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Andrew Denison über Donald Trump
"Wenn dieser Mann nicht lernfähig ist, dann knallt es"

Der Politikberater Andrew Denison hat das Vorgehen des US-Präsidenten Donald Trump in seiner ersten Regierungswoche scharf kritisiert. Seine Politik gehe gegen die Tradition und gegen die Mehrheit Amerikas, sagte Denison im DLF. Die Republikaner müssten Trump jetzt in seine Schranken weisen.

Andrew Denison im Gespräch mit Jasper Barenberg | 31.01.2017
    Andrew B. Denison, Publizist und Politologe aus den USA, aufgenommen am 08.05.2014 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    Andrew B. Denison, Direktor Transatlantic Networks, sieht in der Entlassung der amtierenden Justizministerin eine Verletzung der US-Verfassung. (dpa / Karlheinz Schindler)
    Jasper Barenberg: Die amtierende Justizministerin wegen Verrats entlassen, lautstarke Proteste in vielen Städten der USA und die erste angekündigte Klage eines Bundesstaates - der Streit um das Einreisedekret von Präsident Trump geht unvermindert weiter, ja er gewinnt sogar noch an Schärfe.
    Am Telefon ist der Politikwissenschaftler Andrew Denison von "Transatlantic Networks". Hallo, Herr Denison.
    Andrew Denison: Hallo, Herr Barenberg.
    Barenberg: Verletzt Trump mit seiner Exekutivanordnung die US-Verfassung?
    Denison: Ich sehe das als eine Verletzung der US-Verfassung. Ich sehe das auch als eine Verletzung einer langen Tradition der Ehrung dieser Verfassung. Seit ich in Deutschland über amerikanische Wahlkämpfe kommentiere, seit '92, als Bill Clinton mit 43 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen hat, sage ich immer wieder, im Wahlkampf sagt man, was man will, im Weißen Haus tut man, was man muss, denn die amerikanischen Interessen bleiben bestehen, aber die Präsidenten, die kommen und gehen. Jetzt, seit Donald Trump gewählt worden ist, sage ich, auch wenn das nicht der Fall ist, wenn dieser Mann nicht lernfähig ist, dann knallt es. Und nach einer Woche mit diesem Mann im Amt und auch diesen Verstößen gegen unsere allerheiligste Verfassung muss ich sagen, die Gefahr, dass es knallt, die ist gestiegen.
    Barenberg: Und was bedeutet es, wenn es knallt, wie Sie sagen? Was heißt das?
    Denison: Erstens eine Zuspitzung der Demonstrationen und der auch eventuell Gewalt und Konzentration in den Gerichtssälen Amerikas. Letztendlich wird es aber darauf ankommen, ob der Mann, der den Eid geschworen hat, unsere Verfassung zu unterstützen, vor Donald Trump, nämlich der Vizepräsident, der Gouverneur von Indiana, der Pence, wenn er und eine Mehrheit im Kongress oder eine Mehrheit der Kabinettssekretäre erklären, dass Donald Trump nicht fähig ist, sein Amt auszuüben, dann kann er aus dem Amt enthoben werden. Wenn man diesen Mann anschaut, das ist eine ganz wichtige Sache. Das ist der Artikel 25 der amerikanischen Verfassung. Satz vier, da steht es drin. Das ist ein Weg. Aber bis wir da hinkommen, natürlich eine Zuspitzung.
    "Es geht gegen die Tradition Amerikas, es geht gegen eine Mehrheit"
    Barenberg: Wir haben ja alle erlebt, wie dieses Dekret erlassen wurde und wie es Chaos, Verwirrung und widersprüchliche Angaben gezeitigt hat. War das aus Ihrer Sicht gewollt, oder war das schlechtes Handwerk?
