EU sowie der Staaten des Westbalkans-Staaten.
    Über die Zukunft der Westbalkan-Staaten in Europa wird seit langem gerungen (dpa / Monika Skolimowska)
    Nordmazedoniens Vize-Premierminister Bujar Osmani bringt die Erwartungshaltung der gesamten Region auf den Punkt: Nach mehrmaliger Verschiebung des Beginns von Beitrittsverhandlungen der EU mit seinem Land sowie mit Albanien blicke der gesamte Westbalkan auf den Gipfel in der belgischen Hauptstadt, so der Vize-Premier im Parlament:
    "Die Augen von 20 Millionen Menschen auf dem Westbalkan sind Richtung Brüssel gerichtet und warten darauf, was Nordmazedonien geantwortet wird. Die Augen von zwei Millionen Kosovaren warten darauf, was für eine Antwort Republik Nordmazedonien bekommen wird, um abschätzen zu können, ob es sich lohnt, einen ernsthaften Dialog mit Serbien zu führen und einen Kompromiss zu erreichen. Sowohl acht Millionen Bürger Serbiens, aber auch alle 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger des Balkans warten darauf, zu sehen, ob die EU ihre Versprechen einhalten wird, um die (Beitritts-)Perspektiven aufrechtzuerhalten."
    Erhebliche innenpolitische Auswirkungen erwartet
    Die innenpolitischen Auswirkungen wären für Nordmazedonien ganz erheblich, sollte es zu einem erneuten Aufschub der langgehegten EU-Ambitionen von Premierminister Zoran Zaev kommen.
    Mit dem erfolgreichen Votum für die Änderung des Staatsnamens in Nordmazedonien - was vielen Mazedoniern sehr schwer gefallen war - hatte Zaev der Bevölkerung signalisiert: Jetzt sei der langjährige Widerstand aus Griechenland zu EU-Beitrittsverhandlungen überwunden, jetzt gehe es in die europäische Zukunft. Und nun? Ljupco Cvetkovski, politischer Analyst, warnte auf seiner Pressekonferenz in Skopje:
    "Ohne Datum wird die Legitimität der Regierung Schaden erleiden und es wird damit begonnen, über Wahlen nachzudenken, um den Konsequenzen davon zu begegnen. Ich denke, dass es nicht gut für das Land sein wird, wenn es kein Datum geben wird. Denn es werden nicht die politischen Eliten bestraft, sondern letztendlich die Bürger. Dadurch wird auch die letzte Hoffnung der Menschen verloren gehen, dass sich im Land langfristig etwas zum Positiven verändern wird."
    Vergleichbares gilt auch für Albanien - allerdings ist dort die innenpolitische Lage noch deutlich angespannter: Seit Februar dieses Jahres boykottiert die größte Oppositionspartei, die Demokraten, das Parlament.
    Hoffnung auf "grünes Licht" aus Brüssel
    Regierungschef Edi Rama, zugleich auch langjähriger Vorsitzender der Sozialistischen Partei, ließ im Sommer landesweite Kommunalwahlen durchführen, denen sich die Oppositionsparteien als Protest geschlossen verweigerten. Daher sitzen seitdem nur Parteimitglieder Ramas in den Rathäusern und Amtstuben. Es gibt kein funktionierendes Verfassungsgericht, um die Einsprüche der Opposition juristisch klären zu lassen.
    Alle Mitglieder der höchsten Kammer haben ihre Posten vor Monaten bereits niedergelegt, nachdem sie nicht ihre Vermögensverhältnisse offenlegen wollten – die freigewordenen Stellen am Verfassungsgericht sind unverändert vakant. Vor diesem Hintergrund setzt vor allem die Opposition auf "grünes Licht" aus Brüssel. Lulzim Basha, Chef der Demokratischen Partei:
    "Nur die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen garantiert eine wachsende Aufmerksamkeit der EU in Albanien, eine stärkere Kontrolle über die Funktion der Institutionen, die Gewaltenteilung, freie Wahlen und die Gleichberechtigung vor dem Gesetz, als Garantie für die Bürger unseres Landes dafür, dass ihre Rechte und Freiheiten respektiert werden."
    All dies würde in weite Ferne rücken, falls sich die EU-Staats- und Regierungschefs erneut nicht in dieser für die Länder des Westbalkans entscheidenden Frage einigen können.