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An der Uni überwintern

60.000 mehr Bewerbungen als letztes Jahr sind bei den britischen Universitäten eingegangen. Eigentlich eine gute Sache, sollte man meinen, aber die Hochschulen sind in finanziellen Schwierigkeiten. Kein Wunder also, dass zahlreiche Rektoren fordern, die Studiengebühren zu erhöhen.

Von Matthias Becker | 20.08.2009
    Auch wenn die Börsenkurse gerade wieder steigen - auf dem britischen Arbeitsmarkt ist der Abschwung noch lange nicht vorbei. Immer noch gehen Firmen pleite oder bauen Stellen ab. Besonders hart trifft es Jugendliche und junge Erwachsene: Fast jeder fünfte Brite unter 25 ist gegenwärtig arbeitslos. Auch für Uni-Absolventen sind die Aussichten düster, berichtet Jenny Owen, die Leiterin der Berufsberatung an der University of London.

    "Manche schicken tausende und abertausende Bewerbungen los und hoffen, auf diese Art einen Job zu finden. Eine sehr großer Teil hat sich aber entschieden, an der Uni zu bleiben und einen weiteren Abschluss zu machen. Fast alle Master- und PhD-Studiengänge sind überbelegt. Andere wiederum machen ein Auslandsjahr oder gehen in Urlaub. Sie warten darauf, dass die Aussichten besser werden, bevor sie zurückkommen und es noch einmal versuchen."

    Die Wirtschaftskrise steigert die Nachfrage nach Studienplätzen. Die Bewerber wollen Lücken im Lebenslauf vermeiden und später mit einer besseren Qualifikation erneut ins Rennen gehen. 60.000 mehr Anträge als letztes Jahr sind bei den Universitäten eingegangen. Eine von denen, die auf der Universität sozusagen überwintern, ist Julia Norton. Nach ihrem Bachelor in Musikwissenschaft fand sie zwar eine Stelle als Verkäuferin, aber sie war unzufrieden mit ihrem Lohn. Nun ist sie wieder Studentin.

    "Ich dachte mir: 'Na ja, ich bin pleite und arbeite, da kann ich genauso gut pleite sein und studieren.' Und glücklicherweise können mich meine Eltern ein bisschen unterstützen. Ich fand es sehr schwer, eine Stelle zu finden. Wenn du eine Stelle in dem Bereich suchst, den du studiert hast, dann ist es unglaublich schwer."

    Eigentlich sollte es ganz im Sinne der Regierung Gordon Browns sein, dass nun mehr Menschen als je zuvor auf die Uni wollen. Schließlich hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, dass bald jeder zweite Schulabgänger eine Hochschule besucht. Aber nun übersteigt die Nachfrage nach Studienplätzen das Angebot bei weitem. Viele Bewerber werden leer ausgehen - sagt Paul Cottrell von der Gewerkschaft University and College Union.

    "Die Zahl der Bewerbungen ist im Vergleich zu letztem Jahr um ein Drittel gestiegen. Nun hat die Regierung, sozusagen als Notfallmaßnahme, Geld für 10.000 zusätzliche Studienplätze bereitgestellt. Aber das wird nicht ausreichen. Außerdem gibt es nur in bestimmten Fachgebieten zusätzliche Plätze, und die Zuschüsse der Regierung decken die Kosten nicht vollständig."

    Vor drei Jahren wurden in England Studiengebühren eingeführt. Seitdem können Universitäten bis zu 3200 Pfund pro Studienjahr verlangen. Das entspricht etwa 3700 Euro. Wegen ihrer finanziellen Schwierigkeiten fordern nun immer mehr Uni-Rektoren, die gesetzliche Obergrenze anzuheben oder sie gleich ganz abzuschaffen. Auch die 1994 Group, ein Dachverband von neunzehn Universitäten, will höhere Studiengebühren. Verbandssprecher Alistair Jarvis:

    "Das Problem ist doch, mit unseren jetzigen Einkünften können wir die Qualität nicht aufrecht erhalten. Die Universitäten brauchen einfach mehr Geld. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder höhere Einnahmen oder geringere Ausgaben, also weniger Studenten. Wir sagen, der beste Weg ist, die Grenze für die Gebühren so weit anzuheben, dass die Universitäten genug einnehmen können und Wettbewerb auf dem Hochschulmarkt entsteht."

    Die Forderung nach höheren Studiengebühren wird wahrscheinlich erfüllt werden. Der zuständige Minister Lord Peter Mandelson hat bereits seine Zustimmung angedeutet. Die Studierenden sind von dieser Aussicht nicht begeistert. Zum Beispiel Julia Norton:

    "Die Gebühren sind schon jetzt sehr teuer, und dazu kommen auch noch die Lebenshaltungskosten. Oder man muss so viel arbeiten, dass man gar nicht mehr studieren kann. Es ist doch unsinnig, einerseits die Leute zu ermutigen, auf die Uni zu gehen, und es ihnen dann unglaublich schwer zu machen."