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Aluminium von Havel Foam
Der Schaum, der seinen Zweck sucht

Aluminium, das als Schaum leichter ist als Wasser, aber so widerstandsfähig, dass es eine Explosion übersteht: Havel Foam in Brandenburg hat einen solchen Schaum entwickelt. Allerdings ist noch unklar, wo genau das Produkt eingesetzt werden soll. Firmenchef Friedrich Schuller hat schon einige Ideen.

Von Jutta Schwengsbier | 13.09.2019
Havel-Foam-Werksleiter Friedrich Schuller steht in der Produktionshalle
Werksleiter Friedrich Schuller ist überzeugt vom Alu-Schaum (Jutta Schwengsbier/ Deutschlandradio)
Die Havel Foam GmbH hat eine kleine, moderne Werkshalle auf einer grünen Wiese gebaut, etwas versteckt in einem Industriegebiet in Brandenburg an der Havel. Vor dem Tor wartet Werksleiter Friedrich Schuller. Die meisten Mitarbeiter sind schon nach Hause, erzählt er lächelnd. Bei den Temperaturen fangen die Arbeiter lieber schon früh morgens an und gehen dann wieder, sobald die Mittagshitze zu groß wird.
"Der ganze Stolz der Firma", sagt Friedrich Schuller beim Hineingehen, und deutet dabei auf eine gerahmte Ehrenurkunde an einer Wand im Eingangsflur.
"Letztes Jahr haben wir den Brandenburger Innovationspreis Metall gewonnen. War für uns eine sehr große Auszeichnung. Für das Produkt und für die Firma. Dementsprechend hängen wir das auch sehr stolz hin".
Die Havel Foam GmbH produziert Aluminium-Schaum. Friedrich Schuller hat es geschafft, einen Metall-Werkstoff zu entwickeln, der so leicht ist, dass er auf Wasser schwimmen kann. Und so widerstandsfähig, dass er als Explosionsschutz in militärischen Einrichtungen, auf Flughäfen oder anderen von Terroranschlägen gefährdeten Objekten eingesetzt werden kann.
Problem: der Markt fürs neue Material
Der technische Werksleiter zählt routiniert die Vorteile des neuen Materials auf. Es gehört zu seinen Aufgaben, Kunden, aber natürlich auch allen anderen Interessierten, Aluminium-Schaum tatsächlich schmackhaft zu machen. Denn so einfach ist es nicht, ein völlig neues Material zu vermarkten.
"Bis jetzt war niemand bereit, für das Thema Leichtbau mehr Geld zu zahlen. Außerdem war es unheimlich schwierig, das Material bis jetzt industriell reproduzierbar herzustellen, so wie die Industrie das verlangt. Danach haben sehr viele Institute, Universitäten, wie Fraunhofer-Institut Dresden, TU München, TU Berlin. Aber auch das Helmholtz-Institut. Alle haben geforscht. Haben das Material immer weiter gebracht. Allerdings ist es immer festgestellt worden, dass am Ende der Entwicklungsphase es niemand gab, der das produzieren konnte. So entstand zusammen mit dem Fraunhofer-Institut in Chemnitz die Idee, endlich das Produkt auf den Markt zu bringen. Das war oder ist unsere große Aufgabe, das herzustellen".
Friedrich Schuller ist also kein Erfinder. Aber er ist ein Macher, der das, was sich andere ausgedacht haben, tatsächlich zur Produktionsreife bringen kann. Alle Maschinen, die mehrere Meter hohe Metallsäge an einer Wand, alle Schmelzöfen, eigentlich die ganze Werkshalle ist ein großes Experimentierfeld. Speziell designet für einen einzigen Zweck. Friedrich Schuller baut damit Prototypen, die später einmal völlig neue Industrieanwendungen ermöglichen sollen.
"Dieser Standort hier ist die erste Halle, die hier gebaut worden ist, auf der grünen Wiese. Leider war nichts standardmäßig möglich, so dass wir komplett die Halle so designt haben. Die Öfen, später werden Sie sehen, sodass man alles auf unser Material angepasst haben".
Im Moment wird getestet
Friedrich Schuller wirkt ein bisschen wie ein Akrobat im Zirkus, der zehn Bälle in die Luft wirft und dann versucht, alle gleichzeitig zu jonglieren. Im Moment sind seine potentiellen Kunden noch dabei, das neue Material erst mal zu testen. Als Hülle für Elektrobatterien in e-Autos, für die Bahnindustrie, für den Schiffbau, für Sicherheitseinrichtungen aller Art. Im Prinzip, sagt Schuller, kann Aluminiumschaum beliebige Formen annehmen, ist leicht und beim Brandschutz oder als Explosionsschutz bestens geeignet.
"Ein bisschen kann man es vergleichen wie beim Kuchenbacken. Das ist Hefe, was das Ganze dann auftreibt. Kommt später in den Ofen. Auf zwischen 570 und 600 Grad erwärmt. Je nach Zusammensetzung. Je nach Mischung des Materials. Wir geben dann die endgültige Form des Materials vor".
Der Schaum folgt der Funktion
Wie beim Kuchenbacken funktioniert auch der Herstellungsprozess, erklärt Friedrich Schuller und zieht dabei eine Grafit-Form aus einem Regal neben einem Fließband. Dabei werden Aluminiumstreifen in die Formen gelegt, über das Fließband in einen Ofen transportiert und dort aufgebacken. Herauskommen, je nach Umriss der Formen, Türstopper, Transportbehälter für Sprengköpfe, oder eben große, aber leichte Metall-Platten.
"Der Schaum entsteht im Aufwärmprozess. Im Aufschäumen. Und danach, statt flüssig zu werden, wird es zu einem Schaum. Praktisch flüssiger Schaum. Nach dem Abkühlprozess haben wir schon den so genannten Kuchen. Der schön fluffig aufgebauscht ist, schon fertig als Material ist".
Fluffig, aber noch nicht in Serie
Einsetzen könnte man das Material fast überall, schwärmt Friedrich Schuller. Was dem Manager noch fehlt, sind die Kunden, die sich auf das Wagnis einlassen, einen ganz neuen Werkstoff für ihre Serienproduktion auch mal auszuprobieren.
"Wir alle wissen, Automobil-Industrie, Bahnindustrie dauert alles sehr lange. Aber das wissen wir auch. Dementsprechend arbeiten wir parallel an Produkten. Wir haben erste Schritte gemacht mit der Windenergie-Industrie. Diese Kabinen oben drauf".
Sobald der erste große Auftrag kommt, soll neben der Experimentierhalle eine neue Produktionshalle für die Serienfertigung entstehen, sagt Schuller. Ob das Tesla sein wird? Oder die Chinesen? Oder die Deutsche Bahn? Noch ist die Zukunft der Havel Foam GmbH ungewiss. Da geht es dem innovativen Metallproduzenten wie allen Startups. Mit den Kunden steht oder fällt das Geschäftsmodell.