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"Alle müssen zur Energie-Effizienz beitragen"

Klein: Das Kyoto-Protokoll tritt also heute in Kraft. Gerade die Europäer haben sich dafür immer wieder sehr stark gemacht. – Am Telefon ist Karl-Heinz Florenz, Vorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament. Schönen guten Morgen Herr Florenz!

16.02.2005
    Florenz: Guten Morgen!

    Klein: Europa hat sich verpflichtet, allein bis 2012 den Ausstoß von Treibhausgasen um 8 Prozent zu reduzieren. Wird der Kontinent das erreichen können?

    Florenz: Der Kontinent muss sich in dieser Frage natürlich anstrengen. Das was wir heute meiner Meinung nach durchaus feiern können, muss dann nachher auch in die Tat umgesetzt werden und ich glaube die Europäische Union muss auch den Mut aufbringen, nicht nur die europäische Industrie mit dieser Frage zu beschäftigen, sondern wir müssen versuchen, die Ziele, die wir erreichen wollen, auf andere Schultern zu verteilen. Es darf also nicht bei der Industrie alleine bleiben, sondern der Verkehr, auch der Luftverkehr, aber vielleicht sogar die Abfallpolitik muss einen Beitrag dazu leisten. Also mehr schultern; das ist eigentlich das Stichwort, um das Ziel von 2012 und danach, wie der Vorredner genau richtig sagte, zu erreichen.

    Klein: Mut aufbringen wofür denn konkret?

    Florenz: Mut aufbringen, für 2012 neue feste, verbindliche Ziele zu erreichen, nämlich den Mitgliedsländern zu sagen, ihr müsst danach noch um 3, 4, 5 Prozent jedes Jahr absenken. Das ist politisch nicht immer ganz einfach, insbesondere deswegen nicht, weil die Länder wie Indien und China in einer merkwürdigen Allianz mit den Amerikanern im Moment noch kein Verständnis dafür aufbringen. Da müssen wir von Seiten der Europäer noch eine Menge an positivem Handlungszwang aufbringen.

    Klein: Lassen Sie uns noch einen Augenblick bei Europa bleiben, Herr Florenz. Es gibt große Abweichungen bei den unterschiedlichen Staaten in der EU. Wenn Sie sagen es muss mehr geschultert werden, wo sehen Sie denn konkrete Ansätze dazu?

    Florenz: Einer der wichtigsten Punkte des neuen Umweltkommissars muss es sein, die Regeln, die wir in Europa beschlossen haben, dann auch in nationales Recht umzusetzen. Die Kommission muss ein stärkeres Instrument in die Hand bekommen, um die Mitgliedsländer, die zwar hier groß heute mitfeiern, aber übermorgen zu Hause ihre Schularbeiten nicht machen, vor den Gerichtshof zu zerren, wenn es nicht anders geht.

    Klein: An welche Staaten denken Sie da?

    Florenz: Ich meine da braucht man gar nicht so weit zu fahren und die Deutschen sollten sich auch nicht in jeder Beziehung so fürchterlich weit aus dem Fenster hängen. Das Beschuldigen von direkten Staaten ist immer äußerst schwierig, aber die Franzosen haben zwar durch ihre Atompolitik nicht so ganz große Rückstände, aber es gibt viele. Die Spanier haben da eine etwas leichtere romanische Art. Das werden wir nicht dulden. Ich bin der Überzeugung, wir können besser weniger entscheiden, aber das was wir hier entscheiden müssen wir auch wirklich durchsetzen und das gilt auch bei der Klimapolitik.

    Klein: Nun geht es allerdings darum, Europa wirtschaftlich fitt zu machen, stark im Wettbewerb und viele befürchten, dass dann vielleicht nicht nur Sozial- und Verbraucherrecht auf der Strecke bleiben, sondern eben auch der Klimaschutz hinten angestellt wird. Ist diese Befürchtung denn ganz unberechtigt?

