Freitag, 19. April 2024


And the winner is... Die Preisträger 2013

Bereits zum sechsten Mal kürt der Bundeswettbewerb »lyrix« zwölf junge Lyrik-Talente. Gemeinsam reisen die Preisträger Mitte Juni für ein verlängertes Wochenende mit literarischem Rahmenprogramm nach Berlin.

06.06.2014
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    Die Lyrix-Preisträger von 2013 am 13. Juni 2014 in Berlin (Christian Sülz/Deutschlandradio)
    Im Literarischen Colloquium Berlin nehmen die Preisträger an einer Schreibwerkstatt mit den Autoren Nico Bleutge und Daniela Seel teil. Darüber hinaus erwarten die Jugendlichen Performance-Workshops und Sprechtrainings. Am Freitag, 13. Juni wird im Jüdischen Museum Berlin ab 13.00 Uhr die Preisverleihung stattfinden. Anschließend stellen die Preisträger ab 15.45 Uhr im Rahmen einer Lesung auf dem Lyrikmarkt des „poesiefestival berlin" ihre Texte vor.
    Ein ganz besonderer Dank geht an dieser Stelle an die »lyrix«-Jury 2013, die sich zusammensetzt aus: Der Autorin und Verlegerin Daniela Seel, der Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes, Anja Schaluschke, dem Lyriker Norbert Hummelt, Thorsten Dönges vom Literarischen Colloquium Berlin, dem Hauptabteilungsleiter Kultur des Deutschlandfunks, Dr. Matthias Sträßner, sowie Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband.
    Der Bundeswettbewerb »lyrix« wurde 2008 vom Deutschlandfunk und
    dem Deutschen Philologenverband ins Leben gerufen. Seit 2012 kooperiert »lyrix« mit dem Deutschen Museumsbund. Inspirationsquelle und thematische Vorgabe für die monatlichen Leitmotivrunden sind Exponate aus den kooperierenden Museen sowie thematisch korrespondierende, zeitgenössische Gedichte. Gefördert wird der Wettbewerb vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
    Die »lyrix«-Preisträger 2013 in alphabetischer Reihenfolge:
    o.T.
    die ich kannte die töten sie sind nicht wie du menschen im grenzland sind fremde die du kanntest verachten ihr seid nicht wie du die leute aus besseren kreisen die er kannte die hassen wir sind nicht wie du übertrieben verschönt götzen gleich die sie kannte verleugnen es ist nicht wie du verfolgt von mord hass distinktion die man kannte die schänden sie ist nicht wie du rein wie zu früherer zeit die wir kannten verbieten ihm sei nicht wie du held über helden die ihr kanntet die glauben du bist nicht wie du ein mensch unter menschen die sie kannten verkennen ich bin nicht wie du
    (Philippe Bürgin aus Weil am Rhein
    Jahrgang 1994
    Gedicht zum Monatsthema: Ausgrenzung und Verfolgung
    Mathilde-Planck-Schule Lörrach)
    Herr Mozart
    Dies irae
    Dies illa
    Tag des Zornes
    Tag der Sünden
    starker Glaube
    große Angst
    Herr Mozart
    stoßen Sie
    die Pforten
    zur Hölle auf?
    Wissen Sie
    - schon -
    was ich
    - noch -
    glauben soll?
    Soll - ich -
    glauben,
    was ich sehe?
    was ich fühle?
    was ich sage?
    was ich höre?
    Herr Mozart
    ich weiß -
    ich glaube
    an ihre Musik!
    Glaube ich
    an das
    gesprochene Wort?
    Es könnte
    eine Lüge sein?
    Und - wenn es
    - doch -
    die Wahrheit ist?
    Herr Mozart
    ich sehe
    Ihre Noten
    - und -
    ich glaube
    an ein Leben
    vor dem Tod.
    (Lara-Sophie-Eugenie Cronhardt-Lück-Giessen aus Pirmasens
    Jahrgang 2000
    Gedicht zum Monatsthema: Glaube
    Immanuel Kant Gymnasium)
    o.T.
    Da saßen wir.
    Salzige Knöchel, Blutige Sohlen, Sandige Zehen.
    Ich hoffte auf Wasser
    das uns wegspülen würde.
