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"Alle werden leiden"

Spaniens Regierungschef Zapatero hat Griechenland Hilfen von bis zu 3,5 Milliarden Euro zugesagt - trotz eigenem hohen Haushaltsdefizit. Kann sich Spanien das leisten? Und was denkt man in Madrid über die deutsche Zurückhaltung in der Frage der Hilfe für die Griechen?

Von Hans-Günter Kellner | 28.04.2010
    José María Marín Quemada ist ein überzeugter Europäer – und ein überzeugter Verfechter der Europäischen Währungsunion. Er sitzt im Rat der Spanischen Notenbank und meint, die junge Währung erlebe ihre erste Krise.

    "Wenn wir scheitern, werden wir alle wirtschaftlich schwer darunter leiden. Alle: Deutsche, Franzosen, Spanier und natürlich Griechen. Der Euro ist für alle ein Schutzschirm, er bedeutet Sicherheit für alle."

    Aber auch Spanien ist hoch verschuldet. Dennoch will die Regierung Zapatero Athen rund 3,5 Milliarden Euro Athen leihen. In dieser Frage ist sogar die Opposition ausnahmsweise mit den regierenden Sozialisten einer Meinung. Zu einer Parlamentsdebatte wird es darüber gar nicht erst kommen. Auch Marín Quemada sagt bestimmt: Griechenland muss geholfen werden:

    "Die spanische Finanzsituation ist sehr delikat. Die Ausgaben liegen in diesem Jahr um mehr als zehn Prozent über den Einnahmen. Es stimmt auch, dass in den nächsten Jahren starke Kürzungen notwendig sind. Es ist sicher kein günstiger Moment, jetzt Griechenland zu helfen. Aber wir müssen uns fragen, was wichtiger ist. Die Stärke des Europäischen Währungssystems, die Solidarität oder punktuelle Interessen einzelner."

    Das Solidaritätsprinzip habe Europa starkgemacht. Wenn dieses Prinzip nicht mehr funktioniere, zerbreche eine der Grundsäulen Europas, warnt Marín Quemada. Er zeigt Verständnis für die Debatte in Deutschland vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, warnt aber auch vor einer zu zögerlichen Haltung. Europa sei der wichtigste Markt für deutsche Güter und Dienstleistungen. Ein Ausschluss oder Austritt einzelner Mitglieder aus dem Euro sei weder in den Verträgen vorgesehen, noch vorteilhaft:

    "In keinem Fall würde es einzelnen Ländern damit bessergehen. Der Euro ist für alle eine Region der Stärke. Mitglied dieser Währungsunion zu sein, mit einem großen Markt, mit einem ständigen Güteraustausch, einem enormen gemeinsamen Wirtschaftsraum, gibt allen mehr Gewicht in der Welt. Sich wieder zu zersplittern wäre angesichts der Globalisierung mit Sicherheit kein guter Weg."

    Zumal ein solcher Schritt den Spekulanten Auftrieb geben würde, Hilfen für Griechenland seien dagegen eine Abwehr gegen Attacken der Finanzmärkte, heißt es in Spanien. Aber auch die Zinsen für spanische Darlehen steigen. Und auch Spanien plagen große Strukturprobleme, die Arbeitslosenquote liegt bei 20 Prozent.

    "Spanien und Griechenland mögen in Teilen vergleichbar sein. Aber hier wurden keine Daten frisiert. Wenn wir uns mal die Daten des Weltwährungsfonds ansehen und seine Einschätzungen zur Zukunft, dann sehen wir Spanien heute und auch 2015 an neunter oder zehnter Stelle in der Welt. Wir sprechen also von einer Volkswirtschaft mit einem beachtlichen Gewicht."

    Weshalb der Volkswirt und Währungshüter optimistisch ist. Sein Land werde die Attacken der Finanzmärkte überstehen. Trotzdem übt er heftige Kritik an der Regierung Zapatero. Unpopuläre Maßnahmen seien nötig. Der spanische Arbeitsmarkt müsse reformiert werden, die Beamtengehälter und in der Folge auch die Löhne sinken. Den Vorwurf, die Spanier hätten wie die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt, hält er für überzogen. Aber es gebe in jedem Fall viel zu tun.

    "Spanien ist schon lange nicht mehr das Land von Siesta und Tanz, sondern ein Land von Arbeit und Fleiß. Wir hatten es nicht einfach, mehr als eine Million Spanier mussten hier einmal auswandern. Das Land hat sich tiefgreifend verändert. Unsere Industrie ist in einigen Bereichen weltweit führend, zum Beispiel bei den erneuerbaren Energiequellen. Natürlich müssen wir weiter machen. Wir brauchen ein neues Wachstumsmodell, das Arbeitsplätze und Wohlstand schafft. "