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An der Grenze des Machbaren

Flugboote von Claude Dornier hatten schon jahrelang ihre Praxistauglichkeit bewiesen. Dann beschloss der Fabrikant, das Konzept auf die Spitze zu treiben und für den kommerziellen Transatlantikverkehr eine Art fliegendes Schiff zu bauen.

Von Mathias Schulenburg | 27.08.2011
    "Die gesamte amerikanische Presse berichtet begeistert von der Ankunft der Do X. Das Riesenflugschiff Do X mit einer Spannweite von 48 Metern, einer Bootslänge von 40 Metern und der Höhe von elf Metern findet uneingeschränkte Bewunderung in ganz Amerika. Vor dem Rathaus von New York gibt der Bürgermeister der Millionenstadt der Do-X-Besatzung einen ehrenden Empfang."

    Ein historischer Film des Dornier-Museums in Friedrichshafen am Bodensee. Der behauptete Jubel ist glaubhaft, denn die Do X, die am 27. August 1931 in New York landete, war ein bemerkenswertes Gefährt, das aus einem Vorkriegs-Bondfilm hätte stammen können – ein fliegendes Schiff, das ein halbes Fußballfeld belegt hätte! Der Schiffscharakter schien den zuständigen Behörden so zwingend, dass sie die fliegende Besatzung mit Seemannsbüchern ausstattete. Ein zeitgenössischer Werbefilm beschrieb das Unikum:

    "Wie ein Ozeandampfer ist die Do X in drei Decks unterteilt. Im Oberdeck befinden sich das Cockpit, der Maschinenraum und der Funkraum. Im Hauptdeck liegen die luxuriös ausgestatteten Salons mit Platz für 66 Fluggäste. Gediegenes Porzellan, eine geschmackvoll gestaltete Speisekarte",

    die als einziges Gericht allerdings nur "Kalte Platte" vorsah, ein böses Omen?

    "Bordtelefon, Schreibmaschine, alles steht zur Verfügung der Passagiere. Die Salons sind mit eleganten Polstermöbeln ausgestattet. Sie lassen sich teilweise sogar in Liegeflächen umwandeln."

    Ein bisschen geschummelt war das schon. Streckenweise hatte man auf dem langen, pannenreichen Repräsentationsflug nach New York – der über zahlreiche Zwischenstationen, unter anderem die südamerikanische Küste, entlang führte und tatsächlich zehn Monate in Anspruch nahm – das edle Inventar aus Gewichtsgründen ausgebaut und per Schiff hinterher geschickt, denn das Flugboot Do X hatte nicht genug Kraft.

    Claude Dornier, der Konstrukteur, war, wie es sich für einen Pionier gehört, an die Grenze des Machbaren gegangen und hatte für die Do X ein Gewicht vorgesehen, das nur von den stärksten damals verfügbaren Motoren gehoben werden konnte, und die schafften es nur gerade mal.
    Und was die Schaulustigen auch nicht wussten: Claude Dornier und seine Unternehmen standen wegen globaler politischer Entscheidungen vor der Pleite. Die Do X hatte es überhaupt nur durch eine Finanzhilfe des deutschen Verkehrsministeriums bis nach New York geschafft.

    Und als das Flugboot dann in einem New Yorker Hafen vor Anker lag, war die Besatzung bar aller Mittel und hielt sich mit Flugbootführungen und Souvenirverkäufen über Wasser. Schließlich fuhr der größte Teil der Männer mit einem Linienschiff nach Hause, kehrte aber zurück, um die Do X in einer neuen Atlantiküberquerung wieder nach Berlin zu bringen. Dort landete sie nach fünftägigem Flug unter riesigem Jubel auf dem Müggelsee.

    In der Heimat startete das Flugboot zu einer Besichtigungstour, genügend zahlende Passagiere aber fanden sich nicht ein. Auch die deutsche Rundreise endete mit einem Missgeschick. Das fliegende Schiff setzte zu steil auf einem See auf und das Heck knickte ab. Claude Dorniers Stolz endete schließlich in einem Berliner Museum, wo das Flugzeug 1944 von alliierten Bomben zerstört wurde.

    Kleinere Flugboote der Dornier-Werke wie der Wal waren dagegen sehr erfolgreich und eine Säule des militärischen wie zivilen Geschäfts. Diese Flugbootklasse hat sogar einen modernen Nachfolger bekommen, dessen dem Seewasser ausgesetzte Teile aus korrosionsfesten Kunststoffen bestehen, wartungsarm und nützlich für alle möglichen staatlichen Dienste, für Schmuggler sowieso und als kleine fliegende Jacht für den, der sonst schon alles hat.