    Dir reichte es würde es den Sand mitnehmen
    und das Blut. vielleicht. meintest Du.
    Wir hätten einander die Wunde geleckt
    hätte es nicht so gebrannt.
    Das Wasser kam zögernd.
    Aber es kam.
    Nahm den Sand mit blutigen Küssen.
    Unsere Hände waren schnittelos und
    färbten den Sand.
    rot wo wir Halt suchten.
    A little water clears us from this deed
    betetest du mir ins Ohr.
    Es blieb liegen dort.
    Heißeres Möwenlachen, naive Gedanken und Meeresrauschen
    Naivität lebt nur in unschuldigen Köpfen indeed.
    Nichts für das man sich schämen müsste.
    Du schwitztest Optimismus auf unsere Häute.
    Er perlte ab. von meiner zumindest.
    Stand dir schon immer besser.
    Die Möwen flogen tiefer dann.
    Leckten das Blut von der Wasseroberfläche.
    Sie sind genau wie wir.
    Nur dass man es von ihnen nicht erwartet hätte.
    Das Wasser wurde sicherer.
    Kam öfter und mit mehr Kraft.
    Ich fütterte es mit Sandkreisen.
    Weil dass das Einzige ist das uns geblieben war.
    Die Wasserzungen fingen an sich
    unsern vernarbten Füßen zu widmen.
    Vorsichtig erst und dann fordernd.
    Es war absehbar, dass sie sich nicht lange mit dem
    Sand zufrieden geben würde.
    Sie hatte Blut geleckt.
    Genau wie wir.
    (Johanna Fugmann aus Memmelsdorf
    Jahrgang 1997
    Gedicht zum Monatsthema: Meerwert
    Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg)
    Marionetten
    Sie hängen
    Im Theater, Luft, Stille
    Man spürt
    Kinderlachen im Raume, das herrschte
    Stunden zuvor
    Sie werden
    Nicht bewegt nur der Luftzug
    Steuert
    Normalerweise
    Werden die Fäden gezogen
    Von ihm, niemand weiß wer er ist,
    man kann ihn nicht sehen
    man spürt nur
    ruckartige Bewegungen die
    Arme hochreißen
    Sie hängen
    schwach dort und mitgenommen
    Fäden aufgefasert, Spliss
    sie wollen rennen, Scheren
    sollen zerschneiden ein Leben, das wurde
    von ihm gesteuert
    sie wissen nicht wer er ist, wissen nur
    sie wollen los und weg
    doch wie schneiden
    wie Scheren besitzen
    wenn man nicht aus eigener Kraft die Arme heben kann
    und schneiden
    um dann doch nicht zu rennen weil die Beine knicken
    Sie hängen
    immer noch
    schwach dort und mitgenommen
    voll mit wehleidigen Hoffnungen und Träumen
    schlaffe Bewegungen nicht mal er kann sie
    lebenslustig machen
    denn er weiß nicht
    weiß nicht wie sehr sie in ihren Träumen
    rennen.
    (Lena Marie Hinrichs aus Wentorf bei Hamburg
    Jahrgang 2000
    Gedicht zum Monatsthema: Puppenspiel
    Hansa-Gymnasium Bergedorf)
    Frag nicht!
    Geschlechterrollen hatten noch nie
    wirklich Sinn und überhaupt
    sollte ein kritischer
    Gedanke nicht ein rein
    kritischer Gedanke sein?
    ganz abgesehen von den Ohren bist
    du doch auch nur
    wie ich ganz ohne
    die Frage der Vernunft
    über die wir alle,
    wir beide verschieden
    absolut erhaben sind
    ob du nun weinst
    ich nachdenke oder uns
    die Farbe der Kleider
    anders wirken lässt
    ist das wohl die
    einzige sinnvolle Antwort!
    siehst du etwa da irgendwo
    ein Lächeln in meinem Gesicht?
