Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Am Tag danach

Der Sonntag stand ganz im Zeichen des triumphalen Hamburger Wahlsiegers Ole von Beust, der im Parlament des Stadtstaates über 20 Prozent zulegte und mit 47,2 Prozent der Stimmen für die Christdemokraten eine sichere, absolute Mehrheit eroberte.

Von Frank Capellan, Gode Japs und Werner Nording | 03.03.2004
    Und zugleich die hanseatischen Sozialdemokraten mit mageren 30,5 Prozent schmerzlich nach unten drückte. Für die SPD - der erhoffte Münte-Effekt hin oder her - das schlechteste Ergebnis in der Elbstadt seit Kriegsende.

    Die Grünen hoben mit einem Plus von 3,7 Prozent auf nunmehr insgesamt 12,3 Prozent an und äußerten sich mit sichtlicher Zufriedenheit - während FDP und Schillpartei an der 5 Prozent-Hürde scheiterten.

    Der Tag danach - in Hamburg. Werner Nording berichtet aus der Hansestadt:

    Siegesstimmung im Cafe Ole in den Hamburger Alsterarkaden mitten in der Innenstadt. Wochenlang war hier der zentrale Anlaufpunkt in der Hansestadt für alle, die sich über die CDU informieren wollten. Und der Andrang war beträchtlich. Denn nach jahrzehntelanger SPD-Dominanz scheint es in Hamburg wieder schick zu sein, CDU zu wählen. Heute traut sich die CDU in der Hansestadt wieder etwas zu. Um dieses neue Selbstbewusstsein der Partei nach außen zu tragen, hat die CDU das Cafe eröffnet, das den Vornamen ihres Bürgermeisters trägt. Birgit Stadermann hat sich um die Organisation gekümmert. Mehr als 10.000 Hamburger haben mit ihrer Unterschrift Ole von Beust unterstützt, erzählt die ehemalige Jura Studentin. Darunter auch viele Prominente.

    Das ist Jette Joop, Albert Darboven, Marlies Möller, Michael Stich, Jürgen Roland, André Kemper, Birgit Breuel, oh Gott, die Liste könnte ich noch weiterführen. (lacht)

    Auch der Hamburger Wilhelm Wieben, der 30 Jahre lang die Tagesschau gelesen hat und jetzt im Ruhestand lebt, hat sich öffentlich zu Ole von Beust bekannt. Bis 2001 hatte die SPD 44 Jahre lang ununterbrochen den Bürgermeister im Rathaus gestellt. Sonst hatte Wieben SPD-Bürgermeister wie Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau gewählt, jetzt hat er Ole von Beust unterstützt.

    Ja er repräsentiert die Stadt gut, er trifft mit seinen Senatoren aus seiner Partei gute Entscheidungen, es wird gute Arbeit geleistet und man hat zum ersten Mal seit mehr als viereinhalb Jahrzehnten feststellen können, dass in dieser Partei Kompetenzen sind und zum demokratischen Selbstverständnis gehört, dass dann auch diese Partei die Chance haben muss, länger als nun erst zwei Jahre, die Geschicke der Stadt zu bestimmen.

    So denken viele in Hamburg und so ist es zu erklären, dass der äußerst populäre Bürgermeister Ole von Beust diesen historischen Wahlsieg einfahren konnte.

    Völlig aus dem Häuschen waren die CDU-Anhänger gestern Abend auf ihrer Wahlparty in der Hamburger Fischauktionshalle. Dort wo sonst Touristen aus ganz Deutschland nach dem Fischmarkt Sonntagsmorgens in aller Frühe feiern, feierten jetzt Männer und Frauen, die sich für Ole von Beust ins Zeug gelegt haben.

    "Wir haben jahrelang gekämpft und jetzt haben wir es geschafft, Hamburg ist CDU."

    "Ah, ich bin stolz ich bin froh und ich finde es gut für Hamburg."

    "In den schönsten Träumen hätte ich es nicht zu träumen gehofft, das fand ich ganz toll."

    Ole Superstar von Beust ließ sich von der Stimmung anstecken. Seine Strategie auf eine Leihstimmenkampagne zugunsten der FDP zu verzichten, hat sich als richtig erwiesen.

    Es war damals im Dezember so, dass einige gesagt haben, jetzt ist er völlig durchgedreht, absolute Mehrheit in Hamburg für die CDU indiskutabel, ich sage noch mal, Leute wir haben es geschafft und das ist gut für Hamburg.

