Freitag, 19. April 2024

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Allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen
Kühnert: Debatte ohne Nachhaltigkeit

Juso-Chef Kevin Kühnert hält die von der CDU angestoßene Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht für eine Stellvertreterdebatte. Es gehe in erste Linie darum, politische Missstände wie etwa den eklatanten Personalmangel in Pflegeberufen zu kaschieren, sagte er im Deutschlandfunk.

Kevin Kühnert im Gespräch mit Sarah Zerback | 07.08.2018
    Kevin Kühnert
    Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert (picture alliance/dpa/Foto: Michael Kappeler)
    Den Mangel an Personal in den Pflegeberufen könne eine wie auch immer geartete Dienstpflicht jedoch nicht beseitigen. Denn die Arbeitskräfte, die mit der Verpflichtung in Pflegeberufen arbeiten würden, seien ungelernt - und könnten allenfalls kleine Hilfstätigkeiten ausführen, erklärte Kühnert. Der Debatte fehle daher jede Nachhaltigkeit.

    Sarah Zerback: Ein Jahr im Pflegeheim, bei der Feuerwehr oder eben bei der Bundeswehr verpflichtend, für Männer und Frauen ab 18 Jahren. Diese Debatte hat die Generalsekretärin der CDU angestoßen, die vor gar nicht allzu langer Zeit angetreten war, um ihre Partei zu erneuern. Für die SPD hat das auch Kevin Kühnert, Vorsitzender der Jusos, vor. Und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    Kevin Kühnert: Einen schönen guten Morgen!
    "Es ist das übliche Sommerloch"
    Zerback: Jetzt hat die CDU da ein Thema gesetzt, und alle sprechen drüber. Würden Sie sich das für Ihre Partei auch mal wünschen?
    Kühnert: Na ja, gut, es ist Sommerpause, und es ist das übliche Sommerloch, das stattfindet, und jetzt reden wir halt dieses Jahr über eine Dienstpflicht, nächstes Jahr dann vielleicht mal über irgendwas anderes. Diese Sommerlochthemen haben aber meistens eines gemeinsam, es dient dazu, dass sich da jemand noch mal ein bisschen bekannt machen kann. Am Ende kommt aber relativ wenig dabei rum, und ich prognostiziere Ihnen –
    Zerback: Glauben Sie, Frau Kramp-Karrenbauer kennt noch keiner?
    Kühnert: Nein, aber ich glaube schon, dass sie noch Ambitionen weiter nach oben hat über das Amt hinaus, was sie im Moment innehat. Und trotzdem würde ich Ihnen prognostizieren, dass das Thema Dienstpflicht keines ist, das uns dann tatsächlich im Regierungsgeschäft oder im Bundestag noch allzu lange beschäftigen wird, weil die Fakten, die dagegen sprechen, mit dann doch zu erdrückend erscheinen.
    Zerback: Gut, aber das haben Sie natürlich als Politiker selbst in der Hand, so eine Debatte darüber, wie man gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann und vielleicht sogar soziale Berufe, hätte die nicht auch der SPD gut zu Gesicht gestanden?
    Kühnert: Wir reden ja die ganze Zeit im Moment über Pflege beispielsweise und die Frage, wie wir dort die Situation verbessern können. Da fallen mir dann aber eher Fragen zum Beispiel der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ein. Nur 20 Prozent der Beschäftigten dort sind von Tarifverträgen im Moment abgedeckt, die anderen 80 Prozent nicht. Wir haben eine sehr bescheidene Bezahlungssituation bei den Beschäftigten, und dementsprechend auch einen Fachkräftemangel. Insofern ja, total notwendig, drüber zu sprechen. Aber es muss ja gerade denen, die heute in der Pflege noch die Fahne hochhalten, denen muss es ja wie Hohn und Spott vorkommen, dass seit Jahren jetzt darüber räsoniert wird, wie denn ihre jämmerliche Situation und ihr Personalmangel ausgeglichen werden kann, und nichts geht so richtig voran, und dann kommt jemand um die Ecke und sagt, na, wir könnten ja wieder einen Pflichtdienst einführen, und dann bekommt ihr ein paar 18- und 19-Jährige vorbeigeschickt, die dabei helfen, die Bettpfannen auszutauschen. Da würde ich mir aber schön verschaukelt vorkommen.