    wo deines ist braucht
    niemand wieder zu fragen
    keiner will ja ernsthaft
    behaupten uns stiegen
    die Wellen aus dem
    Schleier empor
    Nein! Um bei der Sache
    zu bleiben, so kann
    der Inhalt der Augen
    dem Inhalt der Augen
    im Inhalt der Augen
    wegen sich selbst
    schädlich, um nicht
    töricht interpretierbar
    zu sein
    wenn ein Betrachter
    angestrengt nach einer
    Zuflucht vor uns
    in uns sucht
    wird er sie wenn
    er sie sucht
    bei sich in uns
    finden
    (René Kartes aus Riegelsberg
    Jahrgang 1996
    Gedicht zum Monatsthema: Unter vier Augen
    Gymnasium am Schloss Saarbrücken)
    347 blechmaschinen
    die spieluhr singt "man seh ich müde aus"
    mal wieder ne nacht auf der straße verbracht
    freilichtmuseum der untergänger, kinderfänger
    dazwischen the promise of freedom
    tote blumen exhumiert, abgase inhaliert
    uuuh baby breathe baby baby breathe breathe
    zwischen müll gesessen, satt gefressen
    raupen eingesammelt und unter glas zum brennen gebracht
    angeeckt, zecken geweckt, schnecken zementiert
    keck auf dem schrottplatz der lichter getanzt
    an den rändern abgeranzt
    das gelände abgesteckt
    lichterloh, lichterfroh, fronleichnam
    im teich mann, wohnen fische
    kriechen lurche und obdachlose
    schürfen sich die gelenke auf
    habe gesichter gezählt
    bohnen gesäht
    die wachsen jetzt durch den asphalt, werden zum wald
    metarmorphose: auto wird eichhörnchen
    die kinder backen sandkuchen aus beton
    ihre förmchen dümpeln am trottoir herum
    gerümpel verrottet in den sümpfen
    auf die straße geascht nach halt gehascht
    den abfluss hinabgesickert
    ich spülte mich aus, brannte weg
    kein himmel mehr zum anhimmeln
    nur noch ruß und untergrund
    land unter
    dreh´ die welt wieder bunter
    347 blechmaschinen
    (Helena Kieß aus Dresden
    Jahrgang 1996
    Gedicht zum Monatsthema: ...auf der Straße
    Evangelisches Kreuzgymnasium Dresden)
    Nachtfalter
    kalt.
    kalt und röchelnd fließt der letzte saft aus seinen venen man
    hatte sie ihm aufgeschnitten, seine existenz
    ausgehöhlt
    kein nachlass, außer dem alten klavier, die
    wohnung war leer
    sein wissen um das leben das er trug,
    verschwimmt im erbrochenen er
    war alkoholiker
    zuletzt hatte die sucht das vorangegangene fortgebrannt, im
    nebel des wahnes waren selbst die erste zelle des traumes, die letzte
    gemütsregung der verrottenden organe
    erloschen
    im oktoberbeton krümmte sich die raupe das letzte mal und
    im kokon erstickt
    Es ist Dezember und der letzte Tropfen stirbt
    im Schnee mit der Erinnerung an den vergessenden Vergessenen.
    (Elias Peschke aus Bad Dürkheim
    Jahrgang 1995
    Gedicht zum Monatsthema: Archiv
    Werner-Heisenberg-Gymnasium)
    Gesang der Gemäuer in fruchtbarem Boden
    (ehemals)
    heute hatte
    es geregnet Planen
    hingen durch wir
    stießen dagegen von
    unten Wasserfälle für
    Sekunden noch
    wussten wir, wie Regen auf Ziegeln
    klang an Fensterscheiben der
    Tag war uferlos
    deine Hände alt geworden
    nach den Jahren
    wusste ich nicht mehr vor wem
    wir flüchteten
    auch du nicht
    wer
    interessiert sich schon
    für das Glück
    durchnässt sehen wir
    zu wie unser Leben
    druckreif wird
    (Ansgar Riedißer aus Renningen
    Jahrgang 1998
    Gedicht zum Monatsthema: Druckreif
    Gymnasium Renningen)
    Geschwister
    Alles hinter uns gelassen
    alle Brücken angezündet
    und den grauen Menschenmassen
    ihren Untergang verkündet.
    Nun sind wir zu zweit alleine
    auf der ewiglangen Suche
    und wenn ich vor Kälte weine
    halt mich fest unter der Buche!
    "Schwester, meiner Lippen Honig
    sag, was ist da, in der Ferne?"
    Antwort gibt sie mir lakonisch:
    "Nur die selben alten Sterne."
