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Amateurbox-Weltverband
Machtkampf ums Präsidentenamt

Missmanagement, Korruption, Mängel im Anti-Doping-Kampf - das sind nur einige der Gründe, warum der Box-Weltverband AIBA 2019 durch das IOC suspendiert wurde. Mitte Dezember 2020 steht die Wahl eines neuen Präsidenten an. Doch nicht alle Kandidaten stehen für einen Neuanfang.

Von Heinz Peter Kreuzer | 01.11.2020
Umar Kremlev kandidiert als neuer Präsident für den Box-Weltverband AIBA.
Einer der Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen beim Box-Weltverband AIBA ist der russische Box-Funktionär Umar Kremlev. (imago images / ITAR-TASS)
Die AIBA ist mehrfach angezählt worden, hat einen Großteil des Kampfes in den Seilen gehangen, und es bleibt nur noch eine Runde, um den Kampf zu drehen und den Sieg zu erringen.
Mit diesem Bild aus dem Boxen beschreibt Boris Van den Vorst die Situation des Box-Weltverbandes AIBA. Der Niederländer ist einer von bisher fünf Kandidaten für das Amt des Präsidenten. Er gilt als der weiße Ritter, ist als einziger der insgesamt fünf bekannten Anwärter auf das Spitzenamt unbelastet. Die anderen vier sind eng verknüpft mit den Problemen, die die Suspendierung des Verbands durch das IOC verursacht haben.
Zur Erinnerung: Im Mai 2019 suspendiert das IOC den Box-Weltverband. Die Gründe für diese Entscheidung sind das Missmanagement im Finanzbereich, Korruption, Ethikverstöße, die intransparente Verbandsführung und Mängel im Anti-Doping-Kampf.
IOC beklagt mangelnde Reformen
Das IOC übernimmt die Hauptaufgabe der AIBA und organisiert jetzt das olympische Boxturnier, inklusive der Qualifikation. Und die Zahlungen an die AIBA für London 2012 und Rio 2016 sind noch eingefroren. Damals sagte IOC-Präsident Thomas Bach:
"Wir haben auch einen Weg zurück für eine Aufhebung der Suspendierung nach den Spielen Tokio 2020 angeboten. Aber dafür müssen sich einige Dinge in der AIBA fundamental ändern."
Geändert hat sich aber nichts. Anfang Oktober berichtet eine Untersuchungskommission der IOC-Exekutive über den aktuellen Zustand des Verbandes. Bachs Fazit:
"Ich kann die Reaktion der Exekutive in einem Satz zusammenfassen: Wir sind sehr besorgt über den mangelnden Fortschritt bei den Reformen der AIBA. Da gibt es jetzt eine Präsidentenwahl, aber wir sehen keine Fortschritte bei den Reformen für die Führungsstruktur, die sehr wichtig wären."
Van den Vorst verspricht "vollständigen Wechsel"
Van den Vorst setzt darauf, dass das IOC seine Wahl anerkennen würde. In seinem Brief an die nationalen Verbände mit dem Titel "ein sauberer Schnitt für den Weltboxsport" wirbt er für sich. Er schreibt, dass ein "vollständiger Wechsel der Führung, des Finanzmanagements und der Kultur innerhalb unseres Sports" erforderlich sei, damit das Internationale Olympische Komitee die Suspendierung der AIBA aufheben kann. Auch Erich Dreke, der Präsident des Deutschen Box-Verbandes DBV, ist von ihm überzeugt.
"Der holländische Präsident muss ich sagen, das ist ein Kandidat, der würde sicherlich vom IOC akzeptiert."
Was bestimmt nicht für Umar Kremlev gilt, einer der vier weiteren Funktionäre, die für das Amt kandidieren. Der Generalsekretär des russischen Verbandes gilt als Mann von Wladimir Putin, daher stehen ihm enorme Finanzmittel zur Verfügung. Erich Dreke erinnert an den Versuch der Russen, sich das Wohlwollen zweier Verbände zu erkaufen.
"Die russische Seite wollte ja alle Europameisterschaften voll finanzieren. Das Angebot ging an Polen, ging an Montenegro, alle die, die jetzt nicht so über viele Gelder verfügen. Da haben Sie also dort angeboten, alle finanziellen Dinge dort zu lösen."
Umar Kremlev verspricht Millioneneinnahmen
Letztendlich fielen die Europameisterschaften aber aus anderen Gründen aus. Die Russen haben schon viele Millionen Euro in den Box-Weltverband gesteckt. Auch die Schulden der AIBA von etwa 17 Millionen Euro will Kremlev innerhalb von sechs Monaten ablösen, für die kommenden Jahre verspricht er Einnahmen in Höhe von 43 Millionen Euro. Kremlev sieht sich als einzige Alternative für dieses Amt.
"Ich werde kandidieren, wenn es die Erneuerung der AIBA erfordert."
Mit einem Wahlversprechen hat er jedoch die Wahl-Richtlinien verletzt.
Er hat angekündigt, dass die Verbände unter seiner Präsidentschaft Zahlungen in Millionenhöhe erhalten werden. Das Wahlgesetz verbietet jedoch jedes Versprechen finanzieller Belohnungen durch Kandidaten an die nationalen Verbände.
Aber auch die drei verbleibenden Widersacher sind keine unbeschriebenen Blätter. Süleyman Mikayilov aus Aserbaidschan soll in die Korruptionsfälle rund um die Spiele in Rio verwickelt sein.
Kandidaten mit Altlasten
Bienvenido Solano, früherer Präsident des Dominikanischen Verbandes, ist ebenfalls in Erklärungsnot. Seine Föderation hat Darlehen an eine Gruppe von Verbänden in der Karibik vergeben, damit diese die Mitgliedsbeiträge an die AIBA zahlen können. Denn säumige Länder werden bei den bevorstehenden Wahlen nicht zur Wahl zugelassen – nun können die Karibik-Verbände aber doch abstimmen. Schon in der Vergangenheit war Solano nicht unumstritten.
"Früher war er ja auch Vizepräsident und hatte damals auch schon paar Dinge gemacht, die man eigentlich nicht machen sollte."
Auch der letzte Kandidat, Anas Al Otaiba aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, hat dunkle Punkte in seiner Vergangenheit. Der AIBA-Vize-Präsident galt als Verbündeter des früheren Präsidenten Gafur Rakhimov. Dem Usbeken ist seine Nähe zur organisierten Kriminalität zum Verhängnis geworden. In einigen Ländern wie beispielsweise den USA hat er Einreiseverbot. Als Rakhimov im November 2018 zum AIBA-Präsidenten gewählt wird, verschärft dies das Verhältnis zum IOC. Daher tritt der Usbeke im März 2019 zurück, konnte die Suspendierung aber nicht mehr verhindern.
Dieses Quartett der Altfunktionäre dürfte vom IOC nicht akzeptiert werden. "Alle die, die jetzt im EC sind, das war das eindeutige Votum des IOC, sollten jetzt im neuen Vorstand nicht mehr vorhanden sein. Sie wollen keine mehr haben, die belastet sind."
Für DBV-Präsident Erich Dreke wollen diese Leute ein System erhalten, das ihren Ländern die meisten Medaillen garantiert. Er hofft auf die Vernunft der Delegierten: "Ich hoffe nicht, dass die Delegierten wirklich so einen Unsinn machen und das olympische Boxen weiter eskaliert."