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Amerikanisch-iranische Beziehungen
"Atomverhandlungen nicht gefährden"

Der iranisch-deutsch FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai hat das Einreiseverbot für den iranischen UN-Botschafter in die USA kritisiert. Im Deutschlandfunk sagte er, Provokationen dieser Art seien "politisch dumm" und führten zu atmosphärischen Störungen bei den Atomverhandlungen. Eine Fokussierung auf "Nebenschauplätze" gefährde die bisherigen Erfolge der Gespräche.

Bijan Djir-Sarai im Gespräch mit Stephanie Rohde | 12.04.2014
    Amerikanische Flagge
    Der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai: "Der Iran muss sich von der Botschaftsbesetzung 1979 distanzieren" (dpa/picture-alliance/Stefan Zaklin)
    Stephanie Rohde: Tagelang forderte die US-Regierung vom Iran, dass sie Hamid Abutalebi nicht als neuen Botschafter für die Vereinten Nationen nominieren. Weil der Iran nicht darauf reagiert hat, schaffen die USA jetzt Fakten und sie verweigern dem neuen iranischen UNO-Botschafter die Einreise. Die USA werfen ihm vor, an der Erstürmung der amerikanischen Botschaft 1979 in Teheran beteiligt gewesen zu sein.
    Beitrag: US-Regierung verweigert Irans neuem UN-Botschafter die Einreise (Audio)
    Und am Telefon mitgehört hat jetzt Bijan Djir-Sarai, er ist FDP-Politiker und war bis vor einem halben Jahr noch Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Guten Tag, Herr Djir-Sarai!
    Bijan Djir-Sarai: Hallo, guten Tag, ich grüße Sie!
    Rohde: Hat der Iran das mit der Entspannungspolitik unter dem neuen Präsidenten Rohani also doch alles gar nicht so ernst gemeint?
    Djir-Sarai: Also, in dem Fall würde ich das anders formulieren. Ich glaube schon, dass Herr Rohani - übrigens in meinen Augen auch überraschend, ich hätte das vor einem Jahr anders eingeschätzt -, aber ich glaube schon, dass Herr Rohani an notwendigen Reformen im Iran interessiert ist, daran arbeitet er. Und wir wissen alle ganz genau - das war übrigens in der Vergangenheit genauso -, wir wissen ganz genau, dass die Rahmenbedingungen im Iran für Veränderungen, für politische Reformen sehr schwierig sind. Und daher wäre von unserer Seite aus, von der westlichen Politik her eigentlich zielführend, wenn wir dazu beitragen könnten, die Position der Reformer im Iran zu stärken und nicht zu schwächen.
    Rohde: Aber wie kommt denn der Iran überhaupt auf die Idee, jemanden zu nominieren, der an der Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft beteiligt gewesen sein könnte?
    Djir-Sarai: Schauen Sie mal, grundsätzlich ist es ein Fehler, der Iran hat bis zum heutigen Tag sich nicht für die Besetzung der US-Botschaft in Teheran entschuldigt, das ist ein großer Fehler. Es ist eindeutig ein Bruch des Völkerrechts, da muss sich der Iran deutlich positionieren. Aber auf der anderen Seite ist es genauso unsinnig, wenn der US-Kongress beschließt, quasi einen Vertreter eines Landes nicht ins Land zu lassen. Und vor allem zu einem Zeitpunkt, wo gerade diese schwierigen Themen wie die Atomverhandlungen gerade auf solch einem positiven Weg sind. Mit so einer Aktion zu kommen, ist, glaube ich, in meinen Augen an der Stelle nicht hilfreich. Übrigens ist es, glaube ich, auch ein Novum, dass die USA versuchen, an der Stelle vorzuschreiben, welche Persönlichkeiten ein Staat als UN-Vertreter versenden darf oder nicht.
    "Völlig überzogen"
    Rohde: Aber die Iraner wussten doch, wie die USA reagieren werden, und sie wurden auch gewarnt. Haben sie sich mit dieser Nominierung nicht schlicht total verkalkuliert?
    Djir-Sarai: Wie gesagt, ich habe das ja vorhin schon erwähnt. Die Iraner haben, glaube ich, bis zum heutigen Tag, die politische Führung im Iran hat bis zum heutigen Tag nicht verstanden, sich von diesem politischen Fehler - die US-Besetzung, die Botschaftsbesetzung '79 - zu distanzieren oder sogar zu entschuldigen. Aber auf der anderen Seite, das rechtfertigt nicht die Politik der USA oder des US-Kongresses zu diesem Zeitpunkt. Es gibt keinen Grund, einen Nebenschauplatz so hoch zu hängen und vor allem so zu tun, als wäre das eine wirklich wichtige politische Forderung. Das ist in meinen Augen an der Stelle, was der US-Kongress dort versucht, ist völlig überzogen.
