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Angst vor IPv6?

Internet.- Das neue Internetprotokoll IPv6 soll das Problem um mangelnde Netzadressen lösen. Dennoch sind viele Provider zögerlich im Umgang mit dem neuen Protokoll. Doch die Zeit drängt. Bereits in ein bis zwei Jahren könnten die Netzadressen von IPv4 ausgehen.

Von Pia Grund-Ludwig | 27.02.2010
    Die deutschen Internet-Provider befassen sich zögernd, aber zunehmend mit dem Thema IPv6. Einige kleinere Anbieter haben das Thema schon seit einigen Jahren auf dem Schirm, die größeren nehmen sich der Materie nun an und beginnen, Pakete für ihre Kunden zu schnüren.

    "IPv6 ist am kommen, allerdings ist das Dumme an der Stelle, dass IPv6 seit zehn Jahren am kommen ist, und es kommt eigentlich zu langsam. Wenn man sich anschaut, dass nächstes, übernächstes Jahr die IPv4-Adressen ausgehen und dann die großen Access-Netze nicht weiter wachsen können. Wenn man sich das vor Augen hält, müssten wir mit IPv6 schon viel weiter sein, und da ist das, was einem eigentlich Sorgen machen sollte",

    meint Gert Döring. Er ist beim Münchner Provider Spacenet für IPv6 zuständig und arbeitet seit vielen Jahren in zahlreichen internationalen Gremien mit, die sich mit dem neuen Internet-Protokoll beschäftigen. Spacenet hat auch bereits einige kommerzielle Kunden:

    "Prominentestes Beispiel sind die Lokalisten als eine der großen Community-Plattformen für junge Leute in Deutschland. Die haben letztes Jahr gesagt, das ist die Zukunft des Internet und wir wollen das jetzt einfach haben, setzt das doch mal um. Es gab am Anfang schon gewisse Sorgen, ob nicht irgendjemand dann Schwierigkeiten hat, auf die Seite zuzugreifen. Die haben sich aber komplett zerstreut."

    Der Berliner Hosting-Experte Strato stellt seit Ende 2009 erste Angebote für dedizierte Server zur Verfügung, erklärt Stratos Technikvorstand Christian Müller.

    "Das nutzen Tausende Kunden, bei anderen Produkten wie virtuellen Servern werden wir das demnächst anbieten, für Shared Hosting wird das Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres der Fall sein."

    Insgesamt ist IPv6 aber immer noch ein Thema für Techies.

    "Da sind vornehmlich Leute, die technologisch weit vorne sind, die interessiert sind",

    beschreibt Müller die Kunden. Bei der Deutschen Telekom sehe man kein gesteigertes Interesse an IPv6, bereite sich aber ebenfalls vor, meint Pressesprecher Hans-Martin Lichtenthäler auf Anfrage des Deutschlandfunks. T-Home arbeitet seit 2008 in einem Projekt intensiv an der IPv6-Einführung für alle IP-Dienste. Die Deutsche Telekom setzt dabei auf Dual-Stack-Lösungen. Das sind Geräte, die beide Protokolle unterstützen. Das IP-Backbone soll bereits im März 2010 komplett beide Protokolle unterstützen, auf Teilstrecken ist dies bereits der Fall. Eines der Haupthindernisse sind bislang die Zugangsgeräte in den Haushalten. Die sind zum größeren Teil nicht Ipv6-fähig.

    "Alle Bestandskunden, die Altgeräte haben, die vor Anfang 2009 ausgeliefert worden sind, haben das Problem, und das sind sehr große Zahlen",

    meint Strato-Experte Müller. Das gelte sowohl für DSL-Zugänge als auch für Kabelnetze, sagt Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender der Internet-Branchenverbands ECO. Die Telekom nimmt sich jetzt des Problems an. Erste voll IPv6-fähige HomeGateways kämen noch im Lauf des Jahres 2010 auf den Markt, die Tests begännen in Kürze, berichtet Pressesprecher Lichtenthäler.

    Auch Identity-Management, Mail und Web-Hosting will die Deutsche Telekom noch im Lauf des Jahres 2010 IPv6 fähig machen. dualstack-fähige Geschäftskundenanschlüsse gibt es ab 2011. Andere Internet-Zugangs-Provider haben zwar Pläne zum Umstieg in der Schublade, wollen sich aber nicht auf konkrete Zeitpläne verpflichten. Bei Vodafone seien Produkte für Geschäftskunden in der Pipeline, sagt Pressesprecher Paul Gerlach, nennt aber keinen konkreten Termin. In den Ausschreibungen von Geschäftskunden sei die Frage nach IPv6 aber ein Standardbaustein. Zu Produkten für Privatkunden macht Gerlach keine Angaben.

    Auch bei 1&1 ist das Interesse an Angeboten für die Kunden eher verhalten. Die Netzinfrastruktur sei vorbereitet auf IPv6, in den Rechenzentren laufe die Umstellung. Bei endkundenorientierten Produkten wie Internet-Telefonie sei IPv6 aber kein Thema. Die Zugangsgeräte bei den Kunden, die Router, könne man aber über ein Update IPv6-fähig machen, so das Unternehmen. Neben dem Internet-Zugang und möglichen Diensten ist auch die Frage nach Content spannend, der für IPv6 zur Verfügung steht. Content-Riese Google mit reichweitenstarken Plattformen wie YouTube sei vorsichtig bei der Anbindung von IPv6, berichtet Gert Döring:

    "Als Kunde bekomme ich den IPv6-Zugang zu Google, zu YouTube nur, wenn mein Provider sich dort Whitelisten lässt. Google sagt, was auch immer wir tun, Google darf nicht langsam sein. Die haben Sorge, wenn ein Provider seinem Kunden schlechtes IPv6 anbietet, was über nicht ausreichend dimensionierte Leitungen und nicht produktionsfertige Geräte läuft, das dann auf Google zurückfällt."

    Insgesamt hat IPv6 immer noch ein Henne-Ei-Problem. Ohne Killer-Applikation läuft der Aufbau der Infrastruktur langsam. Bis höchstens 2020 wird es wohl noch parallele Infrastrukturen von IPv4 und IPv6 geben können. Die Zeit für die Umstellung beginnt also langsam aber sicher abzulaufen.