    Florenz: Ja, das ist ein Trugschluss. Erst einmal ist Umweltpolitik, Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik eine Säule der zukünftigen Wirtschaftspolitik in Europa und nicht nur in Europa. Das gehört zusammen. Die Automobilindustrie wird nur dann Autos verkaufen können, wenn sie in Zukunft sagen kann, diese Autos sind mehr oder weniger abgasfrei. Es ist also nicht so sehr die Frage ob drei oder vier Liter, sondern es ist die Frage, ob die Inder und die Chinesen in Zukunft ein Auto angeboten bekommen, was 0,00 sowieso Abgase hat. Das ist Wirtschaftspolitik. Darum sollte die Automobilindustrie sich wesentlich mehr kümmern. Ich glaube sogar, dass moderne, motivierende Umweltpolitik eine moderne Wirtschaftspolitik ist. Das gehört beides zusammen. Die Automobilindustrie sollte mehr Ingenieure einstellen und nach den Autos und den Verbrennungsmaschinen forschen, die für die Zukunft und für die zukünftige CO2-Politik wirklich gebraucht werden. Eine andere Möglichkeit gibt es auch gar nicht.

    Klein: Nun steuert die Europäische Union nicht mehr als 14 Prozent zu den globalen Emissionen bei, Deutschland zwischen 3 und 4 Prozent, und so argumentieren auch die Wirtschaftsverbände zum Beispiel in Deutschland, die sich unter anderem mit diesem Argument gegen stärkeren Klimaschutz zur Wehr setzen, wie ihre Kritiker meinen. Haben sie damit nicht Recht?

    Florenz: Ich glaube sie machen eine sehr vordergründige Argumentation. Die Energie-Effizienz ist eine technologische Herausforderung und wenn man diese technologische Herausforderung aufgreift, dann gibt es nachher auch Technologie weltweit zu verkaufen. Wenn wir uns aber in die Ecke stellen und schmollen und sagen alles ist zu schwierig bei uns, dann können wir auch nichts verkaufen. Also ich rate dringend der deutschen Wirtschaft, natürlich auf die Kosten zu achten – das ist ein ganz wichtiger Faktor -, aber am Ende müssen wir über höhere Standards zu mehr Innovation kommen und damit zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Das alleine macht einen Schuh daraus.

    Richtig ist allerdings, dass die Europäer nicht glauben sollten, wir könnten den Klimaschutz ganz alleine schultern. Ganz im Gegenteil! In Buenos Aires haben wir ganz intensiv nach Partnern gesucht, die eben auch außerhalb Europas diese Last zu schultern mittragen. Da müssen wir die Entwicklungsländer intensiv ansprechen, aber nicht im Sinne von ihr dürft keine Autos fahren. Die Mütter und Väter indischer Kinder wollen auch, dass ihre Kinder mobil sind. Wir müssen ihnen aber die richtigen Mobilitätsinstrumente in die Hand geben und dafür muss die Industrie forschen und dazu muss Europa außerhalb der Europäischen Union auch werben. Ich glaube wir sind da auf einem ganz guten Wege. Wir sollten es hoffnungsvoller anfangen und nicht so leidvoll.

    Klein: Der weltweit größte Verursacher von CO2-Ausstoß sind die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich dem Kyoto-Protokoll ja nicht angeschlossen haben. Welche Möglichkeiten sehen Sie, sehen Sie auch für Europa, die USA da wieder mit ins Boot zu holen?

    Florenz: Mit denen haben wir in Buenos Aires schon einen Prozess ständiger Ernüchterung erlebt, aber die Amerikaner als solches stehen in dieser Frage etwas beleidigt in der Ecke. Das gilt aber nicht für alle. All die Länder entlang der kanadischen Grenze sind schon auf dem Wege, sich zu überlegen, ob sie nicht gar beim Emission-Trade der Europäer mitmachen. Das Land Kalifornien unter Schwarzenegger ist eines der fortschrittlichsten CO2-Länder in der ganzen Welt. Also die Hilfe kommt aus den Vereinigten Staaten selbst und diese – es sind jetzt glaube ich schon 12 oder 13 Länder – müssen wir motivieren. Wir werden die entsprechenden Leute aus diesen Ländern auch nach Europa einladen, um sie zu motivieren und vielleicht sogar die Option zu öffnen, dass diese Länder am europäischen Klima-Abgas-Handel sich beteiligen können.

    Klein: Karl-Heinz Florenz, Vorsitzender des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments. Vielen Dank Herr Florenz und auf Wiederhören!

    Florenz: Ja, gern geschehen. Auf Wiederhören!