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Alternativer Nobelpreis für Literatur
Crowdfunding statt Schwedische Akademie

Nach dem Zerwürfnis der Schwedischen Akademie, ausgelöst durch Belästigungs- und Untreuevorwürfe, wurde die Vergabe des Literaturnobelpreises für dieses Jahr ausgesetzt. Nun haben Kulturschaffende eine "Neue Akademie" gegründet, die am 10. Dezember einen "Alternativen Nobelpreis" vergibt.

Von Carsten Schmiester | 11.07.2018
    Dachspitze der Schwedischen Akademie in Stockholm: Hier werden jedes Jahr die Nobelpreise bekanntgegeben.
    Dachspitze der Schwedischen Akademie in Stockholm. Dieses Jahr vergibt eine "Neue Akademie" einen "Alternativen Literatur-Nobelpreis" (imago/stock&people/Jochen Tack)
    "Wir haben eine neue Akademie gegründet, um die Menschen daran zu erinnern, dass Literatur dazu da ist, um Demokratie zu fördern, Transparenz, Mitgefühl und Respekt – und das ohne Privilegien, Arroganz und Sexismus!" Mehr als 100 schwedische Intellektuelle, Schauspieler, Autoren, Regisseure und Journalisten setzen ein Zeichen gegen die Zwangspause des Literatur-Nobelpreises. Das traditionelle Vergabegremium, die alte, aber derzeit nicht besonders ehrwürdige Schwedische Akademie, hatte ihn nach Belästigungs- und Untreuevorwürfen gegen den Ehemann eines Mitgliedes und einem tiefen internen Zerwürfnis in der Folge für dieses Jahr ausgesetzt. Angeblich soll der Preis im kommenden Jahr dafür doppelt vergeben werden, aber solange wollten die Gründer der "Neuen Akademie" nicht warten. Sie haben ihren eigenen alternativen Literaturnobelpreis ausgelobt. Er ist mit knapp 100.000 per crowdfunding übers Internet und Spenden zusammengekommenen Euro dotiert und wird, wie die "regulären" Nobelpreise, am 10. Dezember in Stockholm vergeben.
    Konstruktive Kritik an der Schwedischen Akademie
    Eine der Gründerinnen der "Neuen Akademie" und deren Sprecherin ist die Schauspielerin und Komikerin Bianca Kronlöf, die es - wie alle anderen – mit dem Preis aber ernst meint und ihn auch als konstruktive Kritik an der anderen, der alten Schwedischen Akademie sieht. "Bücher und Literatur sind viel zu wichtig für eine kleine zerstrittene Skandaltruppe, die sich nicht einigen kann. Also springen wir ein und helfen. Erst einmal gibt es aber viele fantastische und kluge Bibliothekare im Land. Die wissen, was wirklich gelesen wird, und haben Kandidaten nominiert."
    Abstimmung im Netz
    Die Voraussetzung war: Vorgeschlagene Autoren mussten mindestens zwei Bücher veröffentlicht haben, eines davon in den vergangenen zehn Jahren. Jetzt stehen 47 Namen auf der Liste der "Neuen Akademie", unter anderem Margaret Atwood, Ian McEwan, Amos Oz, aber auch Patti Smith oder J.K. Rowling. Bekannte Autoren und nicht so bekannte mit anspruchsvollen Werken und solche mit Rekordauflagen, Stichwort "Harry Potter". Bis Mitte August können nun auf der Website www.dennyaakademien.com Menschen überall auf der Welt diese Liste anschauen und sich per online-Abstimmung für ihren persönlichen Preisträger entscheiden.
    Offener Entscheidungsprozess statt Geheimnistuerei
    "Jetzt haben also die Leute die Wahl. Aus den drei Autoren mit den meisten Stimmen und einem nur von den Bibliothekaren benannten, wählt dann unsere Spezialjury den Preisträger oder die Preisträgerin aus, das sind alles sehr kluge Köpfe. Wer auf ein Qualitätssiegel Wert legt: Das wird es also am Ende auch geben." Und davor, so hoffen die Preisstifter, viel Spaß für noch mehr Literaturfreunde überall auf der Welt. Das Ganze ist bewusst als offener Entscheidungsprozess angelegt - im Gegensatz zur geheimnisumwitterten Arbeit der bis zum aktuellen Bruch ja eisern verschwiegenen Schwedischen Akademie, deren 18 Mitglieder, oder "Stühle", wie man sie noch immer, allerdings nicht mehr besonders ehrfurchtsvoll nennt, auf Lebenszeit gewählt worden sind. Auch da macht die "Neue Akademie" einen radikalen Unterschied, will eher Aktion sein als Alternative. Am 11. Dezember, also nur einen Tag nach der Preisverleihung, wird sie wieder aufgelöst.