Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Angst vor teurem Wasser

Portugal muss ein ambitioniertes Reform- und Sparprogramm umsetzen, das die Troika einfordert. Betroffen ist auch die staatliche Wasservorsorge. Doch viele Portugiesen befürchten, dass durch die Privatisierung die Preise für Trinkwasser übermäßig ansteigen könnten.

Von Tilo Wagner | 31.01.2013
    Eine Landstraße rund 50 Kilometer nordwestlich von Lissabon. Die Straße ist eine von vielen Trennlinien zwischen staatlicher und privater Wasserversorgung in Portugal. Südlich des Asphalts liegt der Bezirk Sintra, nördlich liegt Mafra, wo Vítor Costas lebt und arbeitet. In einem kleinen Fischergeschäft im Erdgeschoss seines Wohnhauses repariert er gerade eine kaputte Angel. Im Bezirk Mafra, ist seit 17 Jahren ein französisches Unternehmen für die Wasserversorgung verantwortlich:

    "Wir hier in Mafra haben mit das teuerste Trinkwasser in ganz Portugal. Das Wasser war früher billig, aber seit der Privatisierung ist der Preis sehr stark gestiegen. Meiner Meinung nach sollte Wasser immer ein öffentliches Gut bleiben."

    Nur ein paar hundert Meter die Landstraße hinauf liegt ein kleines Café. Schummriges Neonlicht, ein paar Männer am Tresen, eine Gruppe älterer Frauen trifft sich zu Milchcafé und Kuchenstückchen. Alles scheint genauso wie im benachbarten Mafra, doch der Cafébesitzer António Gregorio zeigt aus dem Fenster und erklärt den feinen Unterschied:

    "Hier sind wir bereits in Sintra, und das Wasser ist viel billiger als dort drüben, wo Mafra beginnt. Wettbewerb ist ja eigentlich gut. Aber die privaten Anbieter wollen einfach immer mehr Geld verdienen. Ich hoffe, dass unsere Wasserversorgung in öffentlicher Hand bleibt. Dann bleibt es billiger."

    Der staatliche Betrieb "Águas de Portugal" versorgt rund 80 Prozent der portugiesischen Bevölkerung mit Trinkwasser. Private Unternehmen konnten in den vergangenen Jahren in einigen Bezirken wie in Mafra von lokalen, öffentlichen Betreibern die Wasserversorgung übernehmen, weil der Markt schlecht reguliert war und es Schlupflöcher in der Gesetzgebung gab. Mit verheerenden Folgen für den Endverbraucher, sagt Jorge Morgado, Generalsekretär von Portugals Verbraucherschutzverband Deco:

    "Unserer Kenntnis nach hat die private Wasserversorgung in Portugal nichts Gutes für den Konsumenten gebracht. Die Preise sind stark gestiegen und die privaten Betreiber investieren immer weniger in Qualität und in den Erhalt und die Verbesserung des Versorgungsnetzwerks."

    Trotzdem soll nach dem Willen der Troika das staatliche Wasserunternehmen nun privatisiert werden. Die konservative Regierung arbeitet an einem Gesetzesentwurf, der die Konzessionsvergabe der Wasserrechte an private Investoren ermöglichen soll. Dahinter steckt wieder einmal eine Logik der Zahlen. Portugiesische Staatsbetriebe haben riesige Schuldenberge angehäuft, deren Kreditfinanzierung neue Löcher in den Haushalt reißt. Auch "Águas de Portugal" sitzt auf Verbindlichkeiten in Höhe von knapp drei Milliarden Euro. Und trotzdem glaubt Verbraucherschützer Morgado, dass eine erfolgreiche Privatisierung der Wasserversorgung an einer Reihe von strukturellen Problemen scheitern würde:

    "Ein Privatisierungsprozess muss von einer starken Regulierungsbehörde begleitet werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der portugiesische Staat kein guter Regulierer ist, weil er sich nicht durchsetzen kann. Die Privatunternehmen würden die lukrativen Geschäfte betreiben wollen, aber niemand würde sich um abgelegene und damit weniger profitable Gebiete kümmern. Dazu kommt, dass wir zuallererst eine Verwaltungsreform brauchen, um regionale Unterschiede auszugleichen. Eine derartige Reform lässt sich aber nur durchführen, wenn der Staat weiter das Sagen hat."

    Die Befürworter einer Privatisierung des Wassers weisen in Portugal gerne darauf hin, dass Privatunternehmen wesentlich effizienter arbeiten als die teilweise sehr verkrusteten lokalen Behörden. Jorge Morgado hält dagegen: Wenn die Portugiesen ihr Wasser in öffentlicher Hand halten wollen, müssten sie der Verwaltung in Zukunft einfach genauer auf die Finger schauen:

    "Die Zivilgesellschaft muss einen aktiveren Part einnehmen und die Behörden besser kontrollieren. Die öffentlichen Betreiber werden gezwungen, transparenter und effizienter zu arbeiten und werden damit auch den Ansprüchen des Gemeinwesens gerecht."