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Angepfiffen

Theo Zwanziger ist angeschlagen. Als er vor fast sechs Jahren antrat, um den damaligen Präsidenten des Deutschen Fußballbundes, Gerhard Mayer-Vorfelder, abzulösen, hofften viele, er würde die verkrusteten Strukturen aufbrechen und erneuern können. Doch nicht zuletzt sein Verhalten in der Affäre um die angebliche sexuelle Belästigung unter Schiedsrichtern hat an seinem Image gekratzt.

Von Heinz Peter Kreuzer | 08.04.2010
    Wenn er morgen auf dem außerordentlichen Bundestag des Fußballbundes spricht, wird er sich deshalb wohl nicht nur zur anstehenden Reform des Schiedsrichterwesens äußern. Vielmehr erwarten nicht nur seine Kritiker, dass er die Bühne nutzen wird, um sich selbst wieder in ein besseres Licht zu rücken. In öffentlicher Selbstkritik ist Zwanziger mittlerweile geübt:

    "Weniger öffentlich ist nach einigen Jahren Amtszeit gar nicht so schlecht. Das werde ich sicherlich tun, zumal ich auch gar nicht der Typ bin, der das braucht, denke ich schon, dass das eine wichtige Lehre ist. Weniger machen ist gut. Delegieren ist gut. Ich will versuchen, das umzusetzen."

    Zwar hat das Präsidium des Deutschen Fußballbundes dem Präsidenten das Vertrauen ausgesprochen und ihn auch ermutigt, sich im Oktober zur Wiederwahl zu stellen. Doch viele bestreiten nicht, dass er nur knapp am Ende seiner Karriere vorbeigeschlittert ist. Dabei hatte alles so gut angefangen. Seit 1992 im DFB-Vorstand übernahm der Jurist zwischen 2001 und 2004 das Amt des Schatzmeisters. 2004, zwei Jahre vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land, stellte er sich zur Wahl als DFB-Präsident. Um eine Kampfabstimmung zwischen ihm und dem Amtsinhaber Gerhard Mayer-Vorfelder vor der WM zu vermeiden, einigte man sich auf eine Doppelspitze bis 2006. Nach der WM übernahm er die alleinige Präsidentschaft.

    Lange Zeit galt Theo Zwanziger als Vorzeigefunktionär. Der Sport-Philosoph Gunter Gebauer von der Freien Universität Berlin beschreibt ihn so:

    "Man hatte das Gefühl, dass er die Arme ausbreitet und sagt: Alle Problemgruppen des deutschen Fußballs: Kommt zu mir! - drückt sie an die Brust, und jetzt können sie sich outen, frei reden, der große Zwanziger steht hinter ihnen und schützt sie."

    Ursprünglich eilte Theo Zwanziger der Ruf als Mann der Basis voraus. Während seiner Zeit als DFB-Präsident hat der Jurist zahlreiche Ehrenpreise für sein Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit und Homophobie erhalten. Seit 2005 ist Zwanziger auch Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings neigt Zwanziger nicht zuletzt dadurch zu Selbstüberschätzung, meint Gunter Gebauer:

    "Das ist offenbar jemand, der wenig beraten wird in diesen Dingen. Er traut sich eine hohe Kompetenz im zwischenmenschlichen Bereich zu. Das ist sicherlich nicht ganz falsch. Er hat sich mehrfach als sehr sensibler Diskussionspartner erwiesen, also was beispielsweise die Rolle des Fußballbundes im Dritten Reich angeht, die Rolle der jüdischen Spieler - ganz vorbildlich. Er hat auch den Leo-Baeck-Preis dafür bekommen, völlig zu Recht. Er wird hoch anerkannt von seinen jüdischen Gesprächspartnern. Das ist alles sehr positiv. Ich denke, dass er der Meinung wurde allmählich, dass er sehr, sehr kompetent in diesen Dingen ist."

