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Amerikanische Wende

Historisch begründeter Isolationismus war der Grund, warum sich die USA für neutral erklärten, als Deutschland mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg vom Zaun brach. Erst am 8. Dezember 1941 zog auch die US-Armee an die Front. Auslöser war der Angriff Japans auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor.

Von Ralf Geißler | 08.12.2006
    "Gestern - an einem Tag voller Schande - wurden die Vereinigten Staaten unangekündigt und vorsätzlich attackiert von See- und Luftstreitkräften des Japanischen Kaiserreichs."

    Es war die berühmteste Rede seiner Amtszeit. Am 8. Dezember 1941 informierte US-Präsident Franklin D. Roosevelt seine Landsleute über den Angriff auf Pearl Harbor. Die Japaner hatten die Flotte auf der US-Militärbasis im Pazifik fast völlig zerstört. Mehr als 2400 Amerikaner verloren ihr Leben.

    "Ich bitte den Kongress, nach dieser grundlosen und heimtückischen Attacke einen Kriegszustand zwischen den Vereinigten Staaten und dem Japanischen Kaiserreich zu erklären."

    Damit traten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein. Schon länger schwelte mit Japan ein schwerer Konflikt. Das Kaiserreich hatte in Asien mehrere Gebiete besetzt - zum Beispiel in China. Die USA sahen dadurch das Gleichgewicht und ihre Wirtschaftsinteressen bedroht.

    Doch zunächst versuchten beide Seiten, den Konflikt friedlich zu lösen. Auch aus den Kämpfen in Europa hielten sich die USA anfangs heraus. Denn zu Beginn des Zweiten Weltkrieges befand sich das Land in einer Phase des Isolationismus. Anhänger dieser Politik beriefen sich dabei auf einen prominenten Vordenker - den ersten US-Präsidenten George Washington:

    "Die wichtigste Regel, die uns in Bezug auf das Ausland leiten sollte, lautet: Während wir unsere Wirtschafsbeziehungen ausbauen, sollten wir politische Verwicklungen - so gut es geht - vermeiden. Warum unseren Frieden und Wohlstand opfern in den Abgründen europäischer Begierden, Rivalitäten und Launen?"

    Diese Frage stellten sich viele US-Bürger auch, als Deutschland am 1. September 1939 Polen überfiel. Präsident Roosevelt spürte die Kriegsskepsis seiner Landsleute. Er versprach deshalb Neutralität. Doch insgeheim hielt er es für ausgeschlossen, dass sich die USA dauerhaft aus dem Zweiten Weltkrieg heraushalten könnten. Und deshalb folgte seinem Versprechen ein Nachsatz:

    "Aber ich kann nicht jeden Amerikaner auffordern, auch in seinem Denken neutral zu bleiben. Auch ein Neutraler hat das Recht, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Auch von einem Neutralen kann man nicht verlangen, dass er seinen Verstand oder sein Gewissen verschließt."

    In den folgenden Monaten warnte Roosevelt mehrfach, ein Sieg der Achsenmächte Deutschland, Japan und Italien könnte auch für die USA zur Bedrohung werden. Jederzeit müsse man mit einem Angriff rechnen. Mittelfristig arbeitete der Präsident auf eine Kriegsbeteiligung hin. Schon im Mai 1940 bat Roosevelt den Kongress um eine massive Erhöhung des Verteidigungsetats:

    "Die Brutalität eines modernen Angriffskrieges wurde mit ihrem gesamten Horror losgelassen. Neue zerstörerische Kräfte, unglaublich schnell und tödlich, wurden entwickelt. Und jene, die sie beherrschen, sind kühn und unbarmherzig. Keine Verteidigung ist so stark, dass man sie nicht noch mehr stärken müsste."

    Fast 900 Millionen Dollar bewilligten die Abgeordneten für die Aufrüstung. Keine zehn Monate später beschloss der Kongress das Pacht- und Leihgesetz. Es gestattete dem Präsidenten, Rüstungsgüter an befreundete Staaten zu verleihen. Damit waren die USA schon im März 1941 faktisch Kriegsteilnehmer geworden. Doch der offizielle Kriegseintritt erfolgte erst nach Pearl Harbor.

    "Egal wie lange es dauern wird, diese vorsätzliche Invasion abzuwehren. Das amerikanische Volk wird in seiner Rechtschaffenheit einen absoluten Sieg erringen."

    Knapp vier Jahre nach dem Angriff musste sich Japan geschlagen geben. Am 2. September 1945 unterzeichnete das Kaiserreich - wie zuvor schon Deutschland - die bedingungslose Kapitulation. Seitdem haben die USA ihre Rolle als Weltmacht nie wieder in Frage gestellt. Vom Rat eines George Washington, sich aus den Angelegenheiten fremder Staaten herauszuhalten, wollte kein US-Präsident mehr etwas wissen.