Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Analphabetismus
Schwierigkeiten mit dem ABC

Eine neue Studie mit einem erschreckenden Ergebnis: 7,5 Millionen Deutsche können keine einfachen Texte lesen oder schreiben, gehören damit zu den funktionalen Analphabeten. Und das in einem hoch technisierten Industrieland. Tendenziell werden die Zahlen sogar noch steigen - und Schuld daran ist gerade der technische Fortschritt.

Von Anja Kempe | 18.08.2014
    Das Wort "Alphabet", zusammengesetzt aus Buchstaben-Nudeln
    Das Wort "Alphabet", zusammengesetzt aus Buchstaben-Nudeln (picture alliance / Universität Jena)
    - Marlene B: "Mä, Määänschen."
    - Dozentin: "Sag' mal das Wort, was du schreiben wolltest."
    - Marlene B: "Menschen. Meee."
    - Dozentin: "Ja! Genau. Menschen. Da muss man das mit e schreiben."
    Wie schreibt man Menschen? Acht Männer und Frauen sitzen im Alphabetisierungskurs der Volkshochschule Düsseldorf. Die Teilnehmer schauen in ihre Hefte und buchstabieren vor sich hin. Manchmal klingelt ein Handy. Und oft hat jemand eine Frage, dann hilft die Dozentin weiter. Das Hauptproblem für Analphabeten ist, so berichten sie, dass sie die Wörter nach Gehör schreiben.
    "Ich hab es bisher immer so geschrieben, wenn mir jemand sagt, Banane, dann habe ich das auch so, wie ich es gehört hatte, auch geschrieben: Bananä. Genau wie bei Auto. Da überlegt man, kommt da jetzt ein d oder ein t hin. Aber wenn man längere Zeit nachdenkt, dann hört man auf jeden Fall das t da drin. Weil, Audo hört sich ja nicht an."
    Die Kurse an den Volkshochschulen sind in der Regel kostenfrei und offen. Das heißt, wer sich anmeldet, kann jederzeit dazukommen und an den Übungen teilnehmen. Alle Altersgruppen sind vertreten. Es gibt Kurse für Fortgeschrittene, doch die meisten Teilnehmer gehen in die Anfängergruppe, oft für lange Zeit. Hier lernen sie, die hundert gebräuchlichsten Wörter zu lesen und zu schreiben.
    "So. Wortsammlungen haben wir ja schon öfters gemacht, ihr sagt Wörter, wir machen erstmal so eine Wortsammlung."
    "Wenn wir an der Haustür gesagt hätten, wir forschen nach Analphabetismus, dann hätten wahrscheinlich gerade die Analphabeten gesagt, ich mache nicht mit. Deswegen haben wir das nicht gesagt."
    Eine Studie liefert unerwartete Ergebnisse. 8.500 Erwachsene, repräsentativ für Deutschland, wurden mit Testheften konfrontiert. Es wurde "die Lese- und Schreibfähigkeit im niedrigsten Kompetenzbereich, dem sogenannten Level One" untersucht. "Level One" heißt, es können in besten Fall kurze Sätze geschrieben und gelesen werden. Aus der Erhebung herausgenommen wurden Migranten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Gefördert wurde das Projekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
    7,5 Millionen Analphabeten in Deutschland
    Professorin Anke Grotlüschen vom Erziehungswissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg ist seine Leiterin. Das Resultat ist auch für sie schockierend.
    "7,5 Millionen funktionale Analphabeten in Deutschland, das sind 14,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Funktionaler Analphabetismus bedeutet, man unterschreitet die Textebene. Man kann also Texte weder vernünftig lesen, verstehend lesen, noch kann man sie zu Papier bringen. Und das sind im Ergebnis fast doppelt so viele, wie wir geschätzt haben. Die bisherigen Schätzungen lagen bei vier Millionen betroffenen Erwachsenen."
    7,5 Millionen erwachsene Menschen in Deutschland können keine Texte lesen und schreiben. Die Bundeszentrale für politische Bildung bemerkt aktuell auf ihrer Homepage, das seien mehr als die fünf bevölkerungsreichsten deutschen Städte Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main zusammen an Einwohnern haben.