    Doch zuletzt bewies Zwanziger selten ein gutes Händchen im Umgang mit schwierigen Situationen. Und so dauerte es nur wenige Monate - und Theo Zwanzigers Ruf war ramponiert - beigetragen dazu hat er selbst. Ein Beispiel? Die misslungene Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff. Es kommt zu Indiskretionen; Vertragsinhalte finden ihren Weg in die Presse. Zwanziger steht öffentlich in der Kritik. Unterstützung kommt aus der Bundesliga. Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser:

    "Ich habe für gewisse Reaktionen als Beobachter der Szene und indirekt Beteiligter ein gewisses Verständnis. Ich habe mich immer gefragt, was man dem Herrn Dr. Zwanziger in der Affäre Bierhoff/Löw eigentlich vorwirft. Er hat sich dagegen gewehrt, dass er von seinem Sportdirektor gesagt bekommt, welchen Trainer er einstellen soll. Da hätte ich mich auch dagegen gewehrt, das hätte ich auch nicht akzeptiert."

    Rolf Hocke, Präsident des Süddeutschen Fußball-Verbandes SFV und Mitglied im DFB-Präsidium, sieht dies nicht als einen Alleingang des Verbandchefs:

    "Da bin ich überzeugt davon, dass nicht nur der Präsident, sondern wir im Präsidium hatten ja auch das Sagen und wären ja an dem Entscheidungsprozess beteiligt gewesen, dass wir hier richtig gehandelt haben, weil wir die Forderungen nicht erfüllt haben. Ich habe nicht einen von außen, weder von der Presse noch von Vereinsvertretern noch von normalen Bürgern gehört, der gesagt hat: Ihr habt falsch gehandelt, ihr hättet denen die Wünsche erfüllen müssen. In der heutigen Zeit schon gar nicht."

    Doch kaum scheint das eine Problem vom Tisch, sorgt die Schiedsrichter-Affäre um Michael Kempter und Manfred Amerell für Schlagzeilen. Die Wellen schlagen hoch innerhalb des Fußballbundes. Dabei war es eigentlich nur eine Petitesse, sagt der Sport-Philosoph Gunter Gebauer:

    "Und nun kommt eine Affäre, die - wir müssen mal die Kirche im Dorf lassen - im Grunde genommen eine ganz winzige, kleine, lächerliche Affäre ist: Zwei Schiedsrichter, vielleicht vier Schiedsrichter oder fünf oder noch mehr, sind eifersüchtig aufeinander. Es gibt Beeinflussung, es gibt ein bisschen Streit, es gibt dies und das - was wissen wir nicht alles, was sonst noch passiert ist - im Grunde genommen irgendein Krempel, der hier passiert zwischen Männern, obwohl ich sagen würde: ein junger Mann, der angemacht wird vom älteren Mann. Beim Fußball sagt man normalerweise: Hau ihm eine in die Fresse! - sage ich jetzt mal ganz direkt. Ich kann es auch ein wenig feiner ausdrücken: Man wehrt sich dagegen, man lässt das nicht zu und stattdessen haben wir im größten Sportverband der Welt jetzt einen Aufruhr, einen Sturm im Wasserglas, und man muss sich damit beschäftigen."

    Rückblende: Die Affäre beginnt am 18. Oktober 2008 nach der Partie zwischen Werder Bremen und Borussia Dortmund. Nach dem Spiel habe ihn Manfred Amerell in einem Hotel sexuell belästigt, sagt Michael Kempter und wendet sich doch erst am 17. Dezember letzten Jahres an den Verband, an Schiedsrichterchef Volker Roth. Etwa vier Wochen später informiert der dann Theo Zwanziger. Nach der Präsidiumssitzung am 4. Februar melden sich weitere Schiedsrichter, die behaupten, von Amerell belästigt worden zu sein. Zwanziger:

    "Es geht in diesem Zusammenhang nicht um die Frage Homosexualität, es geht um die Frage, ob ein Abhängigkeitsverhältnis Angriffsflächen setzt, das ist wie mit dem Lehrer in der Schule, der in seiner Klasse Beziehungen zu Schülern oder Schülerinnen aufbaut."

    Die Öffentlichkeit erfährt erstmals am 10. Februar von den Vorwürfen. DFB-Vize-Präsident Rainer Koch gibt seine Zuständigkeit für den Schiedsrichterbereich ab, weil er über die Affäre nicht informiert worden sei. Zwei Tage später tritt Amerell aus "gesundheitlichen Gründen" zurück und wirft Zwanziger vor:

    "Er hat die Ehre von zwei Menschen auf dem Altar der Öffentlichkeit geopfert, nur weil er nicht in der Lage und unfähig war, diese Dinge so zu ordnen, so zu kanalisieren, wie es sich gehört."

