Freitag, 29. März 2024

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Angriff auf Kunstwerke der Flick-Collection

Schossig: Noch ist die Sammlung Flick nicht so selbstverständlich in der "Berliner Republik" angekommen, wie die politische Prominenz bis hinauf zum Kanzler dies bei Eröffnung der Schau im "Hamburger Bahnhof" beschworen hat. Gestern machte eine gelenkige, ansonsten allerdings wohl unzurechnungsfähige Berlinerin "Flic Flac" auf einem Flickkunstwerk und schon steht man dort Kopf. Die Ausstellung der umstrittenen Friedrich-Christian-Flick-Collection in Berlin stößt bei der Mehrheit der Deutschen auf Zustimmung, wie ein Forsa-Umfrage jetzt an den Tag brachte. Nur 27 Prozent der Bundesbürger sind dagegen, 15 Prozent haben keine Meinung, eine Berlinerin immerhin, schien eine Meinung zu haben. Sie trampelte nämlich gestern Abend randalierend auf zwei Kunstwerken dort herum. Frage an Klaus Dieter Lehmann, den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, haben Sie mit der Flick-Collection Geister gerufen, derer Sie sich nicht mehr erwehren können?

Moderation: Rainer B. Schossig | 23.09.2004
    Lehmann: Es wird natürlich der Gesamtkomplex, NS-Zeit, Göring-Collection, Flick-Collection bei manchen Leuten einfach in einen großen Topf getan und dann umgerührt und dann führt das möglicherweise zu solchen aggressiven Handlungen, denn offensichtlich war die Attacke durchaus durch Gedankengut dieser Art bestimmt.

    Schossig: Heißt das nun, dass Sie in Zukunft diese Sammlung besser bewachen müssen, dass Sie nachrüsten müssen?

    Lehmann: Das eine ist, dass wir das Personal noch besser auf Einzelfälle schulen müssen, dass heißt, Szenarien durchspielen müssen. Wir haben ja die Bewachung wesentlich erhöht. Wir hatten beispielsweise einen Tag vorher, am Eröffnungstag einen Mann, der sich nackt rasierte, von oben bis unten. Den haben wir beobachtet, wir sind aber nicht eingeschritten. Deshalb kam erst mal diese Verunsicherung bis eingegriffen worden ist. Das ist das eine. Das andere ist, wir prüfen auch noch mal im Detail, ob wir weiter aufstocken müssen. Es ist jetzt schon in erheblichem Maße aufgestockt.

    Schossig: Friedrich Christian Flick war schockiert, hörte man, über diese Aggression gegen ein Kunstwerk. Natürlich muss ein Sammler, der seine Stücke der Öffentlichkeit überantwortet, damit rechnen.

    Lehmann: Einmal hat Flick wirklich eine obsessive Beziehung zur Kunst. Es ist, als ob man ihn körperlich amputiert, so heftig war die Reaktion gestern Nacht, als ich mit ihm gesprochen habe. Er stellt es natürlich in einen Zusammenhang der sehr verengten Debattenkultur, die sich immer nur am belasteten Namen Flick orientiert, und wenn das in dieser Form ist, dass die Museen Kunst dann immer wieder in einer Weise aussetzen, dass Kunst letztlich ein Gegenstand wird, gegen den man aggressiv vorgeht, dann wäre das wirklich schlimm, dann würden ja Museen zu Festungen werden.

    Schossig: Ist das Stück von Matta-Clark, was ja sehr fragil ist, überhaupt reparabel?

    Lehmann: Unsere Restauratoren haben nach einer ersten Durchsicht gesagt, man kann es mit der Originalsubstanz wieder herstellen. Aber es wird sicher so sein, dass die Bruchstellen sichtbar bleiben, insofern wird es in jedem Fall eine Wertminderung sein.