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Alt, abgebrannt, abgehängt

Massenhaft drohende Altersarmut wird zu einer der großen Herausforderungen unserer Gesellschaft werden. Doch schon heute hat Armut im Alter viele Gesichter. Lange wurde das Phänomen ignoriert, jetzt hat die Politik das Thema entdeckt.

Von Susanne Grüter | 22.11.2012
    "Wir wissen, angesichts des demografischen Aufbaus unserer Bevölkerung werden wir in den nächsten Jahren hin zum Jahr 2030 Absenkungen des Rentenniveaus haben. Wir sagen, nicht tiefer als 43 Prozent, aber wir müssen eben mit deutlich unter 50 Prozent rechnen. Stundenlöhne von unter zehn Euro werden bei einem Rentenniveau deutlich unter 50 Prozent mit Sicherheit auch nach langjähriger Erwerbstätigkeit in Zukunft zu einer Situation führen, dass man keine Rente bekommt in der Höhe der Grundsicherung."

    Sogar die Bundeskanzlerin malt das, was da kommen wird, in düsteren Farben. Viele Rentner von morgen werden auf staatliche Hilfe angewiesen sein. Es kann selbst diejenigen treffen, die dann 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Die drohende Altersarmut wurde lange ignoriert. Jetzt hat die Politik das Thema entdeckt. Zwar wird das Phänomen erst in Zukunft zum großen Problem, doch es existiert auch heute schon. Altersarmut hat viele Gesichter.

    "Du weißt Bescheid, die Kundin kennst du ja, Auto ist gesteckt, Schlüssel hängt im Schrank, und ich denke, dann wünsch’ ich dir 'ne ruhige Tour, und wenn was ist, meldest du dich."

    Diensteinteilung morgens in einer Station der Diakonie in Köln. Karin Sochatzy [Name geändert] arbeitet in der mobilen Altenpflege und hilft beim Waschen, Umbetten, Stützstrümpfe anziehen, Frühstück machen. Karin Sochatzy hat einen 400-Euro-Job – mit 72.

    "Angefangen habe ich bei der Diakonie 1998, und in Rente bin ich seit elf Jahren, ein alter Hase, ja, in der Richtung."

    Sie war zuvor über 20 Jahre in einem Textilgeschäft angestellt, das dann aber Pleite gemacht hat. Mit Ende 50 – eine neue Stelle? Aussichtslos. In einem Inserat entdeckt sie einen Fortbildungskurs für den mobilen Pflegedienst. Seither hat sie einen Minijob.

    " Sochatzy: "Schönen guten Morgen"
    Mann: "Guten Morgen."
    Sochatzy: "So, jetzt wollte ich Ihnen ja die Tabletten bringen."
    Mann: "Alles in Ordnung sonst, bis auf den Nierenstein.""

    Der alte Herr kommt allein nicht mehr zurecht, kann aber dank Karin Sochatzys Pflege in seiner Wohnung bleiben.

    ""Na gut, so, dann sehen wir uns die Tage wieder, bis dahin sage ich mal tschüss"
    "Joh, tschöö."

    Ans Aufhören denkt die rüstige Rentnerin nicht, kann sie auch nicht. Sie bekommt an gesetzlicher Alterssicherung um die 800 Euro im Monat und muss davon alles zahlen: Miete, Strom, Telefon. Sie ist auf den Minijob angewiesen, zu einer privaten Vorsorge hat es nie gereicht.

    "Früher war das ja so, dass ich noch zwei Kinder zu Hause hatte, da war auch nicht viel mit Sparen, wenn Sie alleine sind, also ich habe noch nie üppig gelebt, das ist einfach so."

    Dennoch will Karin Sochatzy nicht klagen, denn sie ist noch fit genug, um dazuverdienen zu können, im Gegensatz zu denen, die sie pflegt. Ihr begegnet viel Leid und Armut im Alltag. Manchmal fühlt sie sich deprimiert.

    "Deprimiert in dem Sinne, einmal finde ich das dann traurig, das ist schon richtig, und dann denke ich immer an die zweite Überlegung, ich bin ja vielleicht auch bald so alt, und ich habe ja auch nicht viel Rente, das wird ja immer schlimmer, und was mache ich dann?"