    Keine nachhaltige Lösung
    Zerback: Warum? Dann ist doch Personal da, das anpackt?
    Kühnert: Ja, aber das ist ja nicht nachhaltig. Das sind nicht ausgebildete junge Menschen, die dann für ein Jahr mal vorbeischauen. Als nicht Ausgebildete können sie da im Prinzip auch überhaupt keine selbstständigen Tätigkeiten übernehmen, sondern sie müssen permanent angeleitet werden. Wer möchte denn auch von jemand nicht Ausgebildetem gepflegt werden? Da geht es ja nicht einfach nur darum, ein bisschen die Wäsche zu wechseln, sondern da geht es ja auch wirklich darum, medizinische Tätigkeiten zu vollziehen. Da würde ich mich auf jeden Fall mal bedanken, wenn das eine ungelernte Kraft machen muss. Nein, ich finde schon, das sollten wir Fachleuten anvertrauen. Das hat auch einfach was mit Respekt vor einem regulären Ausbildungsberuf zu tun, der die Pflege nun mal ist in Deutschland.
    Zerback: Es kann natürlich auch Interesse für den Job wecken, wenn es gut gemeint ist und bestmöglich ausgeht. Aber jetzt war ja gesagt worden, der Gesellschaft erst mal etwas zurückgeben. Das sagt ja zum Beispiel Paul Ziemiak, Ihr konservatives Pendant. Wollen Sie das nicht?
    Kühnert: Es ist immer schön, wenn Leute der Gesellschaft was zurückgeben. Ich finde nur, das Motiv, sich sozial engagieren und der Gesellschaft was zurückgeben in Verbindung mit dem Wort Zwangsdienst, das passt für mich nicht richtig zusammen. Ich finde, dass Engagement für die Gesellschaft auch aus einer eigenen Erkenntnis heraus kommen muss. Und man kann Leuten dabei helfen, zu dieser Erkenntnis zu kommen. Aber mit wie viel Begeisterung man gesellschaftliches Engagement für sich entdeckt, wenn man dazu gezwungen wurde, da würde ich mal große Fragezeichen hinter setzen.
    Zerback: Aber wenn es freiwillig nicht funktioniert, Herr Kühnert?
    Kühnert: Dann wird das vielleicht auch bei manchen einfach nicht funktionieren. Wir sprechen immerhin, wenn auch über junge Erwachsene, dennoch über Erwachsene. Wir können hier nicht einfach ein Prinzip wie bei der Schulpflicht ansetzen und sagen, wir wissen am besten, was für euch gut ist, und deswegen schicken wir euch jetzt irgendwo in einen Zwangsdienst. Und die Verpflichtung zu einer gewissen Arbeit unterliegt auch einfach sehr engen rechtlichen Bestimmungen in Deutschland, in Artikel 12 Grundgesetz, und das aus sehr guten Gründen.
    "Wir sprechen hier über junge Erwachsene"
    Zerback: Ich wollte Sie nicht vorzeitig unterbrechen, aber ich wollte nur sagen, die Schulpflicht, die schadet ja jetzt vielen auch erst mal nicht.
    Kühnert: Nein. Deswegen vergleiche ich das ja auch nicht. Da geht es ja auch um Minderjährige, das sind Schutzbefohlene. Da ist es dann auch in Ordnung, dass der Staat und die Erziehungsberechtigten für die auch Entscheidungen vornehmen. Aber wir sprechen hier eben über junge Erwachsene. Und übrigens, wir müssen auch mal ein bisschen die Zahlen ins Lot rücken. Es wird jetzt immer so getan, als würden sich junge Menschen nicht engagieren oder unpolitisch sein. Ich nenne mal zwei Eckpunkte dafür. Es gibt seit vielen Jahren die Shell-Jugendstudie, die in regelmäßigen Abständen untersucht, wie es um Einstellungen und Lebenswelten von jungen Menschen aussieht. Die stellt seit mittlerweile über zehn Jahren eine deutlich steigende Politisierung von jungen Menschen vor und auch ein deutlich steigendes Engagement. Es scheint mir dann doch immer eher so ein bisschen das Gerede von der "Jugend von heute" zu sein. Das gab es aber schon immer und hatte meistens keine wirklich faktische Grundlage. Und wenn wir uns zum Beispiel den Bundesfreiwilligendienst angucken als eine Erfindung, wo Menschen übrigens jeden Alters Freiwilligendienst leisten können, dann sind ganz aktuell im Juli dieses Jahres, also da, wo die aktuellste Statistik vorliegt, zweidrittel derjenigen, die daran beteiligt sind, unter 27. Das andere Drittel sind alle anderen Altersgruppen bis zu den über 65-Jährigen. Das heißt, die Freiwilligendienste in unserer Gesellschaft werden heute schon massiv überdurchschnittlich von jungen Menschen getragen.