    Enttäuschung bei der SPD, dass es Rot-Grün nicht gelungen ist, nach zweieinhalb Jahren in Hamburg wieder die Regierung im Rathaus zu übernehmen. Der SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow konnte mit seiner sachlich-spröden Art nicht die Herzen der Wähler gewinnen. Dennoch, die Parteibasis steht zu ihm.

    "Ich find er war ein guter Kandidat, er hat es richtig gemacht, er hat uns über 30 Prozent gebracht, was die Umfragen ja vorher nicht so gesehen haben, von daher hat er wirklich gut gearbeitet."

    "Ich hatte bis zum Ende bis auf den politischen Wechsel gehofft, aber es hat eben nicht sollen sein."

    "Wir haben so viel gegeben, haben uns durchfrieren lassen und wir stehen zu unserer Partei und es wird wieder besser, glauben sie mal."

    Die Hamburger haben Ole von Beust gewählt und gleichzeitig den von ihm betriebenen Verkauf der städtischen Krankenhäuser mit fast 80 Prozent abgelehnt. Dabei hatte nur Rot-Grün versprochen, die Privatisierung der Kliniken zu verhindern. Im Wahlkampf konnte Mirow auch aus diesem hochemotional besetzten Thema kein Kapital schlagen. Der SPD Spitzenkandidat erklärt seine Niederlage so.

    "Ich glaube drei Faktoren haben eine Rolle gespielt, erstens die Popularität des Bürgehrmeisters, 2. dass viele Hamburger der Meinung waren, die CDU habe eine zweite Chance verdient nach nur zwei Jahren Regierungszeit und dann gab es eine Großwetterlage, die ja auch von niemandem übersehen werden kann."

    Heute Morgen ist Mirow nach Berlin gefahren, um den Genossen dort das schlechteste Abschneiden seiner Partei seit 1946 zu erklären. Am Abend will die SPD in Hamburg erste Konsequenzen ziehen. Mirow selbst hat bereits seinen Rückzug aus der Landespolitik angekündigt.

    Die Grün Alternative Liste GAL ist der zweite Gewinner der Wahl, doch genutzt hat es den Grünen wenig. Die Hamburger GAL-Vorsitzende Anja Hajduk war trotzdem froh.

    "Was die Stimmung bei den Grünen und auch die Stimmung in der Stadt beflügelt ist: Schill ist weg, Schill kann wegfliegen, Schill ist nicht mehr in der Bürgerschaft. Ich bin froh, dass das nach zwei Jahren vorbei ist."

    Die FDP spielt in Hamburg nach ihrer verheerenden Schul- und Kitapolitik keine Rolle mehr, genauso hat Ronald Schill ausgedient. Der gesteht zwar seine große Niederlage ein, gibt sich aber als schlechter Verlierer.

    "Ich mache nur dann weiter, wenn die Wahl letztendlich erfolgreich angefochten wird, sonst mach ich nicht weiter, wenn ich hier nichts verändern kann, in einer Stadt, in einem Land, wo das dringend notwendig ist, ich hab das ja bereits in meiner Bundestagsrede thematisiert, dann werde ich so konsequent sein, das Land zu verlassen, vermutlich nach Südamerika."

    Das Hamburger Wahlergebnis sorgte erwartungsgemäß auch für politische Bewegung in der Hauptstadt Berlin. Wie dort seitens der Regierung und der Oppositionsparteien das Wählervotum von gestern bewertet wurde und welche Konsequenzen sich für die jeweiligen Lager ergeben, fasst nun Frank Cappelan für Sie zusammen.

    Wer folgt Johannes Rau als Bundespräsident? Das zentrale Thema das am Tag nach der Hamburgwahl an Fahrt gewinnt. In dieser Woche wird die Union ihren Kandidaten vorstellen, verspricht CSU-Chef Edmund Stoiber. Er wäre der einzige, der sofort eine sichere Mehrheit in der Bundesversammlung hätte, doch Stoiber bleibt dabei, er möchte es lieber noch einmal als Kanzlerkandidat wissen. Seine Konkurrentin, Angela Merkel wird nun gedrängt, Wolfgang Schäuble als Kandidaten vorzuschlagen.

    Ich glaube Deutschland hat keinen besseren als Wolfgang Schäuble für dieses Amt, und ich finde deshalb, wir sollten ihn auch nominieren.

    fordert etwa Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Doch die CDU-Vorsitzende zögert weiter. Am Abend trifft sie Edmund Stoiber in Berlin, um das weitere Vorgehen zu besprechen, weil die Union die FDP braucht, vermeidet Angela Merkel heute alles, was die Liberalen verprellen könnte.

    Das wir aus dem gestrigen Tag gestärkt hervorgehen, dass macht uns mutig, aber nicht übermütig.

