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Anekdoten aus dem Leben einer Working-Mom

Facebook-Managerin Sheryl Sandberg kennt sich aus in der männerdominierten Geschäftswelt. Sie hat ihr Mantra des "Lean in", des "Sichreinhängens", mit größter Zielstrebigkeit verfolgt und besetzte zahlreiche Spitzenpositionen in der US-Wirtschaft. In ihrem Buch erzählt sie, wie schwierig ihr Weg war und ist.

Von Verena Herb | 22.04.2013
    Ihr Buch soll eine Art "feministisches Manifest" sein, schreibt Sheryl Sandberg, oberste Managerin beim amerikanischen Milliardenunternehmen Facebook und Mutter von zwei kleinen Kindern. Im Moment der deutschen Frauenquotendiskussionen und Betreuungsgelddebatten trifft ihr Buch den Zeitgeist.

    "Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir kleine Mädchen ermutigen, selbst die Führung zu übernehmen. In jeder Kultur, in Deutschland, den USA, in Europa sogar in der Welt erwarten wir, dass Jungs die Führung übernehmen. Wir kritisieren sie nicht dafür, sondern wir unterstützen sie."

    Ermutigung und Appell zur Eigeninitiative sind Programm in Sandbergs Buch: In den zwölf Kapiteln, die überschrieben sind mit Titeln wie "Setzt Euch an den Tisch" oder "Gehen Sie nicht, bevor es so weit ist" geht es nicht nur um die gläserne Decke oder die Kritik an zu teurer und zu wenig ausgebauter Kinderbetreuung. Sandberg nimmt die Frauen selbst in die Pflicht:

    "Wir selbst bremsen uns in großen wie in kleinen Dingen aus, weil uns das Selbstbewusstsein fehlt, weil wir die Hand nicht heben und weil wir uns zurücklehnen, wenn wir uns vorlehnen und uns reinhängen sollen."

    Seid selbstbewusster, glaubt an euch, macht euch frei von den allseits herrschenden Geschlechterklischees, fordert die Autorin.

    "Wir schrauben unsere eigenen Erwartungen an uns zurück. Wir übernehmen weiterhin den Großteil der Hausarbeit und der Kindererziehung. Wir gefährden unsere Karriereziele für Partner und Kinder, die es womöglich noch gar nicht gibt."

    Es geht Sandberg nicht um Hilfskonstrukte wie Teilzeitstellen oder Mentorenprogramme. Sie fordert vielmehr ein Umdenken.

    "Ich mache den Frauen keine Vorwürfe. Ich sage nur, dass es bestimmte Erwartungen an Jungen und Mädchen gibt. Wir alle wachsen damit auf. Doch fragt man einen Mann nach der Ursache für seinen Erfolg, sagt er: weil ich so gut bin. Fragt man uns Frauen, sagen wir: Oh, wir haben Glück gehabt, oder wir hatten Hilfe oder wir haben hart gearbeitet."

    Sheryl Sandberg will die Welt verändern. Sie will die geschlechterspezifischen Vorurteile aufbrechen. Damit mehr Frauen in anspruchsvollen Jobs an die Spitze gelangen. Damit Frauen und Männer in vergleichbaren Positionen das gleiche Gehalt bekommen. In erzählerisch-anekdotischem Ton liefert sie Beispiele dafür, wie Frauen ihrem Aufstieg selbst im Weg stehen. Sie zögerten, sich für höhere Positionen zu bewerben, auch wenn sie die besten Voraussetzungen mitbrächten.

    "Männer bewerben sich für eine Stelle, selbst wenn sie nur teilweise geeignet sind. Frauen bewerben sich erst dann, wenn sie sich sicher sind, dass sie alle Anforderungen und Kriterien erfüllen."