    Zerback: Also könnte man mal ganz ketzerisch sagen, dass man das auch für Altersgruppen jetzt öffnen könnte, die Dienstpflichtdebatte, für all jene, die das ja auch hauptsächlich vorschlagen?
    Kühnert: Ein bisschen ketzerisch könnte man natürlich schon zurückfragen, wenn wir über Dienstpflichten für erwachsene Menschen reden, warum denn jetzt ausgerechnet eigentlich junge erwachsene Menschen? Warum denn nicht in anderen Altersgruppen? Wenn wir den Rechtsruck in unserer Gesellschaft beklagen und die Radikalisierung in Teilen unserer Gesellschaft oder auch die Empathielosigkeit, die damit einhergeht, und ich in die Statistiken gucke, dann stelle ich fest, diese ganzen Bewegungen und Parteien, die da zu nennen sind, die werden vor allem von Männern zwischen 40 und 55 beispielsweise gewählt, ganz überwiegend zumindest. Warum schicken wir nicht Männer zwischen 40 und 55 mal irgendwo in Sozialdienste, um ihre Empathiefähigkeit zu stärken. Ist jetzt – bitte nicht falsch verstehen – kein ernst gemeinter Vorschlag von mir, aber zeigt ein bisschen die Absurdität dieser ganzen Debatte. Da wird vorgeschoben, dass man jungen Menschen was Gutes tun will, oft genug noch angefügt mit der Argumentation, ich habe das früher auch gemacht, mir hat es auch nicht geschadet. Gut, wir haben früher viele Sachen gemacht, die uns nicht geschadet haben, trotzdem haben wir das nicht alles behalten. Aber letzten Endes geht es darum, politische Missstände, ob in der Pflege oder bei der Bundeswehr zu kaschieren, wo man durch schlechte Arbeitsbedingungen, schlechte Ausstattung und schlechte Bezahlung seit vielen Jahren nicht vorankommt. Und das finde ich einfach ungerecht, das auf dem Rücken der jungen Generation auszutragen.
    "Wir Jusos sind raus in dem Augenblick, wo es um Pflichtdienste geht"
    Zerback: Ich höre schon raus, da zeichnet sich in Ihren Augen ein Generationenkonflikt ab, aber an der Dienstpflichtdebatte an sich, ist denn da wirklich alles schlecht, oder gäbe es Voraussetzungen, unter denen Sie sagen würden, da wäre auch ich dabei mit meinen Jusos?
    Kühnert: Wir Jusos sind raus in dem Augenblick, wo es um Pflichtdienste geht, weil wir das einfach für eine unverhältnismäßige Einschränkung der individuellen Freiheit halten. Wenn das jetzt ein Auftakt sein sollte für eine Diskussion über die Bedingungen von Freiwilligenarbeit in unserer Gesellschaft, dann sind wir gern dabei, dann machen wir übrigens schon seit vielen Jahren Vorschläge. Wenn es zum Beispiel darum geht, wie Leute in den Freiwilligendiensten entlohnt werden. Wir haben ja die absurde Situation, es sind heute mehr Menschen interessiert daran, zum Beispiel beim Freiwilligen Sozialen oder Freiwilligen Ökologischen Jahr teilzunehmen, als es tatsächlich am Ende Plätze gibt, weil die finanzielle Ausstattung und die Träger, die dazu bereit sind, gar nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind.