    Guido Westerwelles Kalkül, sich an der Elbe als Koalitionspartner anzudienen und im Gegenzug einen Kandidaten der Union mit zutrage ist nicht aufgegangen, und dennoch, der FDP-Chef gibt sich nach außen unbeeindruckt.

    Die freien Demokraten hatten 82 Stimmen in der Bundesversammlung vor der Hamburgwahl, sie haben 82 Stimmen in der Bundesversammlung nach der Hamburgwahl, in so weit hat sich nicht verändert.

    Merkel weiß um den Widerstand, den es gegen Schäuble bei der FDP aber auch in ihren Reihen gibt und schon machen Gerüchte die Runde, wenn die Wahl nicht absolut sicher sei, werde eine andere Person zum Zuge kommen, etwa die Baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan. CSU-Chef Stoiber jedenfalls verstärkt sein demonstratives Werben um die FDP. Plötzlich ist sogar das gerade noch verhasste Steuermodell des CDU-Kollegen Friederich Merz, dass den Vorstellungen der Liberalen sehr nahe kommt, etwas worüber man reden kann.

    Das ist nur das Angebot, zu sagen, lasst uns doch über den Bundespräsidenten reden, aber lasst uns vielleicht auch darüber reden, was wir in aller nächster Zeit gemeinsam bewältigen können, was wir im Jahre 2006 bewältigen können.

    Simple Tauschgeschäfte, tausche Steuerreform gegen Bundespräsidentenkandidaten würden aus meiner Sicht eine fatale Wirkung entfalten.

    hält Angela Merkel dem allzu offensichtlichen Buhlen ihres CSU-Kollegen entgegen, und trotzdem gilt die Botschaft, die Union setzt weiter auf die FDP, tragt im Gegenzug unseren Kandidaten mit. Der schaltende SPD-Generalsekretär spricht von einem unwürdigen Geschacher um das höchste Amt. Frau Merkel ist wohl die Koordinierung aus den Händen geglitten, so Olaf Scholz:

    Wir stellen ein immer größeres Durcheinander vor, das der Würde dieses Amtes nicht angemessen ist.

    Zaghaft versuchen die Sozialdemokraten einen Keil in das schwarz-gelbe Lager zu treiben, mit der Vorstellung einer eigenen Persönlichkeit hält sich die SPD zurück. Also doch die Unterstützung einer FDP-Kandidatin, Cornelia Schmalz-Jacobsen?

    Wir finden es ist die Zeit zu gucken, ob sich nicht eine Präsidentin finden lässt und wir wissen, dass wir keine Mehrheit haben, und wir wollen deshalb behilflich sein.

    Der Streit um die Raunachfolge ist heute dann aber wohl der einzige Punkt, mit dem die Sozialdemokraten von ihrer katastrophalen Niederlage ablenken könnten. Bundeskanzler Gerhard Schröder steht mit dem Rücken zur Wand, am Reformkurs wird nicht gerüttelt, beteuert der SPD-Vorsitzende auf Abruf auch heute wieder.

    Dieser Prozess ist für unser Land und für seine Menschen notwendig. Wir werden ihn noch sorgfältiger erklären müssen. Wir werden ihn aber fortsetzen, weil es dazu eine vernünftige Alternative nicht gibt.

    In seiner Partei aber rumort es weiter. Der Ruf, die Veränderungen sozial gerechter zu gestalten wird wieder laut. Wieder meldet sich ein Saarländer zu Wort. Heiko Maas, SPD-Spitzenkandidat in Saarbrücken bei der Wahl Anfang September.

    Man kann bei den Reformen nicht nur die Rentnerinnen und Rentner Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosen zu einem Beitrag veranlassen, sondern man muss das einigermaßen gerecht verteilen in der Gesellschaft, auch die besser verdienenden, auch die Wirtschaft, und da gibt es ja einige Ansätze, etwas beim Thema Ausbildungsplatzabgabe, beim Thema Erbschaftssteuer oder Bürgerversicherung.

    Das der Druck auf die Parteispitze wieder größer wird zeigt auch die Ankündigung von Juso Chef Niels Annen, möglicherweise ein Mitgliederbegehren anzustrengen, um den Parteitagsbeschluss zur Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe auch umzusetzen. Zugesagt ist inzwischen, dass die Erbschaftssteuer schnell umgestaltet werden soll, um auf diesem Wege Wohlhabende stärker zu belasten, und auch die Diskussion über die Bürgerversicherung gewinnt bei den Sozialdemokraten an Fahrt. Zur Veränderung am bisherigen Kurs drängt auch Harald Schartau, SPD-Chef an Rhein und Ruhr, der mit den Kommunalwahlen in Nordrheinwestfalen im September ebenfalls einen Wählertest vor sich hat.