    Diese Frage stellen sich viele Rentner mit Minijob. In einer offenen Ganztagsschule in Bonn ist Selma Aydin [Name geändert] aushilfsweise beschäftigt, auch auf 400-Euro-Basis. Seit 20 Jahren übt die 65-Jährige verschiedene Tätigkeiten für die Diakonie aus. Als junge Pharmazie-Studentin kam sie aus der Türkei nach Deutschland, eigentlich nur zu Besuch, lernte dann aber ihren türkischen Mann kennen und heiratete hier. Auch Selma Aydin muss weiter arbeiten.

    "Meine Tochter wohnt noch bei mir, sie ist erwachsen, krank, und nur mit Rente komme ich gar nicht zurecht. Ich kriege von meinem Mann Witwenrente, um die 800, ja aber das reicht nicht, Miete ist teuer."

    "Natürlich bereue ich, dass ich mein Studium nicht zu Ende gemacht habe, aber das hat sich so ergeben. Ich hätte gern voll gearbeitet natürlich, aber das wollte mein Mann nicht. Bei uns ist es anders als bei deutschen Leuten, in der jetzigen Generation wieder anders - und wenn man nicht gesund bleibt, das wird schwierig, mein einziger Wunsch, gesund bleiben."

    Die Zahl der Senioren mit Minijob ist kontinuierlich gestiegen, im letzten Jahrzehnt um fast 60 Prozent. Wie viele Alte tatsächlich arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen, darüber gibt es keine Angaben. Ab 2013 dürfen Minijobber monatlich 450 Euro verdienen, also 50 mehr als bisher.

    Das wird jedoch nichts daran ändern, dass in Zukunft gerade die Minijobber von Altersarmut bedroht sind. Geringverdiener, Langzeitarbeitslose und Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien, das sind die Verlierer des deutschen Rentensystems.

    "Die größte Anzahl sind die Frauen, die durch die Familienarbeit daran gehindert waren, ein durchgehendes Arbeitsleben zu haben, das ist das Traurige, insbesondere wird es Frauen treffen."

    Die Kölner Sozialdezernentin Henriette Reker hat Kurven und Tabellen vor sich auf dem Tisch liegen. Die Renten von Frauen sind in Westdeutschland im Durchschnitt nur halb so hoch wie die der Männer. Eine weitere Zahl beunruhigt sie. 67 Millionen Euro gibt die Stadt in diesem Jahr für die Grundsicherung aus.

    "Wenn wir uns unsere Statistik anschauen, dann ist das seit Beginn der Grundsicherung ein Anstieg um 34,1 Prozent, das heißt, es ist eine jährliche Steigerung eingetreten, die jetzt allmählich für die Stadt auch zur Belastung wird. Aber der Bund hat das ja erkannt, das geht allen Kommunen so und hat darum auch die Beteiligung an der Grundsicherungsleistung der Kommunen gesteigert bis zu Hundert Prozent in 2014, dann wird das also eine Bundesleistung sein."

    Anspruch auf Grundsicherung haben Rentner, deren Einkünfte zum Lebensunterhalt nicht ausreichen. Diese staatliche Unterstützung aus Steuergeldern, 2003 eingeführt, entspricht dem Hartz-IV-Satz, also durchschnittlich 680 Euro. Eigenes Einkommen und Vermögen werden dabei angerechnet. Bundesweit sind rund zwei Prozent der 20 Millionen Rentner darauf angewiesen. Tendenz steigend.

    Das hängt auch mit der Rentenreform von 2001 zusammen. Seither fällt das Niveau der Alterssicherung stetig, um die Beitragssätze, um das System langfristig stabil zu halten. Das Bundesarbeitsministerium weist darauf hin, dass sinkende Renten aber nicht gleichbedeutend seien mit weniger Wohlstand im Alter. Vielmehr hätten Mieteinnahmen, Kapitaleinkünfte oder Betriebsrenten an Bedeutung gewonnen.

    Das Drei-Säulen-Modell – gesetzliche Rentenversicherung, Betriebsrenten und private Altersvorsorge sollte die sinkenden Renten abfedern. Roswitha Verhülsdonk, ehemalige Staatssekretärin im Familienministerium, CDU-Sozialpolitikerin und heute im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, sieht noch ein zusätzliches Problem.

