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Alter Bau, hohes Risiko

Nach den Störfällen im Atomkraftwerk Krümmel haben Umweltverbände davor gewarnt, die Laufzeiten für alte Kernmeiler zu verlängern. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) weist in einer neuen Studie darauf hin, dass ältere Atomkraftwerke das Sicherheitsrisiko deutlich erhöhen.

Von Dieter Nürnberger | 06.08.2009
    Die Hauptaussage der Studie ist, dass längere Laufzeiten für alte Atomkraftwerke deutlich das Störfallrisiko in Deutschland erhöhen würden. Unter anderem deshalb, weil viele Atomkraftwerke derzeit nicht mehr den modernen Sicherheitsstandards genügen würden.

    Konkret lässt sich aus Sicht des BUND also sagen, dass das Risiko, welches ohnehin bei der Atomkraft generell bestünde, mit dem Alter der AKW noch zunehme: Ein zusätzliches Risiko, sagt Oda Becker. Sie ist Physikerin und hat diese heute vorgestellte Studie im Auftrag des Bundes für Umwelt- und Naturschutz verfasst. Sie nennt ein Beispiel für diese erhöhte Störanfälligkeit.

    "Brunsbüttel 2004: Da gab es einen Kurzschluss in einem Starkstromkabel. Dadurch wurde eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst. Man hat dann die Ursachen untersucht. Man stellte Alterungsschäden im Kabel fest. Es wurden weitere Kabel untersucht. Fast alle Kabel wiesen derartige Schäden auf. In den Jahren davor wurden diese Kabel nie untersucht. Es war also nicht verwunderlich, dass solche Schäden auftraten. Verwunderlich ist aber, warum der Betreiber keine Vorsorge getroffen hat."

    In der Studie wird deshalb auch vor einem Ausfall der Stromversorgung in Atomkraftwerken gewarnt. Atomkraftwerke verfügen zwar aus Sicherheitsgründen über eine mehrfache Anbindung an das öffentliche Netz, zudem auch über eine eigene Notstromversorgung. Allerdings hätte ein Vorfall in Schweden 2006 gezeigt, dass diese notwendige Eigenstromversorgung auch anfällig sei. Die Notstromversorgung sei eine Schwachstelle, so die Autorin.

    Auch die in der Vergangenheit sicherlich gewachsene Terrorgefahr spielt in der Untersuchung eine Rolle. Wie gut sind Reaktoren da geschützt? Thorben Becker ist der Atomexperte des BUND:

    "Es ist völlig klar, dass einige alte Anlagen aufgrund ihrer Konstruktion - was die Wandstärke angeht, auch die Positionierung des Brennelementelagers spielt da eine Rolle - ein besonderes Risiko darstellen. Es ist auch klar, dass diese Anlagen nicht einmal den Absturz eines kleineren Flugzeuges, geschweige denn einen direkten Angriff, überleben würden. Dann droht eine große Katastrophe. Es sollte auch klar sein, dass nicht ein einziges Kraftwerk, auch nicht die neueren, einen direkten Angriff mit einem Passagierflugzeug, also das Szenario des 11. September, überstehen würden. Risikolose Atomenergie gibt es nicht. Aber das Risiko ist gerade bei den alten Anlagen besonders hoch und unverantwortlich, sodass diese Anlagen möglichst sofort stillgelegt werden sollten."

    Letztendlich seien nur wenige der deutschen Atomkraftwerke gegen einen Terrorangriff aus der Luft einigermaßen gesichert, so die Autorin der Studie. Beispielsweise durch eine extra starke Ummantelung mit Stahlbeton. Bis zu zwei Meter dick seien diese Ummantelungen bei modernen Reaktoren, ältere Meiler hingegen hätte mitunter nur eine Schutzwand von 60 Zentimetern Stärke. Und auch die inzwischen teilweise umgesetzten Vernebelungsstrategien gegen Angriffe von oben könnten da nicht verlässlich schützen, sagt Oda Becker, die Verfasserin der Studie.

    "Von den 17 betriebenen Atomkraftwerken wären hinsichtlich der Gefahr eines Flugzeugabsturzes 14 betroffen, davon sieben stark. Acht Anlagen, um die geht es in der Studie, zählt man in Deutschland zu den Altanlagen. Sie gehören zu Baulinien, die den Ältesten entsprechen. Das sind einmal die Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 und die Druckwasserreaktoren der zweiten Baulinie."

    Das heißt beispielsweise: Die Reaktoren Brunsbüttel und Krümmel oder Biblis A und B sowie das Kernkraftwerk Unterweser seien unter dem Aspekt der Terrorgefahr nicht sicher - aus Sicht des BUND. Die Studie sagt zudem, dass Sicherheitsbedenken durch Alterung der Anlagen auch nicht immer durch Nachrüstung behoben werden könnten.

    Als Konsequenz aus den Ergebnissen der Studie fordert der Umweltverband, dass die Verlängerung der Laufzeiten in Deutschland tabu sein sollte. Thorben Becker vom BUND:

    "Die Debatte gibt es ja schon. Gerade auch nach dem Störfall in Krümmel und den festgestellten Problemen in Biblis A und Brunsbüttel. Wir müssen also aus Sicherheitsgründen die ältesten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz nehmen. Wir dürfen auch keinen Deal mit den Stromversorgern eingehen. Sie müssen stillgelegt werden. Es dürfen die Strommengen nicht auf neuere Kraftwerke übertragen werden, weil dies ja dazu führen würde, dass diese Kraftwerke dann wiederum so lange laufen würden, dass wir da auch irgendwann über Alterungsprobleme nachdenken müssen."

    Die Atomkraft sei ohnehin eine Risikotechnologie, so der BUND. Allerdings würden ältere Meiler dieses Risiko zusätzlich noch erhöhen.