    Zerback: Trotzdem, die Zahl möchte ich auch noch mal nennen, macht nur jeder Achte eines Jahrgangs mit bei freiwilliger Arbeit.
    Kühnert: Ja, das stimmt. Weil es für viele junge Menschen zum Beispiel auch eine soziale Bürde ist, daran teilzunehmen. Die Entschädigung, die dort gezahlt wird, ist wirklich lächerlich. Ich hab selbst vor vielen Jahren ein FSJ gemacht. Ich habe 252 Euro damals im Monat bekommen. Mit meinem Elternhaus konnte ich mir das leisten, hab weiterhin zu Hause gewohnt und bin damit dann am Ende über die Runden gekommen. Aber für andere ist das keine Option, wenn die vielleicht schon zu Hause ausgezogen sind, da sind 252 Euro lächerlich. Und auch beim Bundesfreiwilligendienst liegt der Höchstsatz in diesem Jahr bei 390 Euro, und das ist schon die absolute Ausnahme, dass das jemand bekommt. Und da sind noch nicht mal Tickets für den öffentlichen Nahverkehr mit drin, es gibt häufig keine Vergünstigungen dort, wo Azubis und Studierende Vergünstigungen bekommen. Also, es ist ein relativ regelungsloser Bereich, bei dem noch viel nachgearbeitet werden kann.
    Bundeswehr "nicht ganz ohne Grund ins Gerede gekommen"
    Zerback: Und was halten Sie davon, da vielleicht mal bei den künftig potenziell Betroffenen nachzufragen auch, beziehungsweise das Volk zu befragen, wie es jetzt der sächsische Ministerpräsident vorgeschlagen hat?
    Kühnert: Auf welcher Grundlage er da eine Volksabstimmung durchführen möchte, erschließt sich mir noch nicht ganz, aber ich würde einfach zunächst mal empfehlen, sich mal mit denen auszutauschen, die heute schon diese Dienste machen. Die können nämlich am besten Auskunft darüber geben, wie das attraktiver gestaltet werden kann, um mehr junge Menschen zu begeistern. Fast alle – ich habe mir noch mal die Statistik angeguckt vom Bundesministerium für Familie und Jugend, die haben die freiwilligen sozialen Jahre der letzten Jahre ausgewertet und auch die Teilnehmenden und die Dienststellen befragt. Fast alle geben an, dass es für sie eine bereichernde Zeit war, dass sie gerne teilgenommen haben, dass sie es jederzeit wieder machen würden. Aber alle, sowohl die jugendlichen Teilnehmenden als auch die Dienststellen haben immer wieder angegeben, die finanzielle Ausstattung ist eine große Hürde für die Beteiligung, und deswegen würden wir es nicht vorbehaltlos weiterempfehlen. Und ich glaube, diesen Hinweis muss man sehr ernst nehmen.
    Zerback: Und was ist mit dem Hinweis auch noch mal speziell auf die Bundeswehr? Da mangelt es ja auch an Personal und an ich weiß nicht was allem. Wär das nicht auch ein adäquates Mittel, um diesen Notstand zu beheben?
    Kühnert: Wie das so ist: Wenn man sich umguckt nach einem Arbeitsplatz, dann versucht man natürlich auch einen Arbeitsplatz zu finden, bei dem es ordentliche Arbeitsbedingungen gibt, und dazu gehört auch eine vernünftige Ausstattung und Sicherheit am Arbeitsplatz. Und nun ist die Bundeswehr nicht ganz ohne Grund in den letzten Jahren ins Gerede gekommen, nämlich weil ständig Material kaputt ist, weil die Ausstattung nicht ordentlich funktioniert, weil die Sachen überaltert sind, mit denen dort gearbeitet wird. Und wenn man dann gleichzeitig hört, dass aus dem Ministerium von Frau von der Leyen jedes Jahr immer wieder Gelder in den Bundeshaushalt zurückfließen, weil sie sie nicht verausgaben konnte, dann fragt man sich natürlich schon, ob man da für mehrere Jahre aufgehoben sein möchte und man dort seine Arbeit vollziehen möchte. Kurzum, ich glaube ehrlich gesagt schon, die Attraktivität der Bundeswehr, wenn man das denn steigern möchte, das tut man wahrscheinlich am besten, indem das Geld mal dort so ausgegeben wird, dass damit auch bei den Soldatinnen und Soldaten was ankommt.
