Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Amphibiensterben
Aggressive Ranaviren im spanischen Nationalpark Picos de Europa

Biologie. - Amphibien sind die stammesgeschichtlich älteste Gruppe der Landwirbeltiere und mit Ausnahme der Antarktis auf jedem Kontinent der Erde zu finden. Heute aber kämpfen sie weltweit ums Überleben. Fast ein Drittel aller Arten ist vom Aussterben bedroht oder gefährdet. Eine der größten Gefahren stellt der Chytridpilz dar, der seit den 1980er Jahren die Bestände dahin rafft. In Europa kommen jetzt noch aggressive Viren hinzu.

Von Monika Seynsche | 17.10.2014
    Die Tiere leiden an großen offene Wunden. Ihre inneren Organe fangen an zu bluten, sie spucken Blut und sterben qualvoll. Stephen Price hat das oft gesehen. Seit vielen Jahren beobachtet der Zoologe vom University College London das Massensterben von Amphibien im Picos de Europa Nationalpark im Norden Spaniens. Es begann Anfang des Jahrtausends. Als die Ranger immer wieder tote Kröten, Frösche und Molche entdeckten, schalteten sie die Wissenschaftler ein. Stephen Price und seine Kollegen zählten die Todesfälle, bestimmten die Arten und isolierten zwei verschiedene Ranaviren aus den toten Tieren.
    "Wir konnten zeigen, dass die Populationen von mindestens drei Arten im Picos de Europa gleichzeitig kollabiert sind und dass alle sechs Amphibienarten der Gegend sehr anfällig für diese Ranaviren sind."
    Das ist ungewöhnlich für ein Virus. Ranaviren sind zwar schon länger bekannt dafür, dass sie sowohl verschiedene Amphibienarten, als auch Reptilien und Fische befallen können. Aber seine Studie – so Stephen Price - zeige zum ersten Mal bei verschiedenen Arten gleichzeitig auftretende massive Populationsrückgänge durch ein und denselben Virenausbruch. Auch der auf Amphibienkrankheiten spezialisierte Tierarzt Frank Mutschmann vom Exomed-Institut für veterinärmedizinische Betreuung niederer Wirbeltiere und Exoten in Berlin hält die Studie für bemerkenswert.
    "Das Besondere an dieser Studie zeigt, dass es also verschiedene Viren gibt, die auftreten können, auch gleichzeitig in einem Habitat auftreten können, dass es zwischen den verschiedenen Virusstämmen und den potentiellen Wirten also den Amphibien durchaus unterschiedliche Empfänglichkeiten gibt und es zeigt eigentlich auf, wie groß die Gefahr ist, dass also diese Viren die Bestände dezimieren können."
    Weitere Ausbreitung befürchtet
    Im Picos de Europa Nationalpark sind die Bestände an Geburtshelferkröten, Bergmolchen und Erdkröten eingebrochen.
    Stephen Price: "Zwischen 2007 und 2012 verzeichnen wir bei diesen Arten Populationseinbrüche um 60 bis 100 Prozent. Einige Populationen sind komplett verschwunden. Was die betroffenen Arten angeht, sehen wir, dass die beiden Ranaviren alle sechs im Park vorkommenden Arten anfallen und massiv Opfer fordern."
    Stephen Price fürchtet, dass sich die beiden aggressiven Ranaviren in Europa weiter ausbreiten und immer mehr Amphibienbestände in Bedrängnis bringen. Schützen lassen sich die Tiere in der Wildnis kaum. Zumal die Viren monate-, möglicherweise sogar jahrelang im Boden und Wasser überleben können. Das einzige was helfen könne, sagt Frank Mutschmann, sei ein konsequenter Schutz der Lebensräume der Amphibien.
    "Die Frage ist immer bei solchen Infektionen, sei es Chytrid oder Ranavirus: wie empfänglich ist der Wirt? Das heißt also, stabile Populationen mit einem guten Gesundheitszustand, einem guten Ernährungszustand und wenig Umweltstress sind natürlich wesentlich resistenter gegenüber diesen Viren, als auch gegenüber dem Chytridpilz, als ohnehin schon gestresste Populationen. Und das ist eigentlich der Hintergrund und das ist das Hauptproblem dass wir also unheimlich viele negative Einflüsse auf die Amphibienpopulationen haben und dann sind solche Infektionskrankheiten natürlich der letzte Schritt. Die machen, um es etwas lapidar zu sagen, dann das Licht aus."