    "Die allgemeine Öffentlichkeit hat sehr irritiert reagiert, wie kann das sein. Analphabetismus ist in Deutschland sehr skandalbehaftet, bei uns im Land der Dichter und Denker, wo man nur langsam dahinter kommt, dass Dichten und Denken nicht Lesen und Schreiben ist. Und dann vielleicht zugeben kann, dass man das vielleicht nicht so gut beherrscht."
    Im Düsseldorfer Schreib- und Lesekurs sollen die Teilnehmer ihre Lieblingswörter buchstabieren.
    "Ziele. Wie wird "Ziele" geschrieben?"
    Brian S. fuchtelt mit dem Radiergummi herum. Er ist 20 Jahre alt und besucht seit einem Jahr den Kurs. Er hat das Ziel, seine Einkaufsliste einmal schreiben zu können.
    "Ich habe denen gesagt, was meine Fehler sind und was ich nicht kann und was ich im Leben erreichen möchte. Wo kann man noch was bei mir rausholen, wo ist noch Leistung zu holen, was kann ich noch alles schaffen? Habe dann dieses Feedback von der Lehrerin bekommen, sie sind auf jeden Fall noch schulfähig, sie können es noch schaffen. Und deshalb ist es mein Ziel, wirklich noch mal mit der Schule neu zu beginnen. Und habe mir gesagt, jetzt musst du es anpacken, jetzt musst du es schaffen, ansonsten gehst du im Leben unter."
    Brian S. radiert. Joghurt wird mit J geschrieben.
    - "Also, ich habe das Problem, dass ich Y und J manchmal vertausche beim Schreiben. Ich erkenne den Unterschied gar nicht da drin. Ob das jetzt ein J oder ein Y ist, ich weiß es gar nicht. Beim Joghurt zum Beispiel schreibe ich mit Y anstatt mit einem J. Das kann ich gar nicht auseinanderhalten."
    - "Eure Lieblingswörter, darum ging es. Vielleicht hast du nur drei Lieblingswörter."
    - Brian S: "Also, Nusscreme. Buchstabiert: Nusscreme."
    Lebensuntüchtig oder dumm sind Analphabeten nicht. Sie trainieren ihr Gedächtnis, sie merken sich all das, was andere Menschen sich aufschreiben müssen, Adressen, Verabredungen und Kalendertermine. Die Dozentinnen Ulla Lindenbeck-Raven und Uta zum Kolk:
    Uta zum Kolk: "Manche sind sehr ehrgeizig. Aber unser Problem ist, dass viele Leute kommen, die ganz, ganz unten anfangen, das ist nicht so einfach. Wirklich nicht. Es ist manchmal so, dass sie da wieder anknüpfen, wo sie mal als Kinder gestartet sind. Manche sind hierher gekommen und haben so den Stift gehalten."
    Ulla Lindenbeck-Raven: "Da gibt's welche, die das ganz ernsthaft betreiben und es gibt aber auch welche, die denken, ich habe mich jetzt angemeldet. Und jetzt ist das wie eine Medizin, vielleicht komme ich zweimal, und dann kann ich es. Manche fragen auch, wie lange dauert das denn? Und dann sage ich, das hängt von ihnen ab. Wenn sie regelmäßig kommen, jede Woche zweimal. Und zuhause dann auch was lesen oder auch mal was schreiben, dann wird das besser. Aber wenn sie das nicht machen, dann passiert auch nix. Wenn man Glück hat, viele von den Jüngeren, die gehen ins Internet. Und da haben die viel Lesen gelernt auch."
    Analphabetismus in einem hoch entwickelten Land
    Wer im Internet surft und einen Text lesen möchte - und sei es den Titel eines Musikstückes, das er gern anhören will -, gibt sich Mühe, dass es klappt. Auch in Entwicklungsländern praktizieren Hilfsorganisationen diese Methode, um Menschen das Lesen und Schreiben beizubringen. Die Motivation ist groß und dementsprechend auch der Erfolg. Deutschland allerdings ist kein Entwicklungsland.
    Ulla Lindenbeck-Raven: "Man muss sich anstrengen. Und viele dieser sieben Millionen, ich glaube, sind das einfach nicht mehr gewöhnt. Die würden nicht sich die Mühe machen, irgendetwas zu lesen. Das ist zu anstrengend."