    Häufig glaubten Frauen, dass gute Leistungen im Job von selbst zu Belohnungen führen, erläutert Sandberg. Dabei wusste man schon im Mittelalter "Klappern gehört zum Handwerk". Dass Frauen sich mit der Eigenwerbung schwertun, ist auch in den USA ein hinlänglich bekanntes Phänomen. Sheryl Sandberg zitiert dabei zwei amerikanische Unternehmerinnen, die in diesem Zusammenhang vom Tiarasyndrom sprechen:

    "Frauen gehen davon aus, dass sie nur ihre Arbeit gut machen müssen. Dann wird schon jemand auf sie aufmerksam und setzt ihnen eine Tiara auf den Kopf. Harte Arbeit und Ergebnisse sollten von anderen anerkannt werden. Passiert das nicht, ist es schlicht notwendig, sich für sich selbst einzusetzen."

    Die 43-jährige Sandberg hat ihr Mantra des "Lean in", des "Sichreinhängens", mit größter Zielstrebigkeit verfolgt. Abzulesen an den Stationen ihrer Karriere: Harvardabschluss, Weltbank, McKinsey, Stabschefin im amerikanischen Finanzministerium. Dann Ortswechsel – von der Ost- an die Westküste ins Silicon Valley: Sechseinhalb Jahre ist sie bei Google, steigt zur Vizepräsidentin auf. 2008 folgt der Wechsel zu Facebook. Seitdem ist Sheryl Sandberg die Nummer zwei im Konzern - neben Mark Zuckerberg. Sheryl Sandberg ist tough - ambitioniert, ehrgeizig, machtbewusst. Adjektive, die bei einem Mann als durchweg positive Attribute gewertet würden. Bei einer Frau eher nicht. Gerade, wenn sie auch Mutter ist.

    "Erfolg und Beliebtheit korrelieren bei Männern positiv und bei Frauen negativ. Wenn ein Mann erfolgreich ist, wird er von Männern wie Frauen gemocht. Wenn eine Frau erfolgreich ist, mögen Menschen beiderlei Geschlechts sie weniger gern. Diese Wahrheit ist so schockierend wie wenig überraschend: schockierend, weil niemand je zugeben würde, Geschlechterklischees anzuhängen und wenig überraschend, weil wir das ganz offensichtlich doch tun."

    Sheryl Sandbergs "Lean in" ist eine sanftere, amerikanischere Version des Bascha Mika–Aufregers "Die Feigheit der Frauen". Der Vorwurf, der der ehemaligen taz-Chefredakteurin gerade von Müttern gemacht wurde – sie habe keine Kinder und könne deshalb auch nicht bewerten, wie anstrengend das Familiendasein ist – fällt im Fall von Sandberg flach. Hier schreibt eine der mächtigsten berufstätigen Mütter Amerikas über die Schwierigkeiten, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen und sich bei beidem reinzuhängen. Die Stärke des Buches ist gleichzeitig auch seine Schwäche. Die Anekdoten aus dem Leben der Working-Mom - inklusive dem Abpumpen der Muttermilch, während am Telefon mit Kollegen in Übersee konferiert wird – sie werden im Laufe der Lektüre langweilig und wirken überzogen. Trotzdem liefert Sheryl Sandberg in persona die Antwort auf die Frage: Können Frauen alles haben? Karriere, Familie, Partnerschaft. Yes, you can - würde sie antworten, würde sie sich dieser Frage nicht komplett verweigern:

    "Ich mag diese Frage überhaupt nicht. Sie wird nur auf Frauen angewandt. Wann wird ein Mann jemals danach gefragt, ob er alles haben kann? Deshalb versuche ich, diese 'Alles haben können'-Sprache zu verbannen."

    Man kann das Buch lesen als eine Autobiografie, als Karriereratgeber für Frauen oder auch als neues feministisches Manifest. Sicherlich findet man sich als Leserin in vielen Beschreibungen des typisch weiblichen Habitus wieder, kann sich so manche Handlungsempfehlung zu Herzen nehmen. "Lean In" kann natürlich kein allgemeingültiger Ratgeber für Frauen sein – regt jedoch auf jeden Fall zum Nachdenken an.

    Sheryl Sandberg: Lean in. Frauen und der Wille zum Erfolg. Econ Verlag, 312 Seiten, 19,99 Euro.