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Die Streikbewegung wächst

An vier Amazon-Standorten in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Sachsen und Hessen wird heute wieder für einen Tarifvertrag gestreikt. Hauptstreikort ist das osthessischer Bad Hersfeld, wo der Internetkonzern gleich zwei Logistikzentren betreibt. Noch verweigert Amazon das Gespräch mit der Gewerkschaft ver.di.

Von Ludger Fittkau | 22.09.2014
    Päckchen und Pakete laufen in der Halle der neuen Zustellbasis des Postzustellers Deutsche Post DHL in Norderstedt (Schleswig-Holstein) auf einem Band.
    Heute soll nicht jedes Paket vom Band laufen: Etliche Beschäftigte streiken. (picture alliance / dpa / Bodo Marks)
    "Ich bin um sieben Minuten nach sieben hier angekommen und habe gedacht, bei dem Wetter wird keiner erscheinen. Und zu meiner großen Freude war hier schon der Bär am Tanzen. Keiner hat schlechte Laune, jeder hat gute Laune."
    Charly Fischer steht im strömenden Regen, der auf die Zelte des Streikpostens auf dem Parkplatz vor dem Amazon-Lager in Bad Hersfeld prasselt. Die Streikenden drängen sich eng an den Biertischen unter den Zeltplanen zusammen. Ein Stromaggregat liefert ein bisschen Wärme. Trotz der widrigen Witterungsbedingungen ist die Stimmung gut, es gibt heißen Kaffee und belegte Brötchen. Auch Charly Fischer streikt hier seit über einem Jahr immer wieder dafür, das Amazon endlich mit ver.di über einen Tarifvertrag verhandelt.
    "Auch wenn Amazon nicht wirklich einlenken will und sagt, ver.di ist kein Gesprächspartner. Ich weiß nicht, wer es wäre, Michael Jackson, der Papst - keine Ahnung. Es kann nur ver.di sein und wir lassen uns nicht unterkriegen und wir Aktive werden noch die Bude schön rocken."
    Das glaubt auch Heiner Reimann. Der Frankfurter Gewerkschaftssekretär hat vor Jahren mit der mühseligen Aufbauarbeit von ver.di an den beiden Amazon-Standorten im osthessischen Bad Hersfeld begonnen. Heute ist er froh darüber, dass sich bereits vier von insgesamt neun deutschen Amazon-Standorten am Streik beteiligen. Wichtig ist für Heiner Reimann auch, dass bereits Kontakte zu Amazon-Belegschaftsmitgliedern im benachbarten Ausland bestehen:
    "Also die Bewegung wächst und wir sind mittlerweile so weit, dass wie uns international vernetzen. Wir stehen mit Schwestergewerkschaften in Polen und Tschechien im engen Austausch. Auch da wird es in Zukunft schlagzeilenträchtige Aktionen geben. Allein schon vor dem Hintergrund, dass Amazon das Werk in Tschechien gebaut hat, um auch Deutschland zu entlasten. Sagen wir mal so."
    Mut für die Streikenden in Bad Hersfeld
    Der aktuelle Streik in Bad Hersfeld behindert die Auslieferung von Schuhen und Textilien, hoffen die Streikenden. Insgesamt 3.000 Beschäftigte hat Amazon an zwei Standorten in Bad Hersfeld. Rund 15 Prozent der Belegschaft folgt heute dem Streikaufruf, schätzt Angelika Kappel vom ver.di-Bezirk Osthessen:
    "Ich schätze, im Moment sind zwischen 200 und 250 Kolleginnen und Kollegen hier draußen an dem Standort. Im Laufe des Tages werden wir zwischen 400 und 500 werden. Es ist Schichtbetrieb, die Kolleginnen und Kollegen haben unterschiedliche Anfangszeiten. Und in diesem Zusammenhang denke ich, dass das ganz gut ist."
    Mut gibt den Streikenden in Bad Hersfeld auch der Erfolg, den die Buchverlage im nahen Frankfurt und anderswo zurzeit auf mehreren Ebenen im Konflikt mit Amazon erzielen. Der Versuch, die Bonnier-Gruppe mit Verlagen wie Ullstein oder Piper durch verzögerte Buch-Lieferzeiten dazu zu drängen, Amazon höhere Rabatte bei E-Books und damit mehr Profit zu verschaffen, scheint aktuell ins Leere zu laufen. Außerdem hat der Börsenverein des deutschen Buchhandels jetzt Amazon per Gerichtsbeschluss dazu gezwungen, die Buchpreisbindung in Deutschland einzuhalten. Unter den regennassen Zelten des Streikpostens in Bad Hersfeld kommt das gut an:
    "Ja, es ist schön zu sehen, dass Amazon nicht überall walten kann, wie es will. Es ist schön zu sehen, dass der kleine Mann noch Hoffnung haben kann, eventuell noch was gegen einen US-Konzern auszurichten."