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Amnesty kritisiert Flüchtlingsplan
"Stoppen Sie das Massensterben im Mittelmeer!"

"Sichere Wege für Flüchtlinge!" - Die Aktivisten von Amnesty International, die vor dem Bundeskanzleramt demonstrieren, finden das Hilfskonzept für Flüchtlinge, das die EU Staatschefs auf dem Sondergipfel in Brüssel diskutieren, unzureichend. Stattdessen fordern sie die sofortige Wiederaufnahme von Mare Nostrum.

Von Daniela Siebert | 23.04.2015
    Schauspieler Benno Fürmann und Amnesty-Generalsekretärin Selmin Çaliskan demonstrieren unter dem Motto "Flüchtlinge retten - jetzt!" am 23.04.2015 vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.
    "Wir haben eine menschliche Verantwortung, Menschen, die tagtäglich sterben, zu helfen" - Schauspieler Benno Fürmann demonstriert mit Amnesty International für die Rettung von Flüchtlingen. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Über hundert Amnesty-Aktivisten haben sich in knisternde güldene Rettungsdecken gehüllt und vor dem Bundeskanzleramt postiert. Mit Blick zum Gebäude rufen sie:
    "Amnesty International fordert: sichere Wege für Flüchtlinge! Angela Merkel! Stoppen sie das Massensterben im Mittelmeer - sofort!"
    Mit dabei: der Schauspieler Benno Fürmann, selbst Amnesty-Mitglied:
    "Ich finde wir haben eine menschliche Verantwortung, Menschen, die tagtäglich sterben, zu helfen und wir können nicht das Leben vor unserer eigenen Haustür aufhören lassen. Dafür waren zu viele von uns nach dem Zweiten Weltkrieg selber auf der Flucht und die Welt brennt einfach gerade an verschiedenen Ecken."
    Amnesty International will deshalb gerade heute Druck auf die Bundeskanzlerin machen, erklärt Generalsekretärin Selmin Caliskan:
    "Wir stehen jetzt hier, weil wir Frau Merkel auffordern, dass sie sich ganz klar zu einer gemeinschaftlichen – also mit den anderen EU-Ländern - Seenotrettung bekennt und Menschen rettet und nicht mehr sehenden Auges ertrinken lässt durch ihre Entscheidungen, die sie heute fällt."
    Kritik an Zehn-Punkte-Plan
    Aus Sicht von Amnesty ist der Zehn-Punkte-Plan, den die EU-Außenbeauftragte, die Außen- und Innenminister der Mitgliedsländer Anfang der Woche ins Auge gefasst haben, unzureichend. Darin sind unter anderem mehr Geld und mehr Schiffe für Frontex vorgesehen, außerdem soll die Verfolgung der Schlepper verbessert werden inklusive Zerstörung ihrer Boote. Amnesty fordert dagegen eine sofortige Wiederaufnahme der Aktion Mare Nostrum, mit der die italienische Marine vielen Flüchtlingen das Leben gerettet hat:
    "Mare Nostrum hat einfach ein humanitäres Mandat und das, was im Zehn-Punkte-Plan drinsteht, Poseidon und Triton unter dem Frontex-Einsatz zu stärken und zu finanzieren, würde bedeuten, wieder mehr auf Schleuserbekämpfung und auf den Schutz der EU-Grenzen zu fokussieren und nicht darauf zu fokussieren, das Menschen gerettet werden müssen und zwar jetzt."
    Die verbreitete Argumentation konservativer Politiker, mehr Hilfe verursache nur noch größere Flüchtlingsströme, diese Argumentation hält Amnesty International für entlarvt. Selmin Caliskan:
    "Die EU wollte Mare Nostrum nicht unterstützen, weil angeblich Mare Nostrum eine Brücke nach Europa darstellen würde und so verhindert werden sollte, dass noch mehr Migranten und Flüchtlinge übers Mittelmehr nach Europa kommen. Aber es kommen ja immer mehr und das heißt: Es hat garnichts mit Mare Nostrum zu tun, ob mehr kommen oder nicht, sondern alleinig mit den Fluchtursachen Krieg und Gewalt, vor denen die Menschen fliehen müssen."
    "An der Wurzel ansetzen - nicht erst auf dem Mittelmeer"
    Die zahlreichen Touristen, die derweil an diesem sonnigen Tag durchs Berliner Regierungsviertel schlendern, haben so ihre eigenen Gedanken, was die EU in Anbetracht der Flüchtlingswelle übers Mittelmeer tun oder lassen sollte. Klar wird dabei schnell: Einfach zu lösen, ist das Problem auch in ihren Augen nicht:
    "Ganz schwierig, also dass die Politik sich darum kümmert finde ich schon in Ordnung, aber ich denke, dass die Migranten selber auch einen großen Teil der Schuld tragen, diese Menschen sind aus eigenem Willen mit auf das Schiff und da finde ich das immer schwierig, wenn die selber nicht zur Verantwortung gezogen werden."
    "Also die EU sollte vor allem erst mal vor Ort in den Ländern für Ordnung, also für Hilfe sorgen, für Ausbildung usw., weil Afrika gehen soviele Menschen verloren auch, dass es unfair ist, sich die rauszupicken, die dann gerade in unsere Wirtschaft reinpassen, aber dort dann fehlen. Es geht nur, wenn man an der Wurzel ansetzt und nicht erst dann, wenn sie schon auf dem Mittelmeer sind."
    "Also meiner Meinung nach sollte man denen schon helfen – Wie? – Schwierig, weil wenn es viele sind, ist es ja gar nicht so einfach, da eine Lösung zu finden, aber wahrscheinlich mit Wohnung und Bildung als erstes, damit sie dann auch einen Job finden, auf jeden Fall einen Deutschkurs oder so, weil sonst stehen sie ja hier genauso da und haben auch wieder nix."
    "Entscheidend ist für mich, dass man an die Schlepper rangeht und im Prinzip da erst mal die Ursache behebt. Dass im Prinzip die Flüchtlinge rüberkommen, klar ist in Ordnung, aber den Schlepperbanden müsste das Handwerk gelegt werden."