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"An dieser Anlage hängt alles"

Die in Rekordzeit errichtete Wasseraufbereitungsanlage im japanischen Katastrophen-AKW Fukushima ist erneut abgeschaltet worden. Wann sie endlich dauerhaft funktionieren wird, darüber kann man "eigentlich nur spekulieren", meint Wissenschaftsredakteurin Dagmar Röhrlich.

Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Theo Geers | 28.06.2011
    Theo Geers: Endlich mal eine gute Nachricht aus Fukushima, so sah das gestern Mittag aus. Die in Rekordzeit errichtete Wasseraufbereitungsanlage funktioniere, meldete der Betreiber der Atomruine, der japanische Atomkonzern Tepco. Mit der Anlage soll das radioaktiv verseuchte Kühlwasser dekontaminiert werden, was laienhaft ausgedrückt bedeutet, dass die lebensbedrohliche Strahlung aus dem Kühlwasser quasi herausgefiltert wird. Doch ein paar Stunden später dann schon wieder der Rückzieher: so richtig funktioniere das ganze immer noch nicht, erklärte Tepco kleinlaut. Dabei zählt bei der Inbetriebnahme dieser Anlage jeder Tag, und genau darüber will ich jetzt mit meiner Kollegin Dagmar Röhrlich im Studio sprechen. Frau Röhrlich, wenn diese Kühlwasseraufbereitungsanlage endlich liefe, wäre das dann eine gute Nachricht?

    Dagmar Röhrlich: Das wäre eine sehr gute Nachricht und es ist zu hoffen, dass dieses Leck in der Pipeline, das im Moment aufgetreten ist - von der Stelle, wo das kontaminierte Wasser gesammelt wird, hin zu der Behandlungsanlage ist ein Leck aufgetreten -, gestopft werden würde. Man käme weiter, das wäre schon sehr gut. Man hat diese Anlage in vier Stufen aufgebaut. In der ersten wird das Öl abgeschieden, was da drin ist, dann kommt ein Cäsium-Filter, der besteht aus Zeolith- Das ist so ein Mineral, das dieses radioaktive Cäsium rausfiltern kann. Dann gibt es eine nächste Stufe für chemische Stoffe, und dann wird noch mal entsalzt, im Moment mit Membranen oder, wenn es dann läuft, mit Membranen. Ab August möchte man das ganze dann versalzen, damit man schneller zurande kommt, denn so bekomme ich nur die radioaktive Belastung um den Faktor 1.000 bis 10.000 herunter. Das reicht, um ein Drittel des Wassers, das pro Tag behandelt wird, wieder als Kühlwasser einzusetzen, damit ich nicht immer neues Kühlwasser reinpumpe und damit immer neues Wasser, das entsorgt werden muss, produziere. Aber das reicht natürlich nicht, um es irgendwann mal in die Umwelt rauszulassen, weil da erst Grenzwerte überschritten werden müssen.

    Geers: Bleiben wir noch mal kurz bei der Technik, Frau Röhrlich. Sie haben ja schon erklärt, wie das jetzt gewissermaßen herausgefiltert wird, die radioaktive Strahlung. Wir müssen aber vielleicht unseren Hörern noch mal kurz erklären: es geht wirklich darum, bisher werden die havarierten Reaktoren ja im Grunde immer wieder mit frischem Wasser gekühlt. Das heißt, das wird dann radioaktiv belastet, und es wird immer mehr, weil sich immer mehr von diesem Wasser in den Reaktorgebäuden ansammelt und die Sanierungsarbeiten behindert. So ist es doch, oder?

    Röhrlich: Zum einen wird alles, was man irgendwie auffangen kann, in irgendwelche Zwischenlager reingepumpt. Die sind aber randvoll. Gleichzeitig sind ja die Behälter nicht mehr intakt, die Reaktordruckbehälter, die Sicherheitsbehälter. Da scheint es, mehr oder weniger große Lecks und Risse zu geben, sodass auch noch Wasser herausläuft, und dieses Wasser ist dann sehr stark kontaminiert, strahlt sehr, sehr stark und macht auch ein Großteil der Belastung aus, die man hätte, wenn die Arbeiter dort jetzt reingehen könnten. Wenn ich mit der Rettung der Situation weiterkommen will, muss dieses Wasser aus den Gebäuden heraus, und solange das dort drin ist, habe ich keine Chance, mit den Arbeiten anzufangen.

    Geers: Bleiben wir noch mal bei der Filterung – ich nenne es jetzt mal etwas laienhaft – von diesem radioaktiv verseuchten Wasser. Wenn jetzt die radioaktiven Partikel, nenne ich es jetzt mal etwas laienhaft, dort herausgefiltert werden, was macht man dann mit diesem Zeug? Wo bleibt diese Radioaktivität, die man aus dem Wasser herausfiltern würde?

    Röhrlich: Das wird man dann als feste Stoffe irgendwann mal endlagern müssen und zunächst mal sammeln. Auf dem Gelände dort entsteht also eine ganz ordentliche Altlast.

    Geers: Was schätzen Sie denn, wann diese Anlage endlich funktionieren wird? Es hat ja jetzt schon mehrfach Meldungen wie die von gestern gegeben, wo es hieß, die Anlage läuft, und ein paar Stunden später war es dann wieder zu Ende mit dem "Wasser marsch" in Fukushima. Wann sind die endlich so weit?

    Röhrlich: Da kann man jetzt eigentlich nur spekulieren, denn solche Fehler – das wird alles sehr schnell zusammengebaut; die Arbeiter dürfen jeweils nur eineinhalb Stunden auf dem Gelände arbeiten. Man hat also einen permanenten Wechsel, wodurch natürlich auch Ungenauigkeiten, Fehler passieren. Was vergangene Woche der Fehler war - da hat sich die Anlage zugesetzt mit riesigen Strahlungswerten -, da weiß keiner, was da eigentlich passiert ist. Die Analyse der Fehler ist also auch einfach noch nicht möglich. Es wird bestimmt ein paar Tage noch dauern, und ob sie dann wirklich auch dauerhaft täglich zur Verfügung steht, das ist auch noch mal so eine Sache. An dieser Anlage hängt alles, aber es ist eine sehr kritische Sache.

    Geers: Das wäre dann ja auch eine Lösung oder eine Zwischenlösung, sagen wir es mal so, für die havarierten Reaktoren I, II und III. Da haben wir das Kühlwasserproblem in den Reaktoren selbst. Ganz kurz noch gefragt, Frau Röhrlich: In Block IV, da ist es ja eher das Abklingbecken. Was passiert da im Moment?

    Röhrlich: Da hat man jetzt so einen Wald von Stahlstützen druntergebaut, damit das Gebäude nicht zusammenfällt. Das ist jetzt erledigt, da ist man ein bisschen sicherer. Aber dort läuft Wasser heraus und keiner weiß genau, warum und wieso und weshalb.

    Geers: In Fukushima geht es nur langsam voran. Die radioaktive Strahlung behindert auf Schritt und Tritt, kann man fast sagen, die Arbeiten weiter. Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn so etwas hierzulande oder in Frankreich passiert wäre oder passieren würde. Dagmar Röhrlich, vielen Dank.

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