    Denison: Darüber rätselt man. Es ist schwer, Trump zu erklären. Deshalb ist man auch vielleicht so unfähig, ihm wirklich zu begegnen. Man sucht nach einer Methode hinter dieser Manie. Man denkt, er ist nicht ein Idiot, sondern ein Ideologe, oder besser noch ein Egoist. Aber wie auch immer, es ist völlig gegen amerikanische Interessen. Ich denke, selbst wenn Trump nicht genau sich selbst kontrollieren kann nach Charakter, Leute, die hinter ihm stehen, wie Steve Bannon, der jetzt eine immer wichtigere Rolle bekommen hat auch in der Sicherheitspolitik im nationalen Sicherheitsrat, seine Taktik ist die der Zersetzung. Das kann oft sehr gut sein, Rache suchen und Skandale provozieren. In dem Sinne vielleicht eine Methode wie auch immer. Es geht gegen die Tradition Amerikas, es geht gegen eine Mehrheit. Er ist ja mit 46 Prozent gewählt worden. Hillary Clinton hat 48 Prozent der Stimmen bekommen. Gott sei Dank, die Mehrheit der Amerikaner wollen nicht wie unter Erdogan oder Viktor Orbán oder Wladimir Putin leben, und daher Glück im Unglück. Ich glaube, die Amerikaner werden aufstehen gegen diesen Mann.
    Barenberg: Es ist ja auch auffällig, dass dieses jüngste Dekret nun in einer Art Alleingang aus dem Weißen Haus, ohne Rücksprache und Einbindung, sagen wir, des Außenministeriums oder des Heimatschutzministeriums oder des Justizministeriums erlassen wurde. Ist das aussagekräftig für die Art von Donald Trump zu regieren?
    Denison: Es ist aussagekräftig für die Art von ihm zu regieren und es ist gefährlich. Es ist noch ein Punkt in einer sehr langen Klageschrift, die gegen Donald Trump existiert. Natürlich: Wir in Europa, ob Amerikaner oder Europäer, müssen überlegen, was können wir tun, um diesen Mann einzugrenzen. Denn ich denke schon, in einer globalisierten Welt zählt auch die Meinung Europas, wo Amerikaner mehr Geld verdienen als sonst wo in der Welt.
    "Eine Bedrohung für Amerikas Verfassungsordnung"
    Barenberg: Nun hat Günter Verheugen, der frühere EU-Kommissar, heute Morgen hier gesagt, wir hätten überhaupt nicht die Stärke und sollten gar nicht erst versuchen, hier in Europa Trump in den Arm zu fallen. Wir könnten nur ein Beispiel geben. Aber wenn wir in den USA selber bleiben, da sagen ja viele hier, da gibt es doch dieses System von Checks and Balances. Sehen Sie das schon außer Kraft gesetzt oder an der Grenze dazu?
    Denison: Ja. Amerika hat seit Langem nicht so eine Bedrohung für seine Verfassungsordnung erlebt wie diese. Aber die ist auch dafür gebaut worden, dass so einer an die Macht kommt, und auch, dass der Kongress ihm was entgegensetzen kann, dass der Kongress die Oberhand nehmen kann, auch wenn das alle Republikaner sind. Wir sind aber in einer Zeit, wo Dick Chaney, Verteidigungsminister von George Bush aus Wyoming, wo ich herkommt, das gleiche sagt über Trump wie Michael Moore, der ziemlich alles in Amerika schlecht findet, außer vielleicht die Tradition der Selbstkritik. Das ist die Zeit der Republikaner, die sind jetzt zur Verantwortung gezogen. Es ist vorerst auch ihr Frankensteins' Monster und in dem Sinne sind Checks and Balances jetzt gefragt.
    "Trump mithilfe einer Mehrheit im Kongress für unfähig erklären"
    Barenberg: Und sind auch die Demokraten gefragt, die Führerin der Demokraten, Nancy Pelosi etwa, jetzt etwas der Politik von Donald Trump und diesen Dekreten entgegenzusetzen?
    Denison: Oh ja, natürlich! Ich meine, im Kontext haben die Amerikaner ja Vielfalt wie kein anderes Land und jeder eine andere Meinung zu allem. Aber wir haben auch die Magie der Einheit, was uns zusammenhält, und nach so einer sehr konfliktträchtigen Wahl wollen die Amerikaner reflexartig zusammenkommen und gemeinsame Wege mit diesem neuen Trump gehen, Infrastruktur oder so was. Man ist auch bereit, was Neues zu versuchen. Aber am Ende des Tages, wenn das nicht geht, dann ist man als Demokrat natürlich dazu gebracht, ihm zu begegnen. Allerdings man muss auch Republikaner finden. Das ist jetzt ein klassischer Konflikt Weißes Haus gegen Kongress.
