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Allmendinger: Karriere mit Kind ist für Frauen schwer

Dass viele Frauen Familie und Beruf nicht optimal für sich vereinbaren könnte, läge auch an der Unternehmenspolitik: Mütter erhielten Jobs ohne Karriereentwicklung oder bekämen Teilzeitstellen, sagt Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin. Eine Alternative könnten Führungspositionen in Teilzeit sein, ergänzt sie.

Jutta Almendinger im Gespräch mit Jörg Biesler | 10.09.2013
    Jörg Biesler: Dass viele Frauen arbeiten möchten und sie auch gebraucht werden an den Arbeitsplätzen, das ist ja mittlerweile kaum noch umstritten. Aber haben sich außer dem Bewusstsein eigentlich auch die Bedingungen für Frauen geändert, ist es leichter geworden, Kinder und Karriere zu verbinden? "Frauen auf dem Sprung" heißt eine Langzeiterhebung des Wissenschaftszentrums Berlin, des infas Instituts und der Frauenzeitschrift "Brigitte". Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums, ist jetzt am Telefon, guten Tag, Frau Allmendinger!

    Jutta Allmendinger: Guten Tag, Herr Biesler!

    Biesler: 2007 gab es die erste Befragung, jetzt liegt die Zweite vor. Es geht um Lebensentwürfe und Perspektiven von Frauen etwa so zwischen 15 und 35. Die werden natürlich älter im Laufe der Zeit. Das Ergebnis: 2007 war im Grunde, die jungen Frauen werden die Gesellschaft wach rütteln, so war damals das Fazit. Ist das passiert inzwischen?

    Allmendinger: So kann man wohl sagen, zumindest wenn man die Antworten von Männern sich anschaut. Die dachten nämlich 2007 noch, dass Geldverdienen, Karriere Machen für Frauen so relativ unwichtig ist. Und heute haben sie es verstanden, heute sagen 80 Prozent der Männer, ja, für Frauen ist Karriere machen, ist Geldverdienen wichtig. Das heißt, sie unterstützen Frauen darin mehr als bei Kindern.

    Biesler: Und sie haben sich offenbar auch verändert, die Männer, was die Wertschätzung der Frauen angeht. Ich lese in Ihrer Studie als einen hervorgehobenen Punkt, schlau ist das neue sexy. Also, die Ansprüche an Frauen, die an Frauen formuliert werden, haben sich in den letzten fünf Jahren ganz erheblich verändert?

    Allmendinger: Die haben sich erheblich verändert. Und es ist ja interessant, es ist ja eine Langzeitstudie, das heißt, wir haben wirklich dieselben Männer interviewt, nicht andere Männer, sodass wir sehen können, es sind tatsächlich individuelle Einstellungsveränderungen. Und wird heute gesagt, ja, wenn wir Partnerinnen suchen, da möchten wir Partnerinnen, die ihren eigenen Unterhalt verdienen können, die was drauf haben, die eine gute Bildung haben, und dieses Aussehen, das rangiert überhaupt nicht mehr an allererster Stelle. Das ist bemerkenswert, richtig!

    Biesler: Erst mal so weit prima, würde ich sagen, ganz klasse! Also, die Einstellungen scheinen sich verändert zu haben. Insgesamt hat sich denn an den Lebensumständen was geändert, ist es heute leichter, Beruf und Familie zu vereinen?

    Allmendinger: Nun, wenn Sie sagen, Beruf und Familie, so würden alle zustimmen, dass es einfacher ist. Aber den Frauen geht es um mehr, den Frauen geht es um die Wahrnehmung auch von besseren Positionen über die Zeit, sie wollen so etwas wie Karriere machen, sie wollen sich verändern, sie wollen dann auch mal in interessantere Jobs gehen. Und dieses Wort der Karriere ist im Moment hoch umkämpft. Also nicht mehr Erwerbstätigkeit, das bekommt man hin, da haben Betriebe sich umgestellt, bieten mehr flexible Arbeitsplätze, aber tatsächlich diese Karriere zu ermöglichen mit Kindern, das ist für Frauen ganz schön schwer. Und das ist natürlich auch deswegen schwer, weil Männer zwar erwerbstätige Frauen möchten, aber gleichermaßen immer noch sehr, sehr wenig für die Hausarbeit tun.

    Biesler: Ja, ich habe das gerade sozusagen plastisch selbst erlebt, wo nämlich eine Chefin zu einer Mitarbeiterin sagte beziehungsweise zu deren Sohn, der mit dabei war, ach, du bist also der kleine Soundso, deswegen weil du da bist, können wir deiner Mutter nicht mehr Arbeit geben! Das ist immer noch das, was in den Betrieben aktuell passiert?

