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Anhörung im EU-Parlament
Tichanowskaja: "Mein Land ist in Aufruhr und Krise"

Bei ihrer Anhörung vor dem Europäischen Parlament betonte Swetlana Tichanowskaja, dass sie und ihre Mitstreiter nicht länger die Opposition seien, sondern die Mehrheit in Belarus. Die Forderung des Parlaments nach fairen Neuwahlen geht einigen EU-Mitgliedern aber wohl zu weit.

Von Bettina Klein | 25.08.2020
Swetlana Tichanowskaja, belarussischen Oppositionspolitikerin, spricht am 25.08.2020 zum Auswärtigen Ausschuß im Europäischen Parlament
Swetlana Tichanowskaja spricht zum Auswärtigen Ausschuß im Europäischen Parlament - die meisten Abgeordnete zollten ihr großen Respekt (AFP / François Walschaerts )
Die Oppositionspolitikerin sprach knapp acht Minuten in ruhigem Ton über die Situation in ihrem Land.
"Mein Land ist in Aufruhr und Krise, friedlich protestierende wurden illegal verhaftet und geschlagen. Die Behörden wenden die Taktik der Einschüchterung Angst und körperliche Bedrohung an."
All das passiert in Europa, so Swetlana Tychanowska. Wir sind nicht mehr die Opposition, fuhr sie fort, wir sind die Mehrheit. Eine friedliche Revolution finde statt, keine geopolitische. Weder pro- noch antirussisch, weder pro noch gegen die Europäische Union versicherte sie.
Pro-Lukaschenko-Proteste in Minsk, Belarus, am 21. August 2020. Ein Mann trägt ein T-Shirt mit dem Porträt des belarussischen Machthabers.
Warum der Kreml an Lukaschenko festhält
Eigentlich müsste der Kreml der Opposition in Belarus beispringen, meint Alice Bota. Machthaber Lukaschenko sei nie ein einfacher Partner gewesen. Doch eine Bewegung aus Massenprotesten zu stützen, sei Moskau dann doch zu heikel.
Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten im Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlamentes zollte ihr großen Respekt. Es waren Politiker aus der Fraktion Vereinigte Linke, die ihr eine Legitimation absprachen und Machthaber Lukaschenko wie auch das Eingreifen Russlands als legitim verteidigten.
Forderung nach Neuwahlen: Bedrohung für Lukaschenko und Putin
Die fünf größten Fraktionen im Parlament hatten sich bereits vergangene Woche auf eine Resolution verständigt, in der sie unter anderem die Gewalt gegen Demonstranten verurteilen, die Wahlergebnisse nicht anerkennen und weitere Sanktionen fordern. Ähnlich hatte sich dann am vergangenen Mittwoch der Europäische Rat positioniert. Doch die Mehrheit im Parlament geht – wie so oft - darüber hinaus. Sie fordert beispielsweise explizit Neuwahlen unter fairen Bedingungen. Eine Forderung, die sich bei den Staats- und Regierungschefs nicht wiederfand.
Roderich Kiesewetter (CDU) während einer Debatte im Bundestag
Kiesewetter (CDU): EU-Sondergipfel ein "starkes politisches Zeichen"
Der EU-Sondergipfel zu Belarus zeige, dass der EU das Schicksal des weißrussischen Volkes nicht egal sei, sagte CDU-Außenpolitiker Kiesewetter im Dlf. Es sei aber auch ein Signal an Russland, dass es der EU nicht um Einmischung gehe.
"Wie kann dieser Satz fehlen", fragte die sozialdemokratische Abgeordnete Kati Piri und verlangte eine Antwort vom Auswärtigen Dienst der EU. Die Forderung nach Neuwahlen galt einigen Staaten als zu weitgehend. Nicht nur Lukaschenko auch der russische Präsident könnte sich angesichts eines solches Szenarios bedroht fühlen.
Warnung vor Russlands Einmischung
Und während der EU-Gipfel sich gegen "jede Einmischung von außen" wendet, hatten die Abgeordneten explizit Russland aufgefordert, eine Einmischung offen oder verdeckt zu unterlassen und die EU zu Gegenmaßnahmen aufgerufen. Wir sollten nicht naiv sein, so die Grünen Abgeordnete Viola von Cramon.
"Russland ist schon sehr aktiv in Belarus und kontrolliert die Sicherheitskräfte, der Kremlin hat Bodyguards für Lukaschenko gesandt, Medienvertreter im Staatsfernsehen wurden aus Moskau geschickt, und wir sehen den Einfluss des Kreml auf der militärischen Ebene."
Im September soll das gesamte Parlament über einen Bericht zu Belarus Russland abstimmen.