    Anfang März treffen sich beide Parteien vor dem Landgericht München I. Am Vorabend des Gerichtstermins droht Zwanziger mit Rücktritt, falls der DFB den Prozess verlieren sollte. Am nächsten Tag beendet ein Vergleich den Streit. Der DFB darf weiter behaupten, Amerell habe Schiedsrichter sexuell belästigt, im Gegenzug erhält Amerell die Namen der weiteren Schiedsrichter, die ihm sexuelle Belästigung vorwerfen. Manfred Amerell:

    "Er hat wiederum auf dem Altar seines Amtes, für sein Amt,hat er drei Schiedsrichter ans Messer geliefert, da möchte ich jetzt hören, was da los ist."

    Theo Zwanziger aber ist mit dem Ergebnis zufrieden:

    "Wir leben in einem Rechtsstaat. Ich weiß, wie Gerichte das Material zu bewerten haben, das wir ja auch gesehen haben. Und deshalb war es doch klar, dass es für uns keine Niederlage geben konnte."

    Nach dem Gerichtstermin tritt Manfred Amerell bei Sat.1 in der Kerner-Show auf. Dort bestreitet er jegliche Verfehlungen:

    "Dass das Verhältnis so war, dass er unter Umständen auf mich abgefahren ist und das Verhältnis insgesamt zwischen ihm und mir so war, dass man sagen kann, man hat sich topp verstanden, man hat sich sehr gemocht, vielleicht sogar geliebt, ich weiß es nicht, auf jeden Fall sind die Dinge eindeutig, und da kann man nicht sagen, dass ich ihn sexuell belästigt oder bedrängt habe."

    Mittlerweile verklagen sich alle Parteien gegenseitig. Eine endgültige Klärung der Affäre wird es erst vor Gericht geben. Für den DFB ist die Sache aber offiziell schon geklärt. Theo Zwanziger:

    "Für den Verband ist klar, das, was wir gemacht haben, war richtig, es war konsequent, und es ist jetzt an dem Punkt, an dem der Verband eigentlich dazu nichts mehr zu sagen hat."

    Die Affäre Amerell hat auf jeden Fall Folgen für das Schiedsrichterwesen. Der DFB will mehr Transparenz und will deshalb eine Reform beschließen. Auf dem außerordentlichen Bundestag morgen, den Zwanziger gegen den Willen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) durchgesetzt hat. Nach deren Auffassung hätte die Schiedsrichterreform auch vom Vorstand beschlossen werden können und der ordentliche Bundestag im kommenden Oktober hätte seinen Segen dazu gegeben. Aber in einem Vieraugengespräch vor der Präsidiumssitzung im März drohte Zwanziger dem DFL-Präsidenten Reinhard Rauball einmal mehr mit Rücktritt, falls die Ligavertreter dem außerordentlichen Bundestag nicht zustimmen sollten. Am Ende enthielten sich die Ligavertreter der Stimme. Offiziell hörte sich das dann so an. Liga-Chef Rauball betont:

    "Dass die Liga 100 Prozent loyal hinter dem steht, was Herr Dr. Zwanziger als Präsident des Deutschen Fußballbundes tut. Wir machen das aus voller Überzeugung und nicht etwa, weil es jetzt im Moment vielleicht zur Beruhigung der Situation beitragen kann."

    Theo Zwanziger sah sich nach der Präsidiumssitzung wieder zurück in alter Form.

    "Theo gegen den Rest der Welt, das geht nicht. Natürlich habe ich in dieser Woche sehr wohl darüber nachgedacht, das will ich ganz ehrlich sagen: Ist die Freude an diesem Amt bei dir noch so stark, dass du dir und deiner Familie das unbedingt antun willst? Da bin ich sehr zufrieden und ich habe mich darüber gefreut, auch über diesen Vertrauensbeweis, der in einer so persönlich deutlichen Weise kam, dass mich das auch persönlich sehr beeindruckt hat. Ich habe von niemand gehört, es wäre besser, wenn man auf den Theo Zwanziger verzichten könnte."