    Rohde: Aber was bezweckt denn der US-Kongress gerade mit diesem Kräftemessen?
    Djir-Sarai: In den USA gibt es viele politische Kräfte, die eine Entspannungspolitik mit dem Iran nicht wollen und die auch ganz klar sich an der Stelle auch gegen den jetzigen Kurs von Präsident Obama stellen. Und diese Gruppen sind auch immer diejenigen, die in der Vergangenheit immer schärfere Sanktionen gegenüber dem Iran gefordert haben. Und diese politischen Kräfte nutzen an der Stelle eine Situation und versuchen dazu beizutragen, dass die Lage eskaliert und am Ende des Tages die 5+1-Gespräche scheitern. Also, diese politischen Kräfte sind nicht daran interessiert, dass Normalität zwischen USA und Iran wieder existiert.
    Rohde: Wie sehr, was glauben Sie, belastet denn diese Affäre, dieser Affront jetzt die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran?
    Djir-Sarai: Es kommt darauf an, wie man jetzt mit dem Thema umgeht. Wenn man eine gemeinsame Lösung letztendlich findet, ist es keine Belastung. Aber wenn man dieses Thema jetzt hochzieht und jetzt wochenlang immer mit schärferen Funktionen, Forderungen, und je nachdem, wie der US-Präsident am Ende des Tages selbst dann reagiert oder reagieren muss, das kann schon zu einer Belastung führen. Und das wäre sehr ärgerlich. Ich habe das persönlich vor einem Jahr nicht für möglich gehalten, aber ich glaube schon, dass diese Atomverhandlungen gerade auf einem positiven Weg sind. Und das wäre wirklich politisch dumm, diese Erfolge jetzt durch politische Nebenschauplätze zu gefährden.
    Fehler nicht wiederholen
    Rohde: Aber wenn Sie sagen, das ist ein Nebenschauplatz, kann das dann wirklich die wichtigen Verhandlungen über das Atomabkommen gefährden?
    Djir-Sarai: Die Atomverhandlungen sind ja nicht immer sachlicher Natur. Gerade bei Verhandlungen, wo Iraner und Amerikaner sich gegenübersitzen, da spielen Emotionen, die Historie ja auch eine Rolle. Und dass die iranisch-amerikanischen Beziehungen seit 1979, seit der Islamischen Revolution im Iran stark belastet sind, das ist ja hinreichend bekannt. Und Provokationen dieser Art, anders kann ich das nicht bezeichnen, Provokationen dieser Art führen selbstverständlich auch zu atmosphärischen Störungen bei den Verhandlungen und können natürlich auch dazu führen, dass auch die jeweilige Position dann sich noch mal härter gestaltet. Man darf, wie gesagt, an dieser Stelle nicht vergessen: Diese Fehler haben wir schon mal gemacht oder hat man in der US-Politik schon mal gemacht. Gerade damals, als der Chatami Präsident im Iran war, hat man die Reformer vom Ausland her nicht unterstützt, sondern von der Bush-Administration damals auch massiv sogar auf Präsident Chatami Druck ausgeübt, die Forderungen immer höher gestellt. Das hat am Ende des Tages nur dazu geführt, dass die Hardliner im Iran sich durchgesetzt haben. Diesen Fehler dürfen wir nicht noch mal machen.
    Rohde: Wie sollte sich denn der Iran jetzt verhalten?
    Djir-Sarai: Von der iranischen Seite müssen ganz klar die Verhandlungen geführt werden. Noch mal was ich am Anfang auch gesagt habe: Die iranische Seite muss sich aber auch von dieser Botschaftsbesetzung ganz klar distanzieren. Die iranische Regierung muss sich auch gegenüber der amerikanischen Regierung dafür entschuldigen, dass so etwas '79 in Teheran geschehen ist. Ich glaube, es ist von beiden Seiten hilfreich, dort auch mal sich ganz klar auch zu den Fehlern der Vergangenheit zu bekennen und ein Stück dann näher zu kommen.
    Rohde: Sagt der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai, der bis vor einem halben Jahr Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe war. Vielen Dank für das Gespräch!
    Djir-Sarai: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.