    "Die derzeitige rentennahe Generation, also die meiner Kinder, sage ich mal, die um 50-Jährigen, haben natürlich große Probleme, den wegfallenden Teil der gesetzlichen Alterssicherung durch das Abschmelzen des Rentenniveaus aufzufangen durch eigene Vorsorge. Denn je kürzer die Laufzeit ist für eine solche private Absicherung, desto teurer ist sie."

    Hinzu kommt, dass sich gerade Geringverdiener private Vorsorge kaum leisten können. Das Rentensystem läuft langfristig nicht mehr rund. Immer mehr Beitragszahler müssen damit rechnen, am Ende durch das Sicherungsnetz zu rutschen. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP will daher jetzt in einem ersten Schritt die Rente für Niedrigverdiener aufstocken.

    "Die neue Regelung zur Bekämpfung der Altersarmut, die Rente nach Lebensleistung, die wir jetzt einführen, die Zuschussrente mit neuem Namen, da ist ganz wichtig, dass diese Männer und Frauen wissen, am Ende, wenn sie 40 Jahre eingezahlt haben, sie haben ihre eigene Rente, sie müssen nicht zum Sozialamt, und die private Vorsorge gibt es obendrauf. Es lohnt sich, und das ist neu."

    Wohl nur wenige kämen in den Genuss dieser aufgestockten Rente – und sie müssten sich unterm Strich mit einem Betrag begnügen, der gerade einmal rund zehn bis 15 Euro höher läge als die Grundsicherung im Alter.

    "Kein Fleisch, keine Soße, guten Appetit, mehr?, mehr, reicht es, nicht so viel Soße."

    Die Tafel "Oase" in Bonn öffnet zwei Mittage in der Woche ihre Türen. Warmes Essen, Brot und Kuchen stehen zur Auswahl. Der Andrang ist groß. Immer mehr verarmte Senioren aus dem Viertel nehmen an den gedeckten Tischen Platz. Ute Jäger, ehrenamtliche Helferin der Tafel, weiß: Kaum jemand hier hätte eine Chance auf die aufgestockte Rente nach Lebensleistung. Und selbst wenn:

    "Was sind denn zehn Euro mehr pro Monat, was ist denn das? Das reicht hinten und vorne nicht, die Strompreise steigen, die Heizungskosten steigen, alles wird wahnsinnig teuer, und dann sind zehn Euro ein Tropfen auf den heißen Stein. Das bringt nichts, und wenn man dann noch den jungen Müttern sagt, bleibt zu Hause, erzieht eure Kinder, dafür kriegt ihr ein bisschen Geld, da fehlt auch im Rententopf hinterher was, ist auch unsinnig."

    "Ich denke, dass sie zu einem ganz großen Teil sehr, sehr stark am Existenzminimum herumkrebsen, und von daher glaube ich nicht, dass das viel bringt für sie. Die Probleme werden weiter da sein. Oft ist ja auch eine sehr lange Arbeitslosigkeit schon der Hintergrund, weswegen dann auch so eine kleine Rente dann nachher nur da ist."

    Der Diakon Ralf Knoblauch kümmert sich um die, die der Staat vergessen hat. Oder die, die nicht wissen, wie sie überhaupt Unterstützung beantragen können.

    "Oft sind die Menschen auch einfach mit den bürokratischen Anforderungen überfordert, also eine Seniorin aus der Ukraine, die nur ganz wenig Deutsch versteht, kann einfach gewisse Anträge alleine gar nicht ausfüllen, und dann bleibt das liegen, wird verschleppt, dann fallen wieder weitere Gelder weg, werden wieder weiter gekürzt, und so verschärft sich im Grunde die Armutssituation immer mehr."

    "Ich bin schon längere Zeit chronisch krank, und es war nicht möglich, die Arbeit weiterzumachen, wo ich gearbeitet habe in der Schule. Seit 2009 bin ich jetzt Rentner offiziell, Erwerbsunfähigkeitsrente. Ich bekomme etwa 540 Euro von der Rentenversicherung. Ich hab gewisse Ersparnisse und davon lebe ich halt, sonst könnte ich jetzt Grundsicherung beantragen, und das ist das Demütigendste, was es gibt. Da muss man alles offenlegen, was man hat, und es ist so wenig, dass man davon nicht leben kann, von der Grundsicherung, das ist haarsträubend."