    Uta zum Kolk: "Ich habe oft gehört von Teilnehmern, dass sie genügend andere kennen, die es auch nicht können. Das ist ein Phänomen, das weit verbreitet ist. Und ich fürchte, es nimmt auch zu."
    - "So, ich schreibe ein Wort an die Tafel."
    Im westafrikanischen Staat Niger sind 80 Prozent der Bevölkerung Analphabeten. Der Niger ist laut UN-Index eines der ärmsten Länder der Welt mit dem niedrigsten Bildungsgrad. Und die vielen Analphabeten sind Ausdruck dieses Entwicklungsstands.
    Die Analphabetenquoten in Gesellschaften mit hoch entwickeltem Bildungssystem aber scheinen im Widerspruch zu deren Entwicklungsniveau zu stehen. Einerseits ist das ein erbärmliches Zeugnis für eine hoch entwickelte Gesellschaft. Andererseits drängt sich die Vermutung auf, es könnte vielleicht keine zwingende Notwendigkeit bestehen, dass alle Menschen lesen und schreiben können. Und dass vielleicht 7,5 Millionen Analphabeten in Deutschland die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Abläufe in keiner Weise schwächen oder stören, dass durch sie weder die kulturelle Vielfalt schrumpft noch das Bruttoinlandsprodukt sinkt.
    "A, B, C, D oder so geht es dann weiter. Aber da will ich mich nicht festlegen. So ein Professor bin ich nicht. Das weiß ich nicht auswendig, das ABC!"
    Werner K. lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Man muss ja nicht alles können, ist seine Devise. Schließlich gibt es auch Leute, die nicht wissen, wie man sich die Zähne putzt oder wie man Kartoffeln kocht. Er ist 44 Jahre alt. Er besucht in Koblenz einen Alphabetisierungskurs.
    "Ja, da muss ein d kommen. Aber ich denke, das ist auch nicht so wichtig. Wenn das für mich so wichtig wäre, das ABC, dann würde ich es direkt machen; aber ich will jetzt nicht noch in die Hochschule gehen oder was, nur für den Alltag, was man so braucht, und dann reicht das schon. Das reicht."
    Trotz Analphabetismus berufstätig
    Werner K. hat sein Leben lang gearbeitet. Und die Bezeichnung seines Berufs kann er schreiben. Er ist Zinngießer. Da muss man rechnen können.
    "Wenn man rechnen kann, geht's. Mit dem Rechnen habe ich noch nie ein Problem gehabt. Ich habe Sachen hergestellt, gegossen und so weiter. Und da muss ich dann soundsoviele Stückzahlen von haben. Und wenn man die errechnen kann, dann war das kein Problem. Und bezahlt haben die sehr gut, ich habe immer mehr Geld gekriegt als Tarif. Also, man kann da gut leben."
    Jeder vierte Maler, Gärtner, Koch ist Analphabet. Dieses Ergebnis brachte die Hamburger Studie.
    "Es haben die Mehrheit dieser 7,5 Millionen durchaus Schulabschlüsse, fast 80 Prozent haben einen Schulabschluss. Dann haben wir festgestellt, dass über die Hälfte davon beschäftigt ist, wo wir wissen, dass Betroffene durchaus Arbeit finden. Bei den Lehrberufen, Gärtner, Maler, Köche - also es gibt Möglichkeiten, auch ohne große Literalität auch eine theoretische Berufsschulprüfung zu bestehen."
    "Man hat sich was aufgebaut im Leben. Ich habe dicke Autos gefahren und dies und das, BMWs gefahren und alles. Im Beruf hab' ich mich immer durchgeboxt, die waren sehr zufrieden mit mir.
    Marlene B. hat 15 Jahre an einer Tankstelle gearbeitet, dann wechselte sie in ein Autohaus.
    "Ich habe Wagenpflegerin gelernt. Und da bin ich sehr stolz drauf, dass ich in meinem Leben so viel gebracht habe, auf jeden Fall, ich habe es geschafft."
    Ulla Lindenbeck-Raven: "Manche haben halt einen Abschluss. Da wundere ich mich, da frage ich auch, wie kann das sein? Wieso?"
