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Angst vor dem Genweizen

Das Institut für Pflanzengenetik und Kultur-Pflanzenforschung im sachsen-anhaltischen Gatersleben will zu Versuchszwecken gentechnisch veränderten Weizen anbauen. Kritiker fürchten, der Genweizen könnte die vom Institut betriebene Gendatenbank gefährden, die zu den bedeutendsten der Welt zählt.

Von Annette Schneider-Solis | 07.09.2006
    Hartmut Hoffmann stehen die Sorgen ins Gesicht geschrieben. Kaum ist die durch die Sommerhitze dezimierte Ernte in der Scheune, schon droht die nächste Gefahr für den Ökolandwirt aus dem Landkreis Quedlinburg. Unweit von seinen Äckern will das Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung gentechnisch veränderten Weizen anbauen - versuchsweise, auf einem Hektar. Ein entsprechender Antrag liegt bei Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Hartmut Hoffmann, Ökobauer:

    "Als Ökobauer unterliege ich verschärften Kontrollen. Und, tja, wenn man mir einmal sowas nachweist, kann ich den Betrieb zumachen. Vor zwei Jahren hatte ich Soja angebaut und hab am Ende Probleme bei der Vermarktung bekommen. Die aufnehmende Hand fragt: Rieder, Quedlinburg? Das ist doch in der Nähe von Gatersleben, das lassen wir mal lieber. Die zweite Sache, die mich eigentlich noch mehr berührt: Wenn einmal der Boden mit gentechnisch veränderten Pflanzen kontaminiert ist, ist das Geschichte eigentlich. Der Schaden ist irreversibel."

    Der Weizen, den das IPK anbauen will, soll einen höheren Proteingehalt haben. Um das zu erreichen, wurden Gene der Ackerbohne und der Gerste eingebracht. Außerdem ist das neue Getreide gegen Herbizide resistent. Das Ganze hat einen ungewollten Nebeneffekt, verweist Sachsen-Anhalts BUND-Geschäftsführer Oliver Wendenkampf. Der Weizen ist auch unempfindlich gegen zwei in der Humanmedizin verwendete Antibiotika. Oliver Wendenkampf, BUND Sachsen-Anhalt:

    "Mit diesem Genweizen würde Resistenz gegen diese beiden Antibiotika auch freigesetzt werden. Und insgesamt ist es so, dass Genweizen nicht mal in den USA in Verkehr gebracht wird - häufig heißt es ja, USA und Kanada sind die großen Gentechnik-Länder - gerade bei Weizen haben sich auch die konventionellen Landwirte erfolgreich dagegen gewehrt, und deshalb ist es für uns um so verwerflicher, dass Bundes- und Landesregierung das hier mit heftigem Steuergeldeinsatz das hier in Sachsen-Anhalt austesten wollen."

    Besonders brisant ist das Anbau-Ansinnen, weil die Versuchsfelder auf dem Gelände des IPK liegen. Das Institut in Gatersleben ist im Besitz einer der bedeutendsten Genbanken der Welt. Saatgut von 150.000 Kulturpflanzen aus aller Welt wird in dieser Pflanzenbibliothek aufbewahrt, darunter das von längst nicht mehr angebauten Arten. Die Proben werden zwar in verschlossenen Gläsern in Kühlkammern gelagert. Dennoch besteht die Gefahr, dass sie mit dem genmanipulierten Getreide in Kontakt kommen, warnt Andreas Bauer vom Umweltinstitut München:

    "Diese Proben müssen in regelmäßigen Abständen im Freien angebaut werden, um ihre Keimfähigkeit zu erhalten. Da sind natürlich ganz viele verschiedene Eigenschaften drin: Resistenzen gegen verschiedene Krankheiten, Dürre, versalzene Böden. All das ist für die zukünftige Züchtung am Weizen, das ist überlebenswichtig für die zukünftige Ernährung der Menschheit. Nur mal ein Stichwort: Klimawandel. Da werden wir sehr bald diese Eigenschaft Dürreresistenz brauchen."

    Nur 400 bis 500 Meter sind die Versuchsfelder von jenen Flächen entfernt, auf denen die Saat aus der Genbank keimen darf. Beim Weizen aber sind Auskreuzungen über eine Distanz von 1000 Metern dokumentiert. Gefahr wittern auch benachbarte Landwirte. Würde ihr Getreide mit dem Versuchsweizen verunreinigt, hätten sie in jedem Fall den Schwarzen Peter, beklagt Anne-Katrin Valverde vom Deutschen Bauernbund. Das Vorhaben, einen Haftungsfonds einzurichten, ist vorerst gescheitert. Die Wirtschaft will sich nicht daran beteiligen. Anne-Katrin Valverde, Deutscher Bauernbund:

    "Das heißt: Wenn einem Landwirt Verschulden nachgewiesen werden kann, dann muss er dafür aufkommen."

    Bis zum 20. September läuft die Einspruchsfrist für das Antragsverfahren. Sollte das Landwirtschaftsministerium den Versuch genehmigen, wird der Versuchsweizen im Oktober in den Bördeboden gebracht. 3500 Einwände aus dem gesamten Bundesgebiet liegen bereits dagegen vor. Sollte der Feldversuch dennoch genehmigt werden, wollen die Gegner nicht aufgeben. BUND und NABU bereiten eine gemeinsame Unterlassungsklage vor.