    Karl Schäfer kommt regelmäßig zur Tafel, ebenso wie Helga Weiser, die sechs Kinder großgezogen hat.

    "Ich werde 64, habe Knochenporose, einen Schatten auf der Lunge, und das war es dann mit arbeiten gehen. Ich habe immer nach Putzstellen gesucht, wo ich noch ein bisschen Geld verdienen könnte, aber die wollten mich dann nicht mehr. Ich kann nicht lesen und schreiben, und ich muss alles, was an Post kommt, entweder frage ich den Herrn Knoblauch oder meine älteste Tochter. Meine Eltern waren Schausteller, ich bin nie in die Schule gegangen."

    Und das betreffe bei Weitem nicht nur Alte oder Migranten, erklärt die ehrenamtliche Helferin Ute Jäger:

    "Die Kinder, die schon von klein auf keine Chancen haben, weil sie in bildungsfernen Elternhäusern groß werden, die haben auch keine Chancen, einen gescheiten Job zu kriegen, die haben auch keine Chancen zu verdienen, dass sie sich das alles leisten können, was es heute kostet. Und das gibt dann den Berg armer Menschen, alter Menschen von morgen."

    Für Diakon Ralf Knoblauch ist nicht nur die Armut der alten Menschen selbst bedrückend, sondern auch die Folgen dieser Armut wie zum Beispiel das Ausgegrenztsein und die wachsende Vereinsamung.

    "Zunehmend beerdige ich Menschen, wo ich ganz alleine da bin, wo keine Angehörigen mehr da sind, und das sind dann Beerdigungen, die sind dann vom Sozialamt verordnet, wo man dann zum Teil die Verstorbenen erst nach Wochen hier findet in den Wohnblocks, weil dann irgendwelche Nachbarn doch mal die Polizei rufen oder so. Das wird auch immer mehr. Das ist ganz traurig, ja."

    "Wir helfen hier, wie wir können, aber vom Grund des Übels können wir ja auch nichts machen, und ich glaube, auch die Politiker werden das nicht hinkriegen."

    Auch bei der Arbeiterwohlfahrt in Siegburg ist Altersarmut längst ein Thema. Und es sind eben nicht nur bildungsferne Schichten, die betroffen sind, weiß Geschäftsführer Werner Dobersalske:

    "Krankheit ist ein Grund mit Sicherheit, Krankheit innerhalb der Familie, dass ein Partner einen Schicksalsschlag hat, dass eben dann Ersparnisse aufgezehrt werden und an sich der schöne Lebensabend, den man sich erhofft hat, von dem Häuschen oder meinetwegen von den 50.000 oder 100.000 Euro, die man sich erspart hat, die dann plötzlich für Pflegekosten, für Krankenhaus, für all diese Dinge draufgehen, und dann war es das mit den Träumen von dem gemeinsamen Ruhestand in ein bisschen Wohlstand, sondern dann kann ganz schnell der harte Fall in die Armut, ins Elend kommen."

    Auch auf politischer Ebene wird weiter über die Altersarmut nachgedacht. Die SPD will am Samstag auf ihrem Parteikonvent ein Konzept verabschieden. Geplant sind zum Beispiel eine Solidarrente von 850 Euro für langjährig Versicherte, und statt einer Beitragssenkung, wie die Regierung es vorsieht, der Aufbau einer Nachhaltigkeitsreserve. Die Rente mit 67 soll ausgesetzt werden, bis die Wirtschaft ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer bereitstellt. Vor allem aber fordert die SPD einen Mindestlohn, an vorderster Front der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel:

    "Am Anfang der Debatte über eine sichere Rente und den Kampf gegen Altersarmut steht der Kampf dafür, dass es faire Löhne gibt. Wir Sozialdemokraten werden uns deshalb vor allem an den konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der Erwerbsarmut und zur Bekämpfung prekärer Beschäftigung messen lassen."

    Die politische Diskussion über die Altersarmut verfolgt Werner Dobersalske sehr aufmerksam – und über manche Vorschläge kann er sich nur ärgern.

