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Alltägliches in XXL

Überdimensionierte Golfbälle oder Eistüten, Tortenstücke oder Fahrräder - die riesigen Kunststoffskulpturen des Claes Oldenburg sind in fast allen europäischen Großstädten zu finden. Und auch wenn diese schrillen Ungetüme nicht von allen Passanten geliebt werden, gehört Oldenburg zu den bekanntesten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Heute feiert der Bildhauer seinen 80. Geburtstag.

Von Carsten Probst | 28.01.2009
    Die Skulpturen von Claes Oldenburg erkennt man meist auf Anhieb. Sie sind oft übergroß, stehen an zentralen Orten, und was sie zeigen, wirkt auf den ersten Blick trivial: eine aufblasbare Torte, ein riesiger Stecker, eine Zahnpastatube, ein Federball. Noch immer reizen diese aufgeblähten, hyperrealistisch gefertigten Großskulpturen dazu, über sie den Kopf zu schütteln, sich über sie zu ärgern - oder auch: Sie einfach anzufassen und spielerisch in Besitz zu nehmen.

    "Das Problem mit Skulpturen ist, dass sie die Tendenz haben, sitzen zu wollen, so wie Bilder die Tendenz haben, hängen zu wollen. Schön, wenn Skulpturen rollen könnten, aber da sie meist sitzen wollen, braucht man einen Platz für sie und irgendwie wirken sie im Museum noch sitzender als draußen. Skulpturen sollten ein eigenes Leben haben, sie sollten nicht unbeweglich, nicht still sein, sondern die Chance haben, sich zu verändern. Nicht in einem Museum gefangen sein. Also wenn sie Lust haben, spazieren zu gehen, dann sollten sie."

    So beschrieb der medienscheue Oldenburg in einem seiner seltenen Interviews das, was ihm bei seinen Arbeiten immer vorschwebt: eine Befreiungsbewegung für Skulpturen.

    Dahinter steckt Oldenburgs Ansicht, dass Museen oder auch öffentliche Plätze als Orte der Kunst sich eigentlich überlebt haben. Dass sie eine Vorstellung von Kunst repräsentieren, wie sie das 19. Jahrhundert geprägt hat. Doch für ihn hat die Kunst eine andere Funktion:

    "Ich bin für eine Kunst, die sich mit dem alltäglichen Dreck herumschlägt und am Ende trotzdem obenauf ist. Ich bin für eine Kunst, die das Menschliche imitiert, die komisch ist, falls nötig, oder gewalttätig oder was sonst gerade notwendig ist","

    gab Oldenburg 1961 in seinem berühmten "Store-Manifest" bekannt. Damals gehörte er in New York zur Generation junger Künstler, die mit dem edlen, abgehobenen "Abstrakten Expressionismus" eines Jackson Pollock abrechneten.

    Oldenburg, der am 28. Januar 1929 in Stockholm als Sohn eines schwedischen Diplomaten geboren worden und erst mit sieben Jahren nach Chicago gekommen war, bezog sich ähnlich wie die anderen Pop-Artisten Andy Warhol oder Robert Rauschenberg kritisch auf die Realität des ungebremsten Konsums, die alles in den USA dominierte.

    Seine Vorbilder waren die Dadaisten wie Kurt Schwitters oder die frühen Surrealisten. Seine riesigen Skulpturen von Alltagsdingen symbolisieren buchstäblich die aufgeblähte Welt des Konsums, dessen Teil die Kunst - so sein Credo - selbst längst geworden ist. Passagen aus seinem "Store-Manifest" lesen sich heute wie Vorformulierungen kommender Werke:

    ""Ich bin für eine Kunst der Unterwäsche und die Kunst der Taxis. Ich bin für die Kunst der Eistüten, die auf das Trottoir gefallen sind. Ich bin für die majestätische Kunst von Hundehaufen, die wie Kathedralen aufragen."

    Die Eistüte lässt sich noch heute in Köln bewundern, wenn auch nicht auf dem Trottoir, sondern auf der Kante eines Hochhauses in der Innenstadt. Weitere bekannte Werke Oldenburgs in Deutschland sind seine riesige "Spitzhacke", die er 1977 anlässlich der documenta in Kassel hinterließ, oder die gigantische flatternde Krawatte und die Perlenkette vor einem Frankfurter Bankenhochhaus, die er mit seiner Frau, der niederländischen Künstlerin Coosje van Bruggen, herstellte.

    Mittlerweile, so scheint es, sind die Skulpturen dieses Großmeisters der Pop-Art selbst zu Denkmälern, zu selbstverständlichen Punkten des Straßenlebens geworden.