    Einstimmig hat ihm das Gremium sein Vertrauen ausgesprochen, sagt Rolf Hocke, Präsident des Süddeutschen Fußballverbandes:

    "Meiner Auffassung nach hat er überhaupt keinen Grund, seine Position an diesem außerordentlichen Bundestag durch eine Eröffnungsrede zu stabilisieren. Er ist stabil, sonst hätte er nicht von uns allen unisono das Vertrauen bekommen."

    Für Hocke ist eine Eröffnungsrede Zwanzigers jedoch notwendig, um die Einberufung des außerordentlichen Bundestages zu begründen:

    "Den wollen wir deshalb, weil wir sagen, diese Veränderung im Schiedsrichterwesen, die geht ja hinein bis in den Amateurfußball. Und dafür brauchen wir die Akzeptanz der gesamten Basis. Und wenn die mit Zweidrittelmehrheit sagt, diese Reform macht Sinn, sie ist erforderlich, dann hat das ein ganz anderes Gewicht, als wenn das zweithöchste Gremium im DFB, der Vorstand mit 52 Personen, dieses sagt. Und die Akzeptanz ist dann auch eine andere, bis hinein in den Amateurfußball, als wenn das nur der Vorstand sagt."

    Doch im Vorfeld des Bundestages sprachen sich einige Landesverbände gegen die Reform aus. Die Verbandsvertreter sehen nach dem Fall Amerell das gesamte Schiedsrichterwesen einem Generalverdacht ausgesetzt und fürchten um ihre Unabhängigkeit. Denn in der Bundesliga gab es schon länger Bestrebungen, mehr Einfluss auf das Schiedsrichterwesen zu nehmen. Schließlich bezahlt die Liga die Referees, in der Bundesliga kassieren die Unparteiischen mittlerweile 3.800,- Euro pro Begegnung. Da will man dann auch mitbestimmen, wer wo pfeift. Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, ehemaliger DFL-Präsident, erklärt:

    "Dieser Schiedsrichterbereich, dieses Schiedsrichtersystem hat sich immer so - das war zumindest mein Eindruck - als Klub im Verband verstanden und nur dann in sich hineinschauen lassen, wenn durch Druck in der Öffentlichkeit die Notwendigkeit bestanden hat. Und das hat man jetzt in der sogenannten Amerell-Affäre ja, meine ich, auch so miterleben dürfen. Denn wenn ich richtig informiert bin, war die Situation rund um Amerell im Schiedsrichterbereich schon längere Zeit ein Gesprächsthema und es gab wohl auch Bestrebungen, das im eigenen Kreis zu erledigen."

    Wir lösen unsere Probleme selbst. Das habe bei den Schiedsrichtern Tradition, erinnert sich Holzhäuser an seine Zeit als Funktionär im DFB und in der DFL:

    "Das ist nicht zum ersten Mal passiert, es ist vor Jahren, da war ich selbst noch dabei, als es um den sogenannten Wettskandal ging, das Thema Hoyzer war nach meiner Information damals Wochen vorher im Schiedsrichterkreis bekannt. Und man hat versucht, dieses Thema im Schiedsrichterkreis zu halten und zu erledigen."

    Das soll sich in Zukunft ändern. Der ehemalige Referee Herbert Fandel hat das Reformpapier federführend mitentworfen und ist der designierte neue Schiedsrichter-Chef.

    "Also, was das rein Fachliche angeht, bin ich dafür, dass man unabhängig entscheiden kann. Und in allen anderen Dingen würde ich zum Beispiel mir sofort den Rat einholen müssen von anderen Gremien und Institutionen und Personen, wenn etwas in den Fußballsport oder in die Schiedsrichterei hineinkommt, was eben nicht mit dem rein Fachlichen zu tun hat."

    Die Strukturen sollen transparenter werden, sagt auch Rolf Hocke, DFB-Präsidiumsmitglied:

    "Dass es nicht mehr so sein kann, dass bestimmte Leute, die aus einem Regionalverband kommen, ihre Leute ansetzen oder sich selbst als Schiedsrichterbeobachter ansetzen oder sich im Coachingbereich ansetzen, das wird nicht mehr stattfinden, dass die alleinige Macht von dem einen oder anderen dazu führt, dass bestimmte Dinge nicht mehr nachvollziehbar sind."