    Allmendinger: Das ist so, das wäre ja noch nicht das Schlimme, aber viele Betriebe machen es so, dass sie Frauen mit Kindern Arbeiten geben, die eben nicht hin zu besseren Jobs oder Karriereentwicklung führen, sondern das bleiben so immer mehr oder weniger die gleichen Tätigkeiten. Es bleibt dann auch einmal Teilzeit, immer Teilzeit, und das nervt die Frauen, weil sie dann sehen, wie sie von Männern überholt werden und wie sie auch von Frauen ohne Kinder überholt werden. Und dann sagen sie mir in diesen Untersuchungen, dafür habe ich ja nicht studiert! Und es ist wunderbar, eine kurze Zeit Teilzeit zu arbeiten, das möchte ich auch, aber dann möchte ich auch wirklich wieder auf eine gute Position kommen!

    Biesler: Wenn Sie sagen, es nervt die Frauen, haben Sie das Gefühl, dass die wütend sind, empören die sich darüber?

    Allmendinger: Die westdeutschen Frauen sind empört, die westdeutschen Frauen sind auch über ihre Männer empört, während die ostdeutschen Frauen – das liegt mit Sicherheit daran, dass sie schon wesentlich länger Vollzeit erwerbstätig waren, dass auch die Betreuung von Kindern außerhalb der Familie hier schon sehr, sehr lange Zeit gang und gäbe ist –, die meinen viel eher, dass sie das beides so richtig, beides schultern. Dass sie den Haushalt schmeißen, dass sie auch die Erwerbsarbeit hinbekommen, während westdeutsche Frauen, die sagen, wir bekommen eigentlich das, was wir uns im Beruf wünschen, nur dann hin, wenn wir auch die unbezahlte Arbeit, also die Hausarbeit viel fairer zwischen uns und unseren Partnern aufteilen.

    Biesler: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, was eigentlich fehlt, ist eine spezielle Personalentwicklung bei den Unternehmen, die sagt, ja, in unserer Karrierestrategie ist es auch vorgesehen, dass jemand mal für zwei Jahre aussteigt oder jemand danach Teilzeit arbeitet, wir lassen die Frauen, die so etwas machen, dann nicht fallen?

    Allmendinger: Das ist die eine Möglichkeit, die andere Möglichkeit ist, dass man Führung auch in Teilzeit macht, dass man Führungspositionen mit zwei Personen beispielsweise besetzt. Da gibt es ja sehr viele Möglichkeiten. Meine präferierte Möglichkeit ist weit über Betriebe hinausgehend eine gesellschaftliche Diskussion über Zeit. Wir haben eine solche Diskussion über Infrastruktur, Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen sind nichts anderes, wir haben so eine Diskussion über Geld, wenn wir jetzt über Elterngeld, Kindergeld und so weiter und so fort reden. Aber worauf das im Moment hinausläuft, nämlich dass Männer und Frauen Vollzeit, ununterbrochen erwerbstätig sind, das kann kein Muster für eine gute Gesellschaft sein. Und von daher plädiere ich ja auch dafür, die Arbeitszeit, die Normalarbeitszeit zu reduzieren.

    Biesler: Gucken Sie noch mal nach in fünf Jahren, wie es sich entwickelt hat?

    Allmendinger: Nein, das geht mit diesem Ansatz leider nicht, weil diese jungen Frauen und Männer, wir hatten ja im Alter von 17 begonnen, die sind ja hoch mobil, ziehen oft um, und von daher bekommen wir ja bei jeder Befragung etwas weniger. Und das nächste Mal könnte ich bestimmte Analysen, wenn es dann beispielsweise um eine Frage geht, die Sie mir stellen könnten in fünf Jahren, was machen denn ostdeutsche Männer mit niedriger Bildung, da hätte ich dann einfach nicht mehr genug Fälle. Insofern versuchen wir, jetzt eine neue Studie aufzusetzen, wo wir dann auch gleichgeschlechtliche Paare mit einbeziehen, sodass wir dann auch darüber Aussagen machen können, insbesondere natürlich auch Personen mit Migrationshintergrund.

    Biesler: In den Köpfen jedenfalls hat sich schon einiges bewegt, immerhin.

    Allmendinger: In der Gesellschaft auch!

    Biesler: In der Berufspraxis kann noch ein bisschen mehr passieren.

    Allmendinger: Viel mehr!

    Biesler: Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin über die Situation junger Frauen vor der Entscheidung über Kinder und Karriere, danke schön!

    Allmendinger: Tschüss, Herr Biesler!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.