Freitag, 29. März 2024

Archiv


"Am Ende wird die Wirtschaft profitieren, die sich am stärksten umstellt"

Anders als vor dem Gipfel von Kopenhagen 2009 sind die Erwartungen an Cancun eher gedämpft. Was müsste und was kann bei dem Gipfel herauskommen? Olaf Tschimpke vom Naturschutzbund hat da einige Ideen - die auch Unternehmen freuen sollten.

Olaf Tschimpke im Gespräch mit Theo Geers | 29.11.2010
    Olaf Tschimpke: Hallo! Schönen guten Tag.

    Geers: Herr Tschimpke, jetzt mal unabhängig davon, was in Cancun wirklich drin ist. Wenn Sie träumen dürften, wenn Sie sich was wünschen könnten, was müsste dann in Cancun herauskommen?

    Tschimpke: Wichtiges Ziel von Cancun wäre es, dass man jetzt mal den Kopenhagen-Kater überwindet und sich Gedanken macht, wie man tatsächlich zu internationalen Lösungen kommt, denn wir brauchen natürlich schon ein international verbindliches Abkommen am Schluss des Weges. Aber wie der Weg dorthin gestaltet wird, da gibt es ja viele Möglichkeiten, und das sollte in Cancun eruiert, erprobt werden.

    Geers: Was ist denn realistisch als Ergebnis nächste Woche Freitag? Was erwarten Sie?

    Tschimpke: Realistisch ist, dass man vielleicht es hinbekommt, doch einige Klimaschutzpakete, etwa für den Regenwald, für die Anpassung, die Klimaanpassung, für die Technologiekooperation hinzubekommen. Vielleicht gelingt es auch, dass die 90 Staaten, die nach Kopenhagen sich von selbst verpflichtet haben, verbindlich etwas im Klimaschutz zu machen, dieses als Minimalziel auch bestärken, um damit den Druck auf diejenigen zu erhöhen, die bisher nichts gemacht haben. Und wir hoffen natürlich, dass die EU auch auf 30 Prozent Reduktionsziel bis 2020 geht; bisher haben sie ja nur 20 Prozent zugesagt.

    Geers: Da heißt es ja immer, Stichwort EU, das wäre möglicherweise taktisch unklug, wenn man mit 30 Prozent vorangeht, ohne dafür eine Gegenleistung vorher fest vereinbart zu haben von anderen Ländern, die ebenfalls beim Klimaschutz auf der Sünderliste stehen.

    Tschimpke: Das sehe ich wiederum nicht so. Tatsächlich ist es doch ein Vorteil, wenn man Vorreiter ist, denn am Ende wird die Wirtschaft profitieren, die sich am stärksten umstellt, und das geht nur mit starken Klimaschutz-Reduktionszielen, denn das Innovationspotenzial muss ja gestärkt werden. Das geht nur, indem der CO2-Preis hoch ist, indem dort auch Geld für eingesetzt wird, um eine Veränderung zu erzeugen, und deswegen hat Deutschland doch bisher von seinen doch starken Klimaschutzzielen profitiert. Die USA sind doch eher Verlierer in dem wirtschaftlichen globalen Wettbewerb, weil sie eben tatsächlich nicht rechtzeitig umgestellt haben. Nehmen wir nur die Automobilindustrie, die weit abgeschlagen ist inzwischen.

    Geers: Nun ist ein anderes Ziel für Cancun – Sie erwähnten es auch -, dass wir uns einigen müssen mit den Entwicklungsländern auf einen Klimaschutzfonds. 100 Milliarden Doller sollen da im Jahr drin sein, Geld, das eben an die Entwicklungsländer fließen soll. Ist das eigentlich realistisch, angesichts dessen, was sonst so in der Welt los ist, Herr Tschimpke? Wir haben gerade am letzten Wochenende Irland gerettet vor der Pleite. Es heißt, Geld ist überall knapp und begehrt.

    Tschimpke: Das wird sicher eine schwierige Herausforderung sein. Das Ganze wird nur gelingen, wenn es uns gelingt, tatsächlich ein vernünftiges Emissionshandelssystem weiterhin auf den Weg zu bringen. Deswegen kommt es darauf an, dass es einen Übergang gibt für den Kyoto-Prozess, der ja ausläuft, denn daran hängt dieses Emissionshandelssystem der EU. Und es müsste halt gelingen, dass auch in anderen Regionen dieser Erde ähnliche Emissionshandelssysteme aufgebaut werden, die man dann verknüpfen kann. Und zu guter Letzt müssen die Rechte dort versteigert werden, die Zertifikate müssen versteigert werden und die Versteigerungserlöse kann man dann in solche Fonds investieren und die dürfen natürlich nicht zur Haushaltssanierung herangezogen werden, sondern sie müssen tatsächlich in Klimaschutzmaßnahmen, in Waldschutzmaßnahmen, in Schutz von marinen Ökosystemen investiert werden.

    Geers: Und glauben Sie, dass dann auch die notwendigen 100 Milliarden so zusammenkämen?

    Tschimpke: Wenn man ambitionierte Klimaschutzziele hätte, ja. Wenn man natürlich weiter so verfährt, wie es die EU macht, und bei dem 20-Prozent-Ziel bleibt, dann nicht, weil dann einfach der CO2-Preis viel zu niedrig ist, der Preis für eine CO2-Tonne. Der muss natürlich ansteigen, wenn man diese Finanzziele erreichen will.

    Geers: Vielen Dank! – Das war Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes NABU, über seine Erwartungen an den Klimagipfel in Cancun.