    Ein klarer Kurs, auf den man sich in der Bevölkerung verlassen kann und eine Konzeption von dem, wo wir in Deutschland hinwollen, das ist der Dreisprung, den wir in den nächsten Tagen hinkriegen müssen.

    An Franz Müntefering wird es nun liegen, nach außen festen Reformwillen zu demonstrieren, gleichzeitig aber Veränderungen an der Linie zuzulassen. Gerhard Schröder macht heute Mut. Immerhin habe seine Ankündigung, sich nun allein auf die Regierungsarbeit zu konzentrieren, bereits Wirkung gezeigt.

    In der letzten Phase wurde sichtbar, dass der Wechsel in der Führung der Partei Mobilisierung bedeutet hat, für die SPD, dass hat sich noch nicht in Wählerstimmen umgesetzt, wer wollte das bestreiten.

    Und die Grünen, in Hamburg bejubelt in Berlin an der Seite eines Kränkelnden Partners. Parteichefin Angelika Beer versucht dem Hamburger Wahlergebnis auch Bundespolitisch etwas Gutes abzugewinnen und verweist auf das schlecht Abschneiden der Liberalen.

    Wenn man davon ausgehen kann, dass das Projekt 18 eine ziemliche Weile braucht, um sich wieder zu beleben, dann würde es bedeuten, dass die Entscheidung zukünftig heißen schwarz oder rot-grün. Das ist eine gute Konstellation, eine gute Voraussetzung für die nächsten Wahlkämpfe.

    Für FDP-Chef Guido Weserwelle könnte die Luft in der Tat dünner werden. Ob er sich ein erneute Führungsdiskussion ersparen kann, dass dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, wie er sich in der Bundespräsidentenfrage verhält.

    Abschließend noch erste analytische Betrachtungen zur Frage: warum wählten die Hamburgerinnen und Hamburger so wie sie votierten. Welche der Parteien konnte in welchen Zielgruppenbereichen am meisten zulegen, wo fanden die stärksten Einbrüche statt, was sind die auffälligsten Wählerbewegungen und wie sind sie zu erklären, kurzum: die Zeit nach Wahlen gehört den Wahlanalytikern und Parteienforschern. Dazu ein Report meines Kollegen Gode Japs:

    Ohne Frage, das war schon ein triumphaler Wahlsieg, den die Hamburger CDU mit Ole von Beust an der Spitze gestern Abend eingefahren hat. 47,2 Prozent – und einen Zugewinn von sage und Schreibe 21 Prozent Punkten, das hat es noch nie gegeben. Zuwächse aus allen Wählergruppen, konstatiert auch Manfred Güllner vom Berliner Meinungsforschungsinstitut Forsa. Und weiter:

    "Wenn man mal die bürgerlich-konservativen Parteien zusammenrechnet, nämlich die CDU und ihre bisherigen Positionspartner, die FDP und die Schillpartei, dann haben sie bei dieser Bürgerschaftswahl exakt die gleiche Stimmenzahl wie vor zweieinhalb Jahren. Das heißt die Gewinne der CDU von 165.000 den stehen gegenüber Verluste bei den anderen Koalitionsparteien von 160.000. Das ist ein Verschiebung die im bürgerlich-konservativen Wählerlage stattgefunden hat."

    Wählerwechsel im eigenen Lager. Und es handelte sich in Hamburg, da sind sich die Wahlforscher einig, primär um eine Landeswahl, nicht so sehr um eine Abstimmung über die Bundespolitik. Der Hamburger CDU-Wahlsieg, das ist vor allem ein Verdienst von Ole von Beust. Er hat in den zurückliegenden zwei Jahren deutlich an Sympathie gewonnen und wird von den Bürgern voll als Repräsentant der Freien und Hansestadt akzeptiert:

    Das Wahlergebnis ist ganz stark beeinflusst worden von der hohen Sympatie für Ole von Beust. Bei der Bürgermeisterpräferenz lag er ganz deutlich vor seinem Herausforderer Thomas Mirow. Das hatte sich zwar im Wahlkampf etwas eingeebnet, aber dennoch auch am Ende war die Präferenz für Beust noch sehr ausgeprägt auch bei Anhängern anderer Parteien außerhalb der CDU. Man kann also sagen, dass Ole von Beust ganz maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die CDU so stark geworden ist und das sich die bürgerlich-konservativen Anhänger wieder in einer einzigen Partei, nämlich der CDU, bündeln und das war ja in den 90er Jahren anders wenn wir an die Stadtpartei oder and die Schillpartei denken.