    "Wenn die über Renten sprechen, dann sprechen die über Rente mit 67, mit 68 und mit 70 oder wie, und all dieses sind Rentenkürzungen, darum geht das, und das ist letztlich ein Umverteilungskampf, der mit immer neuen Schlagwörtern geführt wird."

    "Bisschen kleiner, das ist für uns alle so was Herrliches hier, das glauben Sie gar nicht, der Tratsch, der Klatsch, das Umfeld, wunderbar, wir fühlen uns so was von wohl hier, Sahne haben wir im Angebot, zur Selbstbedienung."

    Im Gemeinschaftsraum treffen sich die Mieter der 54 barrierefreien Seniorenwohnungen der Arbeiterwohlfahrt zum Kaffee. Mit diesem Projekt will die AWO ein Zeichen setzen und armen Senioren ein altengerechtes Wohnen ermöglichen - für geringe Mieten.

    "Ich habe eine Mieterin, die vorher auf einem Campingplatz gewohnt hat und so auch wieder zu einem normalen Wohnraum gekommen ist, was sie sich sonst nicht hätte leisten können, und wo sie auch sonst aufgrund ihrer Behinderung hätte nicht mehr wohnen können."

    Erzählt die Leiterin der Wohnanlage Ute Stah. Nur wer einen Wohnberechtigungsschein hat, darf hier wohnen. Die Senioren sollen außerdem so aktiv wie möglich bleiben und sich gegenseitig helfen.

    "Man achtet auf seinen Nachbarn, man bekommt mit, wenn einer eine Grippe hat oder ähnliches, und es wird gefragt, ob man für den einen mit einkaufen kann, ob man vielleicht eine Suppe mitkochen kann. Das ist auch meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass genau das im Fokus steht und die Menschen hier nicht vereinsamen."

    Um auf das Thema Altersarmut aufmerksam zu machen, hat die Arbeiterwohlfahrt Siegburg gemeinsam mit der Bonner Fotografin Cynthia Rühmekorf eine Ausstellung initiiert, die ständig durch neue Fotos ergänzt wird und in verschiedenen Städten zu sehen ist. Cynthia Rühmekorf beschreibt ihre Bilder und die Menschen, die ihr begegnet sind.

    "Der Herr hat sein Leben lang gearbeitet als Möbelpacker und ist jetzt 71 und die Knochen können halt nicht mehr so gut, und er ist aus der Wohnung geflogen und wusste jetzt nicht, was er machen sollte, hat nur eine kleine Rente und ist in die Notunterkunft gekommen. Was aber bei dem Herrn toll ist, der hat einen kleinen Schrebergarten, wo er vier oder fünf Hühner hat. Hier sieht man ihn, da war gerade die Tafel, die haben Kuchen gebracht."

    "Dann wiederum habe ich zum Beispiel eine Frau fotografiert, die ist 80, die hatte jahrelang einen Kiosk, also sie kann das jetzt nicht mehr, der Kiosk ist weg, der Mann ist gestorben, und sie hat nix, selbstständig gewesen."

    Die Fotografin beobachtet nicht nur und knipst ab, sondern sie nimmt sich Zeit und stellt eine Beziehung her zu den Portraitierten, wie zu einem älteren Herrn, der die öffentlichen Müllkörbe durchsucht.

    "Ich habe mich mit ihm getroffen, morgens um halb sieben zum Flaschensammeln, und das war schon ein harter Job, zwei Stunden haben wir, glaube ich, gebraucht, um 3,78 Euro oder so zu sammeln. Ja, das war schon mal so eine Erfahrung."

    Ansätze, einer Altersarmut zu begegnen, gibt es längst: Meist aber sind es private Initiativen oder solche sozialer Verbände. AWO-Geschäftsführer Werner Dobersalske sieht alle gemeinsam in der Pflicht – auch die Politik:

    "Ich glaube, dass wir da noch einiges an Druck erzeugen müssen gemeinsam auch mit den anderen Wohlfahrtsverbänden, dass in der Tat nach Hilfsmöglichkeiten intensiv gesucht wird, weil man kennt die Situation der Kommunen, die sagen, es ist kein Geld da, was sollen wir alles machen. Aber nichts machen ist im Endeffekt erheblich teurer als jetzt zu investieren, in Prävention zu gehen."


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