    Doch ich seh' die Nebeldecke
    die auf unserm Wege liegt
    und auch wenn ich mich verstecke
    fallen muss, wer ewig fliegt.
    (Vladimir Schadrin aus Blieskastel
    Jahrgang 1996
    Gedicht zum Monatsthema: Ausgrenzung und Verfolgung
    Von der Leyen-Gymnasium)
    Die Straße von unten
    Dunkle Stiefel mit spitzen Hacken
    Braune, ausgetretene Schuhe
    Kleine, bunte Kinderschuhe
    Schlendern
    Hüpfen
    Schreiten
    Die Straße entlang.
    Bewegen sich zu einem Klang
    von unhörbarer Musik.
    Ein einstudierter Tanz
    ganz ohne Absprachen.
    Die Menschen achten
    es nicht.
    (Rebekka Stahlhut aus Buchholz i.d.N
    Jahrgang 1999
    Gedicht zum Monatsthema: ...auf der Straße
    Albert-Einstein-Gymnasium)
    Weg
    Versteh es nicht falsch, denn
    seit jener Stunde blieb ich hier, hab mit
    meinem Atem deine Worte gezählt, die
    hängen geblieben sind, zwischen Asphalt
    und Schaufenstern im Neonlicht.
    Seit dir und jener Stunde will ich
    nichts wissen vom Bordstein und vom roten Laub,
    ich will es weder vom ersten Winterregen
    unter sommerlich gelben Markisen
    noch vom Echo des Tages, in dunklen Gassen erfahren:
    Dass du nicht mit mir bist,
    denn deine Seele wanderte nie auf meinen Straßen und
    dein Gesicht sieht fremde Berge,
    am Horizont vielleicht ein Meer, dieses Mal
    ohne mich.
    Versteh es nicht falsch, ich habe einst
    die Stadt gewollt, habe den Stein gewählt gegen
    deine Augen -
    blicke, doch
    seit dir will ich
    aufs Dach, will ich, zu Sternen und Kälte
    unter den Fußsohlen, seit dir
    will ich wandern bis mein Atem bricht,
    bis mein Herz zerbricht, seit dir will ich
    weg,
    auch zu den Lichtern, die aufgehen,
    fern und blass, die mich rufen
    zu suchen bis nichts mehr zu finden ist,
    die leuchten
    und doch schon längst erloschen
    sind, wie ich.
    (Svana Stemmler aus Handeloh
    Jahrgang 1997
    Gedicht zum Monatsthema: ...auf der Straße
    Süderelbe Gymnasium)
    Gut getroffen
    Gut getroffen.
    Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne scheint.
    Sie scheint, um uns zu schmeicheln.
    Wir gehen die Straßen entlang.
    Wir, die Clique.
    Die Clique der Coolen.
    Wir sind zusammen, stark, grenzenlos.
    Und da ist sie.
    Sie ist anders als wir.
    Sie, die sich nicht in dieser Welt einfügen kann,
    die Sandalen mit Socken trägt und Nutella mit Wurst isst.
    Sie gehört nicht hierher.
    Sie ist befremdlich.
    Wir fixieren unser Ziel.
    Wir laden das Gewehr.
    Wir schießen.
    Sie fällt.
    Gut getroffen.
    Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne scheint.
    Sie scheint, um mich zu verhöhnen.
    Ich gehe die Straßen entlang.
    Ich, die Andere.
    Der Inbegriff der Andersartigkeit.
    Ich bin allein, anders, ausgestoßen.
    Und da sind sie.
    Sie sind anders als ich.
    Sie, die sich eine Welt aufgebaut haben
    Mit ihren Regeln und ihren Werten.
    Doch die Eintrittskarte für mich haben sie vergessen.
    Sie sind gefährlich.
    Sie fixieren das Ziel und schauen auf mich.
    Sie laden das Gewehr und öffnen den Mund.
    Sie schießen.
    Mit boshaften Begriffen und wütenden Worten.
    Sie schießen mit spöttischer Sprache.
    Die Munition ist billig.
    Die Wirkung ist stark.
    Sie schießen.
    Ich falle.
    Gut getroffen.
    (Jing Wu aus Dortmund
    Jahrgang 1995
    Gedicht zum Monatsthema: Ausgrenzung und Verfolgung
    Käthe Kollwitz-Gymnasium)