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Altersarmut
Immer mehr Rentner auf Tafeln angewiesen

Jeder vierte Tafel-Besucher ist Rentner: Für den Sozialverband VdK ist das ein Zeichen steigender Altersarmut. Weil sie häufiger im Niedriglohnsektor gearbeitet haben oder für die Familie zu Hause geblieben sind, betrifft das vor allem Frauen. Auch wer sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, braucht manchmal Hilfe.

Von Anna Seibt | 21.12.2017
    Nutzer der Nürnberger Tafel während der Lebensmittel-Verteilung in der Schlange. Laut dem Bundesverband der Tafeln, sind immer mehr Renter in Deutschland darauf angewiesen.
    Nutzer einer Tafel in Nürnberg während der Lebensmittel-Verteilung: Laut dem Bundesverband der Tafeln, sind immer mehr Renter in Deutschland auf die Hilfe angewiesen. (dpa/Daniel Karmann)
    Jeder vierte Tafel-Besucher ist Rentner. Damit habe sich die Zahl der Rentner, die auf die kostenlose Essensausgabe angewiesen sind, innerhalb von nur zehn Jahren verdoppelt. Das teilte der Bundesverband der Tafeln in Deutschland mit.
    Für den Sozialverband VdK, ist das ein Zeichen steigender Altersarmut. Denn viele Rentner würden davor zurückschrecken, Grundsicherung in Anspruch zu nehmen, sagt die Präsidentin des Verbands Ulrike Mascher:
    "Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass gerade alte Frauen, aber auch alte Männer versuchen, so eine fragile Konstruktion aufzubauen, wie sie ihr Leben noch irgendwie organisieren und finanzieren können. Wo sie versuchen, Dinge, die sie zum täglichen Leben brauchen möglichst günstig zu bekommen und da sind die Tafeln ein wichtiger Baustein."
    Anstehen für Reis und Nudeln in Deutschland
    Besonders Frauen seien von Altersarmut betroffen, da sie oft im Niedriglohnsektor arbeiteten oder auf Grund familiärer Verpflichtungen nur Teilzeit beschäftigt seien. Obwohl die Tafeln eine wichtige Anlaufstelle für Bedürftige seien, ist Mascher deren Angebot gegenüber ambivalent eingestellt:
    "Man muss sich fragen, ist es denn in Deutschland, einem reichen Land, wirklich notwendig, dass hier Menschen anstehen, um ein Kilo Nudeln zu bekommen, ein Pfund Reis zu bekommen, Joghurt, Obst, was auch immer."
    Mascher sieht die Politik in der Pflicht. So fordert sie, dass nicht nur in großen Städten mehr bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen geschaffen werden muss. Außerdem sei es nötig, den Grundsicherungsbetrag gerade für alte Menschen zu erhöhen:
    "Alte Menschen haben einen höheren Bedarf, was Gesundheitskosten betrifft, sie haben einen höheren Bedarf, was Mobilität betrifft. Da kann man nicht sagen, steigen Sie doch auf’s Fahrrad, das kostet nichts, sondern die brauchen öffentlichen Nahverkehr, vielleicht manchmal auch ein Taxi. Es wäre dringend notwendig, dass am realen Bedarf von alten Menschen, der Grundsicherungsbetrag, der Regelsatz berechnet wird."
    Ein ganzes Leben gearbeitet - trotzdem nur eine kleine Rente
    Auch Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, könnten von ihrer Rente oft nicht leben. Dazu komme, so Mascher, dass die niedrigen Renten mit dem Grundsicherungsbetrag verrechnet würden.
    "Wir fordern deswegen, dass es einen gesetzlichen Freibetrag gibt, wo Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung den Betroffenen zu Gute kommen, wir reden von 200 Euro, dann würden Frauen etwas von der Mütterrente haben, das wäre eine große Hilfe."
    Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, sieht Versäumnisse bei der Bundesregierung. Ihrer Meinung nach habe die Ausweitung des Niedriglohnsektors dazu geführt, dass das Rentenniveau gesunken ist.