    "Wollen wir jetzt mit ein paar Tausend Wehrpflichtigen das Land verteidigen?"
    Zerback: Mehr Geld für Verteidigung, sagt Kevin Kühnert?
    Kühnert: Nein, nun wirklich nicht. Deswegen habe ich auch eingeschränkt, wenn man das denn möchte. Aber es liegt ja nicht in meiner Hand, und ich hör immer nur die Rufe aus der Union, da müsste man mal was tun. Die haben dieses Ministerium, sie fordern jetzt noch mehr Geld, obwohl seit Jahren Kohle zurückfließt in den Bundeshaushalt. Da ist doch irgendwo ein Widerspruch. Und dass das jetzt als Lückenbüßer wieder Wehrdienstleistende machen sollen, das finde ich schon ehrlich gesagt ein bisschen perfide. Zumal, wenn man sich anschaut, dieses Statement, in dem Frau Kramp-Karrenbauer diese ganze Debatte überhaupt aufgemacht hat – es ist ja verräterisch, wie sie es formuliert. Sie spricht ja davon, dass es um die Verteidigung nach innen und nach außen gehen würde. Und auch der Kollege Sensburg von der Union spricht davon, dass es hier um die Landesverteidigung gerade auch gegenüber USA und Russland gehen würde.
    Zerback: Die AfD auch.
    Kühnert: Ja. Wollen wir jetzt mit ein paar Tausend Wehrpflichtigen irgendwie das Land verteidigen? Und überhaupt, was ist denn das für ein Bild? Machen wir jetzt wieder Stellungskriege irgendwie an der deutschen Landesgrenze? Wirklich, was für eine absurde Diskussion. Die Leute sollen sagen, was sie eigentlich antreibt, und wenn das nun mal der Personalmangel bei der Bundeswehr ist, weil unter den Bedingungen niemand wirklich arbeiten möchte, dann muss man das so deutlich aussprechen, dann muss man aber auch der eigenen Ministerin ein schlechtes Arbeitszeugnis ausstellen.
    Zerback: Aber vielleicht gehört zu der Wahrheit ja dann auch, und auch das sagt Patrick Sensburg von der CDU, dass wir die Wehrpflicht brauchen, weil sich die Welt einfach verändert hat, seit sie abgeschafft wurde. Dass 2018 klar ist, dass Deutschland nicht nur von Freunden umgeben ist.
    Kühnert: Ja, natürlich hat sich die Welt verändert. Die Welt verändert sich permanent. Die Frage ist nur, was hat sich denn an der Ausgangslage geändert in der Sache, seit wir die Wehrpflicht abgeschafft haben? Die ist doch damals unter anderem auch abgeschafft worden, weil man festgestellt hat, dass diese Wehrpflicht, die dahinterstand, faktisch ja gar nicht mehr durchgesetzt wurde, sondern dass ganz wenige junge Menschen nur noch gezogen wurden. Ich hab das in meinem Umfeld damals selbst erlebt. Und dass das Ziel, das damit mal verfolgt wurde, nämlich auch eine gesellschaftliche Verankerung der Bundeswehr zu erreichen, eine Vielschichtigkeit, die war überhaupt gar nicht gegeben, weil im Großen und Ganzen diejenigen über die Wehrpflicht gezogen wurden, die auch freiwillig hingegangen wären. Alle anderen mussten sich nicht sonderlich anstrengen ehrlicherweise, um sich frei zu kriegen von dieser Verpflichtung. Und unter den Umständen macht das relativ wenig Sinn, und das sehe ich nicht, dass das heute wieder anders wäre, außer man möchte zur ganz alten Wehrpflicht zurück, wo es dann quasi gesellschaftliche Ächtung bedeutet hat, wenn man dort den Kriegsdienst verweigert hat. Aber ich glaube, das fordert nun wirklich niemand mehr, außer vielleicht noch die AfD.
    Zerback: Das sagt Kevin Kühnert, der Chef der Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kühnert!
    Kühnert: Sehr gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.