    Für das Gremium hat Fandel schon seine Experten ausgesucht. Den ehemaligen Schiedsrichter Hellmut Krug, der jetzt bei der DFL das Ressort Schiedsrichter betreut, sowie die Ex-Kollegen Lutz Michael Fröhlich und Lutz Wagner. Und als Berater soll Eugen Strigel fungieren, der jetzt sein Amt als Lehrwart abgibt. Für alle gilt ein Kriterium. Herbert Fandel:

    "Sie sind nicht verbandsabhängig und haben keine andere Funktion in einem Verband. Das ist mir sehr wichtig für die Außenwirkung und auch für die Innenwirkung für die Schiedsrichter."

    Aber auch den Schiedsrichterausschuss als oberstes Gremium der Unparteiischen wird es in seiner bisherigen Form nicht mehr geben. Er wird umgewandelt in eine Kommission und, so ist es geplant, wird vom DFB-Präsidium berufen. Rolf Hocke:

    "Und zwar hat das den Charme, wenn es eine Kommission ist, dass das DFB-Präsidium den Vorsitzenden dieser Kommission berufen kann. Und wenn er ihn beruft, genau wie die anderen Mitglieder, dann kann er ihn auch abberufen, wenn er es für nötig hält. Das ist der feine, aber wesentliche Unterschied zu einem Ausschuss. Und im Hinblick darauf, dass wir, das Präsidium bei irgendwelchen Vorkommnissen direkten Zugriff auf die gesamte Kommission einschließlich des Vorsitzenden haben, um diesen abzuberufen. Das war nach dem bisherigen System nicht möglich."

    In der Vergangenheit hätten Volker Roth, der bisherige Vorsitzende des Ausschusses, und Manfred Amerell alleine die Weichen gestellt, heißt es in der Szene. Doch der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Jürgen Aust bezweifelt diese angebliche Machtkonzentration:

    "Und es ist nicht nur eine Person zuständig, ob ein Schiedsrichter in die zweite Liga oder die Bundesliga aufsteigt, sondern das ist die Aufgabe des Ausschusses. Und die Möglichkeiten, einen alleine hoch zu hieven, sind doch sehr eingeschränkt, das ist in der Öffentlichkeit leider falsch dargestellt worden, dass Amerell die Macht hat, einen Schiedsrichter ganz nach oben zu bringen, das geht nicht."

    Allerdings war es in der Vergangenheit so, dass die Schiedsrichter immer einen festen Ansprechpartner haben sollten. Bestes Beispiel ist das Gespann Amerell/Kempter. Der 27-jährige Referee wurde schon seit zehn Jahren von Amerell betreut. Das soll sich in Zukunft ändern, so Fandel:

    "Was man da tun kann, ist, dass man zunächst einmal den Beobachterstab überprüft, überlegt, wer sollte in diesen Beobachterstab für die kommende Saison sein, dass man ihn immer vor der Saison neu infrage stellt, zu diesen Beratungen einen möglichst großen Personenkreis nimmt, um ein schlüssiges Ergebnis zu bekommen. Da müssen auch die Aktiven mit ran. Und während der Saison dafür sorgen, dass ein Schiedsrichter von möglichst vielen Beobachtern gesehen wird. Mehr kann man, glaube ich, in dieser Richtung nicht tun."

    DFB-Präsidiumsmitglied Hocke will ebenfalls die Lehren aus der Amerell-Affäre ziehen und Machtkartelle aufbrechen:

    "Also, es wird nicht mehr nur einer das Sagen haben, oder bestimmen, wer wann wo pfeift und angesetzt oder beobachtet wird, sondern es wird nicht nur das Vieraugenprinzip stattfinden, sondern es wird innerhalb der Schiedsrichterkommission ein größeres Gremium im Hinblick auf bestimmte Aufgabenverteilungen das Sagen haben, also nicht mehr die alleinige Macht bei einer oder zwei Personen, sondern transparenter, überschaubarer, und in die Hände von mehreren Personen geben."

    Oberflächlich gesehen ist die Welt des deutschen Fußballs also wieder in Ordnung. Das Schiedsrichterwesen wird neu geordnet, die Einheit zwischen Verband und Liga nach außen hin hergestellt und auch der Präsident scheint fest im Sattel. Nur das könnte sich schnell ändern, wenn er im Prozess gegen Amerell unterliegt. Denn diese Botschaft hat Zwanziger ja schon mehrfach ausgesandt. Verliere ich den Prozess, trete ich zurück.