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Ameisenpuppen geben Laut

Ameisen leben in ihren Staaten in einer strengen Hierarchie. Wer in welche Kaste gehört, kommunizieren die Insekten untereinander mithilfe chemischer Botschaften. Neuere Studien zeigen allerdings, dass die Tiere auch Geräusche als Erkennungsmerkmal nutzen. Sogar schon im Puppenstadium lassen junge Ameisen von sich hören.

Von Lucian Haas | 12.02.2013
    Solche Geräusche macht eine Ameisenarbeiterin der Gattung Myrmica mit ihrem sogenannten Stridulationsorgan. Es besteht aus waschbrettartigen Rippen auf ihrem Hinterleib, die sie mit einem Sporn an einem benachbarten Körperabschnitt wie mit dem Plektrum einer Gitarre überstreicht. Durch dieses Stridulieren entstehen die tschirpenden Klänge.

    "Die Geräusche sind nicht sehr laut. Sie sind unterhalb der Grenze, die wir hören könnten. Das heißt, man braucht ein sehr sensitives Mikrofon. Und wir haben noch ein bisschen Technologie mit eingebaut, dass Hintergrundgeräusche eben absolut ausgeschaltet werden."

    Karsten Schönrogge ist Zoologe am britischen Zentrum für Ökologie und Hydrologie in Wallingford bei Oxford. Er erforscht, wie Ameisen miteinander kommunizieren und so ihren Ameisenstaat organisieren. Vieles läuft dabei über den Austausch von chemischen Botenstoffen. Doch auch die akustische Kommunikation spielt offenbar eine wichtige Rolle. Schon vor drei Jahren fand Karsten Schönrogge gemeinsam mit Kollegen von den Universitäten Oxford und Turin heraus

    "dass es Unterschiede gibt zwischen der Stridulation von den Königinnen im Nest und den Arbeitern im Nest. Und wenn man die Aufnahmen zu Arbeitern zurück spielt, dass sie sich dann unterschiedlich verhalten gegenüber den Geräuschen."

    Wenn Arbeiterinnen das Tschirpen von Königinnen vorgespielt bekamen, versammelten sie sich um den Lautsprecher, als hielten sie um die Königin Hof. Beim Tschirpen anderer Arbeiterinnen gingen sie normal ihrer Wege. Angesichts solcher Wirkungen der Ameisenlaute fragten sich die Forscher, ob auch Ameisen in früheren Entwicklungsstadien, also Eier, Larven und sogenannte Puppen, auch schon mit Geräuschen kommunizieren könnten. Es zeigte sich, dass alle jungen Stadien keine Laute von sich geben, bis auf das letzte. Bei Ameisen im späten Puppenstadium, bei dem ihr Chitinpanzer sich zu härten beginnt, lieferten die Mikrofone ein Signal. Es waren keine durchgängigen Geräusche wie bei den Arbeiterinnen, sondern regelmäßige kurze Impulse – wie diese:

    "Das war die eigentliche Überraschung unserer derzeitigen Studie, das heißt, mit unserer Technologie, unserem Aufnahmestudio für Ameisen konnten wir erstmals zeigen, dass die Puppen überhaupt Laute machen."

    Um herauszufinden, wozu das Tschirpen der Ameisenpuppen dient, präparierten die Forscher einzelne Puppen so, dass sie keine Geräusche mehr machen konnten. Interessanterweise wurden die lautlosen Puppen von den Arbeiterinnen kaum noch beachtet oder sogar aufgegeben, so als hätten sie ihren Status im Ameisenstaat verloren.

    "Die sind im Grunde ganz unten gelandet, hinter den Larven. Und nur wenn sie Geräusche machen konnten, konnten sie sozusagen ihrem sozialen Status halten."

    Karsten Schönrogge vermutet, dass sich bei den Ameisen im späten Puppenstadium die Chemie stark verändert. Sie erzeugen keine Brut-Pheromone mehr, tragen allerdings auf der frischen Chitinoberfläche auch noch nicht die jedem Ameisenvolk eigene chemische Signatur der erwachsenen Arbeiterinnen. In dem Übergangsstadium hilft ihnen offenbar die akustische Kommunikation, ihren Platz und Rang im Ameisenstaat zu behaupten. Ameisen nutzen die Geräusche also nicht nur, um zu zeigen, wo sie sind, sondern wer sie sind. Kombiniert mit den chemischen Botschaften verläuft die Kommunikation der Ameisen komplexer als bisher gedacht.