Donnerstag, 18. April 2024

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Amateurfotografien im Museum
Die Geschichte hinter den Bildern

Amateurfotografien haben für Erik Kessels einen besonderen Reiz: Der Sammler interessiert sich vor allem für das, was die Bilder nicht auf den ersten Blick preisgeben. In Zeiten der Bilderflut sei das eigentliche Bild ohnehin nicht mehr relevant. Jetzt ist die Sammlung des Niederländers im NRW-Forum Düsseldorf zu sehen.

Von Veronika Bock | 11.08.2017
    Eines der Amateurfotos, für die sich Erik Kessels begeistert - ein schwarzer Hund sitzt auf einem Sessel (Bild: Erik Kessels)
    Symbolistische Rätselhaftigkeit - oder einfach nur ein missratener Schnappschuss? Erik Kessels ergründet das Oevre von Freizeitfotografen. (Erik Kessels)
    Postkartenständer - darin Fotografien von Frauen, die in Unterwäsche posieren, Männer die andere mit Waffen bedrohen, Gladiatoren mit aufgemalten Wunden, und dann dieselbe Frau, die mal im Wasser steht, mal schwimmt oder im Wasser liegt. Immer bekleidet.
    "With these very amateurisitic photographs, you can tell a story", sagt Erik Kessels, Sammler und Mitbegründer der internationalen Agentur KesselsKramer in Amsterdam.
    Auch misslungene Fotos erzählen Geschichten
    Geschichten erzählen. Mit Amateurfotos. Der Familienhund, pechschwarz, eine Herausforderung für jeden Fotografen, an der auch seine Besitzer scheitern. Über Jahre setzen sie ihn tapfer in Szene und nie gelingt es, seine Augen einzufangen. Wie ein schwarzer Schatten zieht sich der Hund durch ihr Leben.
    "In the end there is one photograph that is totally overexposed and there you see a little bit the eyes of the animal."
    Am Ende gibt es ein Foto, völlig überbelichtet, auf dem man die Augen endlich erahnen kann. Vielleicht waren sie irgendwann so frustriert, dass sie an der Kamera rumgefummelt haben, mutmaßt Erik Kessels, vielleicht ist es aber auch nur ein richtig misslungenes Foto. Aber es erzählt eine Geschichte.
    Unzählige Bilder liegen in Haufen herum - 24 hrs of photos (Bild: Erik Kessels)
    Die Fotografie in den Zeiten der Bilderflut: Erik Kessels' "24 hrs of photos" ist ein Kunstwerk mit haptischem Reiz (Erik Kessels)
    "We live with so many images nowadays, we consume images on an daily basis, but we hardly look at them anymore."
    Die tägliche Bilderflut, auch sie hat Kessels in Szene gesetzt, einen Berg aus Bildern gebaut, die Bilder eines einzigen Tages, heruntergeladen aus dem Internet, ausgedruckt und auf einen großen Haufen geworfen, in dem man wühlen, sich hineinlegen und verlieren kann.
    Nichts Neues vor der Linse
    "We became editors almost, like I do also with works that I make", sagt Kessels.
    Herausgeber sind wir geworden, das Betrachten haben wir verlernt, klick und weg und löschen. Fotos sind nichts Besonderes mehr, werden gemacht, um gemacht zu werden und sind eigentlich langweilig. Und uneigentlich auch.
    "The story behind the pictures - that is something for the future, that becomes more and more important."
    Die Geschichten hinter den Bildern werden in der Zukunft wichtiger, weil alles schon fotografiert worden ist - und weil jeder von jedem abkupfert. Es gibt nichts Neues vor der Linse, außer das, was dahinter liegt, was der Fantasie wieder Flügel verlieht.
    Von Buttons und Verstoßenen
    Eine Serie von Polaroid-Bildern, Strandszenen. Kreisrund ausgeschnitten: der Mittelpunkt der Aufnahmen, die Person, die hier ursprünglich in Szene gesetzt wurde. Wurde hier ein Verstoßener oder die Geschiedene herausgeschnitten?
    "I found out there was a photographer in Portugal on the beach, and during the holiday he photographed people and he had a clipper to cut out a round piece in the middle and he made buttons out of it."
    Keine unglückliche Familiengeschichte, sondern ein Fotograf, der sich im Urlaub in Portugal Geld damit verdiente, Buttons zu verkaufen, von fröhlichen Menschen am Strand. Jetzt sehen wir den Abfall, der auch eine Geschichte erzählt. Von einem Fotografen - und einer Zeit, in der solche Buttons noch gefragt waren.
    Ein Amateurfoto aus Erik Kessels Ausstellung - eine bekleidete Frau liegt in einem Swimming Pool (Bild: Erik Kessels)
    Ein Bild wie ein Filmstill aus einem Hitchcock-Film: Amateurfotografie der Sammlung Kessels (Erik Kessels)
    Seit 20 Jahren ist Erik Kessels den Amateurfotografien verfallen, sucht und findet sie auf Flohmärkten, im Internet. Zunächst war es ein Hobby, vielleicht auch ein Ausgleich zu seiner Arbeit als Werbefachmann, jetzt ist es Neugier und Leidenschaft und Überzeugung. Er bearbeitet die Bilder nicht, stellt sie nur zusammen, gibt ihnen einen Rahmen - und der Geschichte, die er dahinter sieht, eine Richtung. Leichtbekleidete Frauen, die mit frisch gefangenen fetten Fischen posieren, Passfotos von Einwanderern, Fotografien, die offenbar misslungen sind. Und was, wenn die Besucher nur lachen?
    "Das wäre ein Gewinn - es wird zu wenig gelacht in Museen", sagt Kessels. Und: "In most of the cases you also get the reaction that people sometimes discover their own behavior in some of these photographs and that is quite beautiful I think."
    Die Ausstellung: ein Spiegel unserer Zeit und unserer selbst. Was will man mehr?
    Erik Kessels & Friends wird am 11. August im NRW Forum Düsseldorf eröffnet und dort bis zum 5. November zu sehen sein.