    Barenberg: Bisher hat man aber noch nicht den Eindruck, dass sich der Kongress Donald Trump entgegenstellen würde.
    Denison: Genau. Bis auf ein paar Helden wie John McCain oder Lindsey Graham stehen die noch am Zaun und sagen, sie wissen nicht genug darüber. Das ist furchtbar, meiner Meinung nach. Die Republikaner sind in einem Dilemma und sind von ihm abhängig. Genau das ist nicht einfach. Aber am Ende des Tages ja, man muss eine Mehrheit im Kongress und einen Vizepräsident haben, und dann kann man diesen Mann für unfähig erklären.
    "Bundesstaaten können Trumps Erlass aus Washington blockieren"
    Barenberg: Wo wird sich denn Ihrer Meinung nach der Widerstand jetzt formieren? Auf der Straße, haben Sie gesagt, okay, da wird es Proteste geben. Im Kongress sehen Sie das noch nicht so richtig. Wird es sich vor Gericht entscheiden, jetzt was diesen Fall angeht?
    Denison: Checks and Balances, das haben wir ja schon besprochen. Die bestehen erstens in der Teilung mit dem Kongress und auch mit den Gerichten. Und die Gerichte haben viel Macht, hier die amerikanischen Gesetze und die amerikanische Verfassung so zu interpretieren, dass sie sagen, ein Dekret wie von Donald Trump ist nicht gerichtsfähig. Obama hat das auch immer wieder erlebt mit manchen von seinen Sachen. Aber es kann es wenigstens auch etwas verlangsamen bis zur nächsten Verhandlung, oder es kann es unmöglich machen.
    Dann ist Amerika auch aus starken Bundesstaaten gemacht. Und Bundesstaaten wie California mit 40 Millionen Einwohnern, sehr reich, wohlhabend, New York, auch demokratisch, reich, wohlhabend, diese Bundesstaaten und viele andere können viel tun, um Trumps Erlass aus Washington zu blockieren und nicht durchzusetzen. Das ist was. Die großen Städte in Amerika, New York, San Francisco, Los Angeles, sie können sich auch zusammenstellen und Widerstand leisten. Dieser Mann, wenn er sich überall Feinde macht, wird er Probleme haben.
    Europa habe Erfolge gegenüber Trump vorzuweisen
    Barenberg: Und wie weit wird Donald Trump dieses Land vorerst und bis auf Weiteres mit seinen Erlassen und Anweisungen regieren können? Da wundert sich ja auch mancher hier, was da im Moment alles möglich ist.
    Denison: Prognosen sind schwer, besonders über die Zukunft. Donald Trump kam etwas überraschend. Amerika geht es gut, die Wirtschaft ist repariert, wir haben eine offene, tolerante Gesellschaft, wir erleben aus der Globalisierung viel mehr Vorteile als Nachteile. Und bumm, da kommt Donald Trump als eine Überraschung, als politischer 9.11. Wie man jetzt mit ihm fertig wird, das müssen wir natürlich noch lernen.
    Aber es ist auch wichtig für Europa zu erkennen. Angela Merkel, sie hat es schwer. Sie ist so abhängig von Amerika, von unserem Militär, unserem Markt, unseren Banken. Sie kann ihn nicht sofort beleidigen. Aber auf jeden Fall muss man in Europa unter den Völkern solche Erfolge vorweisen wie die Wahl von Alexander van der Bellen in Österreich. Man muss zeigen, dass man Erfolg mit Einwanderung haben kann. Man muss zeigen, dass man auch die NATO ausrüsten kann, sodass man alle diese Vorwürfe von Donald Trump, die Europäer sind nur Trittbrettfahrer, außer Kraft setzt, auch dass man mit Russland fertig wird. Also nicht nur die Klageschrift lesen, sondern ich hoffe wirklich, in Deutschland, in Europa wird man auch zusammenkommen, indem man sagt, Trump, Du hast Unrecht, wir Europäer, wir können Solidarität zeigen, Lasten tragen und wir stehen Ihnen kritisch gegenüber, obwohl wir so abhängig sind.
    Barenberg: Der Politikwissenschaftler Andrew Denison heute hier live im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Denison.
    Denison: War mir ein Vergnügen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.