    Ulla Lindenbeck-Raven, die VHS-Dozentin, erkundigt sich bei den Teilnehmern oft, wie sie ihre Schulzeit über die Bühne gebracht haben:
    "Dann sagen die, in der Schule habe ich eigentlich immer hinten still gesessen. Ich habe da eigentlich nie gelesen, die Lehrerin hat mich jeden Morgen gefragt, willst du lesen, dann habe ich Nein gesagt und dann hat sie gesagt, ist gut."
    "Ja. Man mogelt sich so durch."
    Jutta S. ist gelernte Köchin. Erst mit 37 Jahren hat sie sich entschieden, lesen und schreiben zu lernen.
    "Ich habe ein Hauptschulabschlusszeugnis und im 5. Schuljahr sagte die Deutschlehrerin, du kannst das Diktat ja mal versuchen, musst du aber nicht. Und die anderen Fächer, Geschichte, Erdkunde, da ging es hauptsächlich ums Erzählen können. In den anderen Fächern wurde Rechtschreibung nicht bewertet. Ich hab es auch nicht unbedingt vermisst."
    Im Gegensatz zur Legasthenie, der sogenannten Lese- und Rechtschreibstörung, der eine genetische Disposition oder eine Schädigung des Gehirns beispielsweise während der Schwangerschaft zugrunde liegt, hat Analphabetismus überwiegend soziale Ursachen. Das Elternhaus, das liegt auf der Hand, hat großen Einfluss. Wenn Eltern die sogenannte Literalität nicht fördern beziehungsweise selbst nicht lesen und schreiben können, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihre Kinder nicht oder schlecht lesen und schreiben. Die Analphabetismusforscherin Anke Grotlüschen hat auch im Schulsystem nach Gründen gesucht.
    "Wir haben Betroffene, die immer wieder sagen, sie sind durchgezogen worden, oder auch, man hat sie ignoriert. Man hat sie nicht unterstützt. Und genau deswegen haben sie dann Lesen und Schreiben nicht mehr vernünftig lernen können. Allerdings, wir haben ganz erhebliche Abweichungen in den Datensätzen zwischen teilnehmenden -, die an den Volkshochschulen Kurse belegen und nicht teilnehmenden Analphabeten. Die Befragungsdaten weisen darauf hin, dass, wenn man den Teilnehmenden und den Adressanten dieselbe Frage stellt, dass die Ergebnisse stark abweichen. Teilnehmende sagen, meine Schule war furchtbar, Adressaten sagen, meine Schule war normal. Beide können gleichmäßig schlecht lesen und schreiben. Und wir wissen noch nicht, woran das liegt. Also, ob die Volkshochschulen den Grund für das Lesedefizit externalisieren und sagen, es war die Schule, die Schule ist schuld und dadurch bei den Lernern auch Motivation und Zuversicht erzeugen. Das ist pädagogisch wichtig. Verzerrt aber die Daten. Ich weiß nicht, ob das in der Mehrheit der betroffenen Analphabeten wirklich so war, oder ob die von sich im Rückblick auch sagen würden, ja Leute, ich habe auch einfach nicht hingehört. Ich war ganz froh, dass die Lehrerin nachgegeben hat und ich mit meinem Schulabschluss da raus konnte. Weil die froh waren, dass sie mich los sind. Mir war es egal."
    Fähigkeiten gehen auch verloren
    Auch die erfolgreich beschulte Mehrheit ist nicht ein Leben lang gefeit vor funktionalem Analphabetismus. In Großbritannien zeigen sogenannte Längsschnittstudien zu alltagsmathematischen Fähigkeiten Arbeitsloser: Wer nicht anwendet, was er kann, der verlernt seine Kenntnisse. Innerhalb kürzester Zeit sinken die Kompetenzen ab – aufgrund mangelnden Gebrauchs.
    "Man hat also vergessen, was man gelernt hat. Das ist die Überraschung. Früher hieß es ja, was du gelernt hast, das hast du für immer, das kann dir keiner mehr wegnehmen. Wir wissen inzwischen, dass das geht. Das ist ein völlig neues Forschungsthema."
    Von den 7,5 Millionen Analphabeten in Deutschland gehen nur 0,3 Prozent in Alphabetisierungskurse. 0,3 Prozent. Und von denen geben viele nach ein paar Wochen auf. Andrea D. hat Gründe, den Kurs zu Ende zu bringen.
