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Algorithmen im Fokus
Überholt China die USA bei der Künstlichen Intelligenz?

Im Jahr 2019 hat der US-Kongress eine Kommission eingerichtet, die Empfehlungen für eine KI-Strategie entwickeln sollte - und zwar aus Sicht der nationalen Sicherheit. Jetzt hat diese Kommission auf mehr als 750 Seiten dargelegt, wie Künstliche Intelligenz helfen soll, die Vereinigten Staaten zu schützen.

Von Thomas Reintjes | 01.04.2021
Programmiercode mit Globus, server und abstraktem technischen Hintergrund in blau
Die USA und China liefern sich ein Wettrennen um die besten Algorithmen (picture alliance / Klaus Ohlenschläger)
Beim globalen Kampf um Macht und Märkte spielt künstliche Intelligenz eine Schlüsselrolle, sagt Eric Schmidt. China sieht der ehemalige Google-Chef als Hauptkonkurrent der USA. Das ist auch die Sichtweise der Kommission, deren Vorsitzender Schmidt ist: Die 15-köpfige Kommission für Nationale Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Deren Abschlussbericht stellte Schmidt kürzlich auf einer Fachkonferenz vor.
"Ich will das ganz klar sagen: Im Moment tun die Vereinigten Staaten nicht genug, um diesen Wettlauf zu gewinnen. Die Chinesen dagegen setzen alles daran, bei Künstlicher Intelligenz Weltspitze werden. Sie haben einen Plan und konzentrieren sich darauf. Ich war noch nie in meinem Leben so besorgt, dass uns ein Rivale abhängen könnte. Wir wollen bei solchen Technologie-Wettbewerben nicht Zweitbeste sein. Denn das bringt uns in eine schwierige Lage. Ich möchte nicht, dass Amerika in diese Situation kommt, weil das schlecht für die Wirtschaft, schlecht für die Sicherheit, schlecht für unsere Zukunft ist."
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Die Kommission für Nationale Sicherheit und Künstliche Intelligenz sieht die USA aktuell zwar noch in in Führung bei der Entwicklung und Anwendung von KI-Systemen. Aber China setze an, in den nächsten fünf oder zehn Jahren zu überholen. Bis 2025 müssten deshalb das Pentagon und die Geheimdienste "AI-ready" sein, auf KI vorbereitet – und entsprechende Mittel dafür bereit gestellt werden.

Hohe Investionen in die Forschung sind nötig

Aber auch außerhalb von Militär und Geheimdiensten soll investiert werden, rät das Expertengremium. Innerhalb von fünf Jahren sollen die Bundesmittel für nicht-militärische KI-Forschung und -Entwicklung auf 32 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Eine Nationale Technologie-Stiftung soll gegründet und die Zahl der nationalen KI-Forschungsinstitute verdreifacht werden. Insbesondere die sektorübergreifende Förderung Künstlicher Intelligenz sei wichtig, betont Nadya Bliss, Computerwissenschaftlerin und Leiterin der Global Security Initiative an der Arizona State University.
"Das betrifft das Energieministerium, die Nationale Gesundheitsbehörde NIH, und so weiter. Das ist eine Chance, um der Forschungslandschaft in den USA neuen Schwung zu geben und gleichzeitig bestimmte Bereiche der KI-Forschung massiv voranzutreiben. Zum Beispiel die Zusammenarbeit von Menschen und KI-Systemen. Also wie baut man Technik, die Menschen optimal unterstützt?"
Nadya Bliss hat Mitglieder der KI-Kommission beraten und hält deren abschließende Analysen und Handlungsempfehlungen für treffend. Sie folgt auch der Grundannahme, dass KI-gestützte Angriffe nur mit KI-gestützter Verteidigung abgewehrt werden können. Ob es nun physikalische Angriffe mit autonomen Waffensystemen sind oder virtuelle Angriffe, wie etwa Desinformationskampagnen über soziale Medien. KI wirke als eine Art Beschleuniger, sagt sie.
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"Wenn Angriffe mit riesiger Rechenleistung beschleunigt werden, muss es ein Gegengewicht geben. Wir brauchen Technik, um diese Angriffe automatisiert abzuwehren. Gleichzeitig müssen wir KI-Systeme so bauen, dass Missbrauch minimiert wird."

Welcher Ethik folgen die Algorithmen?

Nadya Bliss zufolge liegt die Kommission auch richtig, wenn sie feststellt, dass eine KI-Vorherrschaft der USA und ihrer Partner bedeutet, dass weltweit eingesetzte KI auf westlichen Werten beruhen wird. Sie gibt aber zu bedenken, dass auch Facebook in den USA entstanden ist, aber dann für Desinformationskampagnen missbraucht wurde. Von anderer Seite kommt schärfere Kritik an dem Strategiepapier. Ben Winters von der Datenschutz-Organisation EPIC:
"Es ist wirklich enttäuschend, dass hier hauptsächlich Investitionen gefordert werden. Es geht mehr um China als darum, wie Menschen in Amerika und weltweit vor dem ganz realen Schaden geschützt werden, den lernfähige Algorithmen anrichten können. Diese Bedrohung wird mit dem Verweis auf die Nationale Sicherheit und demokratische Werte weggewischt, anstatt dem Kongress spezifische Empfehlungen zu geben."
Während der Report an anderen Stellen sehr ins Detail geht, bleibt er bei den ethischen Rahmenbedingungen für KI-Systeme vage, kritisiert Ben Winters.
"Wie bestimmen wir, ob und wofür ein bestimmtes Werkzeug benutzt werden sollte? Welche Grenzen gibt es fürs Datensammeln? Welche Grenzen gibt es beim Zusammenführen von Daten? Das sind die Fragen, die wir beantworten sollten."
So richtet sich die fundamendalste Kritik gegen die Zusammensetzung der Kommission für Nationale Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Viele Mitglieder sind oder waren Führungskräfte bei Google, Amazon, Oracle und anderen IT-Konzernen. Ein Ruf nach mehr Regulierung war von ihnen nicht zu erwarten.