    An der Alster hat es seitens der CDU einen stark personalisierten Wahlkampf gegeben. Politische Beobachter meinen, es sei der unpolitischste aller Zeiten gewesen, so dass sich der Eindruck aufdrängt, auf Inhalte komme es nicht mehr an. Manfred Güllner:

    Die Hamburger Bürgerschaftswahl ähnelt ja weniger einer Landtagswahl sondern ist eher eine Kommunalwahl und auf der kommunalen Politikebene gibt es selten ein dominierendes Thema. In sofern kommt es in der Tat sehr stark auf die Personen an, die für Kompetenz stehen oder für nicht Kompetenz stehen, für Kümmern stehen oder für nicht Kümmern stehen.

    Die SPD wurde gestern in Hamburg erneut "abgestraft", in ihrer einstigen Hochburg hat sie gerade noch einmal etwas über 30 Prozent der Stimmen. Die Verantwortung für dieses Ergebnis hat SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow übernommen. Doch ist er allein verantwortlich für das Desaster?

    "Das Desaster der SPD ist ja relativ betrachtet gar nicht so nicht so fürchterlich groß, wie es etwa noch im letzten Jahr in Hessen, in Niedersachsen oder in Bayern gewesen ist. Dort hat die SPD sowohl im Vergleich zu vorhergehenden Landtagswahlen, aber auch im Vergleich zur Bundestagswahl im September 2002 noch mehr verloren als in Hamburg. Das heißt in Hamburg setzt sich einerseits ein Großstadttrend fort, wobei der Bedeutungsverlust der Hamburger SPD ja sehr früh eingesetzt hat und ich glaube das Urteil ist letztendlich gefällt worden über die Situation der Hamburger SPD und weniger war es ein Reflex auf die Großwetterlage oder die Situation der Bundes-SPD."

    Im Vorfeld der Hamburg-Wahl versuchte die Bundes-SPD noch einmal, das Ruder rumzureißen, indem sie im Parteivorsitz auf einen Wechsel von Gerhard Schröder zu Franz Müntefering setzte. Einige Wahl-Beobachter meinen, dieser Versuch sei gescheitert, der angestrebte Wechsel habe sich als "Rohrkrepierer" erwiesen. Doch das lässt Manfred Güllner so nicht gelten:

    Wir wissen, dass die Umfrage vor drei bis vier Wochen für die SPD noch wesentlich schlechter waren als das Wahlergebnis vom Sonntag und man muss natürlich auch bedenken, dass eine solche Entscheidung, wie die SPD sie getroffen hat ja erst mittel und langfristig wirken kann. Also das dauert eigentlich alles ein bisschen und man sollte sicherlich nicht jetzt schon sagen, dass hat überhaupt nichts gebracht in Hamburg. Ich glaube das etwas bessere Abschneiden der SPD als es die Umfragen zunächst signalisierten schon ein Effekt dieser Personalentscheidung ist.

    Anders als ihr Berliner Regierungspartner SPD legten die Grünen jetzt auch in Hamburg wieder zu – auf immerhin 12,3 Prozent Punkte kamen sie. Sie scheinen sich im Aufwind zu befinden – obwohl sie für die Berliner Reformpolitik der Agenda 2010 genauso Verantwortung tragen wie die SPD. Auch hier relativiert Manfred Güllner:

    Die Grünen sind von der Diskussion über die Probleme, die ja Reformen erst notwendig machen wenig betroffen, weil sie drei Ressorts besetzten, die eigentlich nicht in diesen Problemstrudel hineingeraten und die Amtsinhaber von Fischer über Künast bis Trittin sind recht angesehen. Auch Trittin hat seine frühere Buhmannrolle verloren und wird jetzt akzeptiert als Umweltschützer, so dass die Grünen tatsächlich außerhalb der gesamten öffentlichen Problemdiskussion stehen.

    Ein großes Aufatmen gab es gestern Abend bei allen Parteien, nach dem klar war, dass Ronald Schill in der Hamburger Politik keine Rolle mehr spielen wird. Der Rechtspopulist Schill ist gnadenlos abgestürzt. Bedeutet das auch, dass Rechtspopulisten in der deutschen Politik auf Dauer keine Chance haben? Noch einmal Meinungsforscher Manfred Güllner:

    Grundsätzlich könnten auch in Deutschland rechtspopulistische Parteien Stimmen gewinnen, aber solange sie keinen Haider ohne ähnliche Figuren vorweisen können, wird es schwer sein, sich im Parteienspektrum über eine länger Zeit zu etablieren.