    "Ich bin 37 Jahre alt und ich mache Pflanzen. Zierpflanzengärtner. Und da wollte ich mal, dass ich da auch im Leben ein bisschen weiterkomme. Dass ich auch mal meine Sachen selber ausfüllen kann und so weiter. Weil, das ist so schwer, wenn man Anträge ausfüllen muss. Und man kann das nicht lesen oder nicht schreiben. Und darum ist es auch wichtig, lesen und schreiben zu können. Dass man das auch ein bisschen begreifen tut."
    Auch Werner K. aus Koblenz behält das ABC im Auge. Er sieht das ganz praktisch. Manchmal gibt es Situationen im Leben, da ist es gut, wenn man lesen kann.
    "Wenn man an eine Imbissbude geht, wenn man dann so gut wie nix lesen kann, ist es schlecht. Und dann wollte ich das nachholen, was ich früher versäumt habe, weil ich zu faul dafür war. Ich habe gedacht, warum soll ich lesen lernen, wenn ich es doch nicht brauche. Aber im Nachhinein sieht man, dass man es doch braucht. Dann denkt man darüber nach, dass man auf einen grünen Ast wieder kommt, dass man Zeitung lesen kann oder solche Sachen."
    Werner K. ist zufrieden mit seinen Fortschritten. Er liest manchmal in einem Buch.
    "Die Nudel lag auf dem Gehsteig. Käsesoße klepperte, oder so ähnlich, klebte daran. Ja gut, es kommen noch Fehler rein, aber man sieht schon, dass es schon gut ist. Ich kann schon die Buchstaben einigermaßen zusammenziehen, aber ich brauche da manchmal noch gut Zeit dafür. Und wenn ich das schreibe, dann würde es lang dauern, aber es würde funktionieren."
    "Es steht zu befürchten eine völlige Neuerung der Notwendigkeit von Schrift im Erwachsenenleben. Dazu haben wir im Moment überhaupt keine Antworten. Und das könnte tatsächlich eine Revolte ergeben."
    Technische Innovationen werden Quote ansteigen lassen
    Die Analphabetenquoten werden weiter steigen, da der technische Fortschritt in der Computerlinguistik und der Spracherkennung den nachfolgenden Generationen das Lesen und Schreiben weitgehend abnehmen werde, prognostiziert die Analphabetismusforscherin Prof. Anke Grotlüschen. Schon heute ist die Bilder- und Baustein-SMS nicht mehr wegzudenken. Und der Dreiwortsatz hat Konjunktur. Dabei stehen Tablets und Smartphones erst am Anfang ihrer Entwicklung.
    "Bei der Spracherkennung, die iPhones sind vorneweg gegangen, ich erwarte, dass das den Umgang mit Rechnern vollständig verändern wird. Wenn die Rechner über Sprache gesteuert werden, dann kann ich mit meinem Rechner sprechen und ihm sagen, rufe Michael an. Und er wird das tun. Und ich brauche dazu nicht zu lesen, wo das Wort Michael steht, ich brauche auch seine Telefonnummer nicht raussuchen. Und wenn die digitale Spracherkennung so weit vorankommt, dass sie Alltag wird, und wenn das jetzt Millionen Menschen tatsächlich praktisch benutzen, das wird die Bedeutung des Lesens und Schreibens nach und nach absenken, also ich würde schon erwarten, dass das eine Art Paradigmenwechsel wird."
    - Dozentin: "So. Jetzt wäre eure nächste Aufgabe folgende, ihr sucht euch die Begriffe, die euch besonders wichtig sind, aus, und schreibt dazu fünf Sätze."
    - Brian S: "Ich träumte, dass ich in meinem Leben ohne Flugzeug fliegen kann."
    - Dozentin: "Fliegen soll das heißen?"
    - Brian S: "Ja. Flugzeuge."
    Eine Kampagne der Bundesregierung mit Plakaten auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, mit Telefonhotlines und Fernsehspots soll helfen, die Quoten der Analphabeten zu senken. Kurz nach Bekanntwerden der hohen Anzahl der Betroffenen in Deutschland wurde sie initiiert. Die Analphabetismusstudie läuft unterdessen weiter. In spätestens zwei Jahren werden die nächsten Zahlen veröffentlicht.