Freitag, 29. März 2024

Archiv


Alte Waffe, neues Ziel

Seit mehr als einem Jahr wütet das Mers-Coronavirus auf der arabischen Halbinsel. Die Betroffenen leiden an Lungenentzündung, Atemnot und Organversagen. Nun gibt es einen Hoffnungsschimmer in Sachen Therapie: Zwei altbekannte antivirale Medikamente könnten Mers-Coronaviren offenbar in Schach halten.

Von Marieke Degen | 09.09.2013
    Wenn Patienten schwer am Mers-Coronavirus erkrankt sind, dann bleibt den Ärzten nur eines: Sie bringen die Patienten auf die Intensivstation, wo sie überwacht, beatmet und ihre Organe unterstützt werden. Medikamente gegen Mers gibt es nicht. Jeder zweite, der nachweislich mit dem Mers-Coronavirus infiziert ist, stirbt.

    "Ich denke, die Ärzte tun, was sie können. Das Problem ist, dass die schweren Fälle oft zu spät in die Klinik kommen. Es handelt sich dabei auch meistens um ältere Menschen oder Patienten, die zusätzlich an anderen Krankheiten wie Krebs oder Diabetes leiden. Das macht eine Behandlung ziemlich schwierig. Ärzte setzen da im Moment auf die Intensivmedizin, aber wir müssen jetzt einen Schritt weitergehen und eine gezielte Therapie für diese Patienten finden."

    Heinz Feldmann ist Virologe bei den National Institutes of Health in Hamilton, USA. Die Ärzte brauchen Medikamente, die gezielt Mers-Coronaviren bekämpfen – und die schnell verfügbar, also bereits auf dem Markt sind. Heinz Feldmann und sein Team sind, nach diversen Experimenten, fündig geworden. Es handelt sich um die altbewährten antiviralen Mittel Ribavirin und Interferon.

    "Ribavirin setzt direkt am Virus an und verhindert, dass sich die Viren vermehren. Interferon aktiviert die körpereigene Abwehr, die die Viren zusätzlich bekämpft."

    Nach ersten Tests in der Zellkultur war klar: Die Mittel wirken am besten gegen Mers-Coronaviren, wenn sie beide gleichzeitig verabreicht werden. Das wird auch schon gemacht, zum Beispiel bei der Behandlung von Hepatitis C. Die Forscher haben dann Rhesusaffen mit Mers-Coronaviren infiziert und die Kombinationstherapie an ihnen getestet.

    "Rhesusaffen können wie Menschen an MERS-Coronaviren erkranken. Sie haben ähnliche Symptome, aber in einer milderen Form. Die Affen sterben nicht daran, nach ein paar Tagen haben sie die Infektion normalerweise überstanden."

    Nach drei Tagen haben sie die Affen getötet und obduziert. Sie hatten praktisch keine Symptome, ihre Lungen war kaum angegriffen und sie hatten deutlich weniger Viren im Körper. Die Forscher hoffen, dass die Therapie auch beim Menschen anschlägt. Doch ob die Ärzte auf der arabischen Halbinsel die Medikamente tatsächlich einsetzen, bleibt ihnen überlassen.

    "Ribavirin und Interferon haben Nebenwirkungen, und es gibt Kontraindikationen. Der Ärzte müssen entscheiden, ob und unter welchen Umständen er die Kombinationstherapie einsetzt. Aber: Es ist eine Option. Und es ist die einzige, die wir im Moment haben."

    Wahrscheinlich wirkt die Therapie am besten, wenn sie den Mers-Patienten so schnell wie möglich gegeben wird. Das ist bei schweren Atemwegserkrankungen die Regel – je früher behandelt wird, desto besser. Ob die Medikamente auch Patienten helfen, die bereits sehr schwer erkrankt sind, ist allerdings offen.

    "Das ist schwierig zu sagen. Wenn die Viruslast hoch ist, wenn sich die Viren bereits in den Atemwegen und auch sonst im Körper vermehren, dann kommen die Medikamente möglicherweise zu spät."

    Ribavirin und Interferon seien keine Wundermittel, sagt Heinz Feldmann. Die Suche nach Therapien muss weitergehen.

    "Es ist ein Anfang. Die Mittel sind weit verbreitet und leicht zu bekommen. Sie werden seit Jahren beim Menschen eingesetzt, und die Nebenwirkungen sind bekannt und in den Griff zu bekommen. Aber hoffentlich werden wir oder andere noch bessere, wirksamere Wirkstoffe gegen Mers-Coronaviren finden."