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Am Ziel seiner politischen Laufbahn

1987 wurde erstmals ein DDR-Repräsentant in Bonn wie ein Staatsoberhaupt empfangen. Insgesamt zwölf Stunden dauerte die Unterredung zwischen Helmut Kohl und DDR-Staatschef Erich Honecker. Doch in Grundsatzfragen war man sich erwartungsgemäß nicht einig.

Von Georg Gruber | 07.09.2007
    DDR-Fernsehen vom Empfang 7.9.1987
    "Es ist 10 Uhr 31, der Konvoi ist eskortiert von sieben Polizeikrädern, hat das Bundeskanzleramt erreicht"

    7. September 1987. Ein historischer Moment, live übertragen, im ZDF und auch im DDR-Fernsehen:

    "Hier ist der Mercedes 600 mit dem Stander der Deutschen Demokratischen Republik. Helmut Kohl, der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland begrüßt Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzender des Staatsrats der Deutschen Demokratischen Republik.""

    "Da hatte man den Eindruck, als fühle er sich unsicher"

    Kommentierte der Deutschlandfunk den Auftritt Honeckers.

    "Überhaupt ist dieser kleine weißhaarige Herr im schwarzen Anzug gar nicht der Honecker, den unsereins aus dem Fernsehen kennt, jovial, lachend, zupackend, immer gut gelaunt, im blauen Anzug mit edlem Schimmer gekleidet, etwas verloren steht er da und folgt dann schließlich den Gesten des Bundeskanzlers, der ihn gleich vorn am roten Teppich in Empfang genommen hat."

    In Westdeutschland war die Reise schon im Vorfeld auf Kritik gestoßen: Das sei zuviel der Ehre für ein undemokratisches Regime und zudem Verrat an der deutschen Einheit. Denn erstmals wurde mit Honecker ein DDR-Repräsentant in Bonn wie ein Staatsoberhaupt eines anderen Landes empfangen. Auch wenn der Besuch als "Arbeitsbesuch" deklariert wurde, und Honecker nur mit sieben Krädern, statt der sonst bei derartigen Empfängen üblichen 15 eskortiert wurde. Vor dem Kanzleramt hingen zum ersten Mal in der Geschichte schwarzrotgoldene Fahnen mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Und die DDR-Hymne ertönte:

    "Kein Zweifel, für manch einen hier war das wie der Schmerz, auf dem man beim Zahnarzt wartet und der dann auch tatsächlich kommt:"

    Erich Honecker war am Ziel seiner politischen Laufbahn angekommen, schreibt der Honecker-Biograf Ulrich Völklein:

    "Der Kommunist, den die Nazis ins Zuchthaus gesteckt und die bürgerlichen Regierungen der Nachkriegszeit ( ... ) als sowjetischen Satrapen abgetan hatten, der Staats- und Parteichef der DDR, dem noch immer die volle völkerrechtliche Anerkennung vorenthalten blieb, ( ... ) wurde mit ... allen Respektsbezeugungen dort willkommen geheißen, wo er noch wenige Jahre zuvor nach einem Grenzübertritt als Vertreter eines diktatorischen Regimes verhaftet worden wäre."

    Helmut Kohl und Erich Honecker sprachen, im Kreis der Delegationen, aber auch unter vier Augen, insgesamt zwölf Stunden miteinander. In Grundsatzfragen waren sie sich erwartungsgemäß nicht einig:

    "Das Bewusstsein für die Einheit der Nation ist wach wie eh und je und ungebrochen der Wille, sie zu bewahren."

    O-Ton Honecker 7.9.1987
    "Die Entwicklung unserer Beziehungen ist von den Realitäten dieser Welt gekennzeichnet und sie bedeuten, dass Sozialismus und Kapitalismus sich so wenig vereinigen lassen, wie Feuer und Wasser."

    Dennoch wurde ein Gemeinsames Kommuniqué veröffentlicht und mehrere Abkommen unterzeichnet, über Wissenschaft und Technik, Umweltschutz und Strahlenschutz. Danach machte sich Honecker auf eine dreitägige Rundreise durch die Bundesrepublik. Er wurde von der Bevölkerung bestaunt, die Proteste hielten sich in Grenzen. Er besuchte sein Elternhaus im saarländischen Wiebelskirchen und vor dem Engels-Haus in Wuppertal durfte sich auch Udo Lindenberg in Szene setzen:
    "(Udo Lindenberg) Als Symbol unserer gemeinsamen Friedensbemühungen habe ich Ihnen eine Gitarre mitgebracht, mit einem Slogan drauf, der Slogan heißt: "Gitarren statt Knarren, für eine atomwaffenfreie Welt im Jahr 2000." Die Gitarre möchte ich Ihnen, lieber Erich Honecker, überreichen.
    (Erich Honecker) Danke, Gitarren statt Knarren, sehr richtig, weiterhin viel Erfolg und auf Wiedersehen in der Deutschen Demokratischen Republik."

    Zum Abschluss seiner Rundreise wurde er in München empfangen, vom bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Die Eskorte hatte 15 Motorräder, ganz wie bei einem echten Staatsbesuch. Dass die Regentschaft Honeckers und die DDR schon bald Geschichte sein würden, damit rechnete damals kaum jemand.