Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


"Angela hörst Du uns?"

Fahrräder, Hunde, Rucksäcke und Transparente: In Berlin wird die Tradition der Montagsdemonstration wiederbelebt. Ins Leben gerufen hat dies die Initiative "Das Generationenmanifest"

Von Jens Rosbach | 13.06.2013
    "Angela hörst du uns? Angela hörst du uns? Angela hörst du uns?"

    Berlin-Mitte, direkt vor dem Bundeskanzleramt. In der Abendsonne, auf grünem Rasen: ein Dutzend Frauen, Männer und Kinder. Sie strecken selbst gemalte Plakate in die Höhe: Frau Merkel, versprechen Sie mir, dass Sie endlich Klimakanzlerin werden! Herr Schäuble, versprechen Sie mir, die Staatsverschuldung zu stoppen! Herr Altmaier, versprechen Sie mir, die Energiewende als Chance zu sehen!

    Judith Homoki: "Jede Bewegung braucht einen Schlachtruf. Angela hörst du uns! Hab ich mir grad spontan ausgedacht."

    Reporter: "War aber sehr verhalten!"

    Judith Homoki: "Wir durften nicht! Wir sind hier eine Schweigemahnwache. Wir haben keine Genehmigung, uns laut zu äußern. Dann müssten wir auf die andere Straßenseite. Deswegen hat die Polizei hier eben schon mal kurz für Ruhe gesorgt. Deswegen durften wir hier nur flüsternd unseren Schlachtruf flüstern."

    Judith Homoki ist Werbetexterin und im Internet auf die neue Initiative "Das Generationenmanifest" gestoßen. Sofort fühlte sich die 48-jährige Mutter zweier Kinder angesprochen.

    "Da bringt es so auf den Punkt zu sagen: was für eine Welt wir den Kindern hinterlassen und ob wir der Frage unserer Kinder: Warum habt Ihr eigentlich nichts gemacht?, später einmal standhalten können."

    Claudia Langer: "Die Industrie hat 'ne Lobby, die Alten haben eine Lobby, die Banken haben eine Lobby – aber die Kinder haben die schwächste Lobby."

    Fahrräder, Hunde, Rucksäcke und Transparente. Dazwischen: eine impulsive Frau mit grüner Lederjacke und grünen Wildlederschuhen. Sie begrüßt Freunde, gibt Interviews, schminkt sich für Fernsehaufnahmen und duzt charmant Polizisten, die die Demonstration beobachten. Ihr Name: Claudia Langer, 48 Jahre alt, Gründerin des Onlinemagazins "Utopia" – ein Magazin, das sich Umwelt- und Nachhaltigkeits-Themen widmet. Die Münchnerin hat die Initiative "Das Generationen-Manifest" ins Leben gerufen. Warum?

    "Mutter Sozialpädagogin, Vater Pfarrer. Muss ich mehr sagen?"

    Ja, bitte! Was hat Sie einst politisch geprägt?

    "Umweltbewegung, Mutlangen, NATO-Doppelbeschluss, Pershing-Raketen – alles was Sie sich vorstellen können, was so eine Kindheit gruselig macht."

    Sie habe sich nie, in ein Parteienkorsett pressen lassen, betont Langer, und sie wolle mit ihren Zukunftsthemen Druck auf das gesamte politische Spektrum machen. Gerade vor der Bundestags-Wahl.

    "Das haben wir uns so ein bisschen zu eigen gemacht und gesagt: Wenn die Politik schon so populistisch ist und nur auf die Lobbyinteressen der Leute, die am lautesten schreien, reagiert, dann müssen wir auch lauter schreien. Aber wir werden nicht am 22.9. aufhören, das kann ich Ihnen sicher sagen."

    "Angela hörst du uns? Angela hörst du uns? Angela hörst du uns?"

    "Es geht hier auch darum, parteienübergreifend Forderungen zu stellen, weil anscheinend die Parteien in ihrem Alltagsgeschäft zu kurzfristig denken, als dass die langfristig notwendigen Maßnahmen für wirksamen Klimaschutz tatsächlich umgesetzt würden."

    So Mitstreiterin Marian Bichler – eine blonde Journalistin im roten Flatterkleid, 54 Jahre alt.

    "Solarstrom! Statt Kohle und Atom!"

    Die bunte Generationen-Gruppe hat es schwer: Erst sorgt – einige Meter weiter - ein Konkurrenztrupp für Unruhe – fünf Bürger, die regelmäßig vor dem Kanzleramt an die Fukushima-Katastrophe erinnern. Dann marschiert auch noch das Stabsmusikkorps der Bundeswehr auf. Staatsempfang für den rumänischen Regierungschef. Deswegen das zeitweilige Krachverbot für die Demonstranten.

    Die Trommler und Bläser locken Dutzende Touristen an, die mit ihren Handys die Militärparade fotografieren. Darunter Bärbel Koch aus Rheinland-Pfalz. Koch macht eine politische Bildungsreise durch Berlin. Gerade war sie im Kanzleramt bei einer Führung.

    "Ich bin ja selber politisch tätig, ne. In der Frauenunion. Von Frau zu Frau – vielleicht kann man ja was bewegen."

    Obwohl CDU-Mitglied, findet Koch die Generationen-Demonstranten, die direkt neben ihr stehen, sympathisch. Für die Energiewende zum Beispiel, erklärt sie, müsse man auch in der eigenen Partei mehr powern.

    "Es dauert halt, ne, bis die Wende kommt. Da muss man schon den einen oder anderen mal vielleicht brüskieren. Ich wäre dafür, dass mal Tacheles geredet wird!"


    "Einmal die Plakate hochhalten, ganz kurz, zwei Sekunden, das geht jetzt auf Facebook."

    Ein Dutzend Mitstreiter plus ein Dutzend interessierte Passanten und Touristen – eigentlich sollte die "erste generationenübergreifende Montagsdemonstration" mit zweihundert Schülern stattfinden. Doch irgendwas ist schiefgelaufen. Auch die prominenten Erstunterzeichner lassen sich nicht blicken. Grund für einige kritische Dispute. Ein Aktivist räumt gegenüber einem Besucher ein:

    "Also, ich glaube, na man könnte mal eben behaupten, es waren jetzt nicht so viele Leute da."

    "Waren ja auch wirklich nicht so viele. Meistens ist es ja so, dass Demonstrationen mit der Zeit abnehmen also."

    "Es ging nie mit 1000 Leuten los, sondern da waren immer mal drei!"

    Auch Initiatorin Claudia Langer lässt sich den Mut nicht nehmen: Der Anfang sei gemacht, bilanziert sie, nächste Woche ginge die Demo weiter. Immerhin hätten bislang mehr als 4000 Unterstützer ihr Generationen-Manifest unterzeichnet.

    "Sie stehen vor einer glücklichen Frau, also das passt!"

    "Angela hörst du uns? Angela hörst du uns? Angela hörst du uns?"